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Böhringer: "Wir können die Wirklichkeit nie ganz erfassen"

Judith Hartl18. März 2014

US-Forschern ist es gelungen, Gravitationswellen einzufangen, die während des Urknalls ausgesandt wurden. Wissen wir jetzt endlich, wie alles begonnen hat? Zumindest ein bisschen, sagt Astrophysiker Hans Böhringer.

Hans Böhringer, Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik
Bild: Axel Griesch/MPG

Herr Böhringer, das Universum soll sich in kürzester Zeit rasant ausgebreitet haben. Wie sieht es heute aus? Wächst es immer noch?

Ja. Wir sehen, dass sich die Galaxien von uns fortbewegen und je weiter sie weg sind, desto schneller bewegen sie sich fort. Diese Expansion hat das Weltraumteleskop Hubble entdeckt.

Entstehen noch immer Galaxien, Sterne und Planeten oder gab's den Urknall und seitdem ist alles gleich geblieben?

Nein, es passieren immer wieder neue Dinge. Auch die Galaxienbildung ist noch nicht abgeschlossen. Galaxien wachsen, wenn auch nicht mehr so heftig. Auch Sterne und Planeten bilden sich immer noch neu.

… und sterben auch …

Genau.

Denn alles hat einen Anfang und alles hat auch ein Ende. Weiß man, wie das Ende des Universums aussehen könnte?

Natürlich. Im Augenblick sehen wir, dass sich das Universum immer weiter ausdehnt, sogar noch einmal angetrieben durch die sogenannte Dunkle Energie. In Zukunft werden sich die Galaxien also mehr und mehr von einander entfernen, das Universum wird kälter und kälter werden. Irgendwann wird der Energievorrat in den Sternen aufgebraucht sein, sie werden sterben und das Universum wird kalt und dünn expandierend enden.

Das wird aber auch erst in einigen Jahren sein…

Ja, in ein paar Milliarden Jahren.

Was wir im Weltraum sehen, ist ja nicht der Jetzt-Zustand, sondern eigentlich schon wieder Vergangenheit und einen Teil der Sterne, die wir sehen, gibt es schon nicht mehr - wie geht man als Astrophysiker mit solchen Raum-Zeit Dimensionen um? Wird man da nicht irgendwann verrückt?

Man gewöhnt sich irgendwann an diese Dimensionen. Aber wir Astronomen sind auch in der glücklichen Lage, dass wir in die Vergangenheit schauen können und das ist eine wunderbare Sache. Je weiter wir mit unseren Teleskopen sehen können, desto weiter gehen wir auch in der Zeit zurück und bekommen ein Abbild verschiedener Zeiten. Wenn wir die Teilstücke zusammensetzen, die wir in unterschiedlichen Entfernungen beobachten, sehen wir, wie sich die Geschichte des Universums entwickelt hat. Das ist einmalig in der Wissenschaft, dass man in die Zeit zurückschauen kann und sieht, wie es damals war.

Muss man als Astrophysiker auch ein bisschen Philosoph sein, um sich da reindenken zu können?

Die meisten meiner Kollegen, einschließlich mir, sind an philosophischen und religiösen Fragen sehr interessiert. Wir sind es gewohnt, mit Hypothesen, Theorien und Wahrscheinlichkeiten zu arbeiten. Aber die Wirklichkeit können wir nicht erfassen. Wir haben immer im Kopf, dass es vielleicht noch drei andere Erklärungen geben könnte. Deswegen sind Spekulationen für uns eine gewöhnlichere Sache als für Menschen, die mit Alltagserfahrungen an Sachen herangehen.

Und Gott? Welche Rolle spielt er für Astrophysiker?

Ich bin jemand, der immer darauf schaut, wie Naturgesetze wirken. Und gerade die Entwicklung des Kosmos ist eine schöne und einfache Sache, die wunderbar durch physikalische Formeln beschrieben werden kann.

Viele sehen die Schöpfung ja gerne wie einen Garten und fragen sich: "Die Natur ist so wohlgeordnet - wo ist der Gärtner?" Dabei denken sie dann an einen Gott, der ständig eingreift und die Welt in Ordnung halten muss. Wir Wissenschaftler haben eher das Bild, dass die Ordnung in den Naturgesetzen steckt. Woher die Naturgesetze kommen - das ist eine andere, aber eine ganz große Frage.

Hans Böhringer arbeitet als Astrophysiker am Max-Plank-Institut für extraterrestrische Physik in Garching.

Die Fragen stellte Judith Hartl

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