Die Rückkehr der Böhsen Onkelz
20. Juni 2014Kaum hatten die "Böhsen Onkelz" ihr Comeback verkündet, da flammte auch die alte Kontroverse über die rechtsradikale Gesinnung der Band wieder auf. Die Fans sind begeistert, viele andere stellen aber nach wie vor die Frage, ob die Musiker die Schatten der Vergangenheit wirklich endgültig abgestreift haben. Ein Rückblick: Die Band aus dem Frankfurter Raum hatte lange Zeit den Ruf, der rechtsradikalen Szene nahe zu stehen. Fest steht, dass sich die "Onkelz" zumindest in ihren Anfangsjahren seit ihrer Gründung 1980 stark an die rechte Szene "herangesungen" und mit ihr auch sympathisiert hatten. Glatzköpfe tanzten wild und ausgelassenen bei den Auftritten in der ersten Reihe und tranken sich mit Bier in einen aggressiven Rausch. Sänger Kevin Russel benutzte damals eindeutig braunen Jargon in seinen Liedern.
Lieblingsband der rechten Szene
Gewaltverherrlichung und Ausländerfeindlichkeit warf man der Band vor. Wohl zu Recht, liest man einige der Textpassagen von damals. 1986 wurde zwei Jahre nach Veröffentlichung das erste Studio-Album der "Böhsen Onkelz" als jugendgefährdend eingestuft und mit einem Verkaufsverbot belegt. Alle Exemplare wurden beschlagnahmt.
Bis heute darf das Album nicht an Jugendliche unter 18 Jahren verkauft werden, und die Lieder des Albums dürfen nicht öffentlich aufgeführt werden. In der rechten Szene ist das Album indes ein Renner. Das Verbot des Albums war eine konzertierte Aktion von Jugendämtern, der Bundesprüfstelle für jugendgefährdete Medien, Staatsanwaltschaft und Justiz. Das von vielen begrüßte Verbot machte die "Böhsen Onkelz" zu Helden in Neo-Nazi-Kreisen. T-Shirts der Band wurden zu optischen Erkennungszeichen, "Onkelz"-Songs zu Hymnen der rechten Szene.
Aus bö(h)sen werden liebe Onkelz?
Doch dann kam in den 1990ern die Umkehr. Bandchef Stephan Weidner wollte die Geister, die er einst gerufen hatte, wieder loswerden. Die Abkehr vom rechten Mob wurde medienwirksam in Szene gesetzt. Die "Böhsen Onkelz" schalteten Zeitungsannoncen gegen rechte Gewalt und Fremdenhass. Von der Konzertbühne verkündeten sie Botschaften gegen die rechte Szene und beschimpften die NPD als Jugendverführer. Als Stephan Weidner bei einem Konzert einen zum Hitler-Gruß hochgereckten Arm im Publikum sah, sprang der Musiker von der Bühne und schlug auf den Zuschauer ein. Dennoch blieb die Frage, ob solche Aktionen Zeichen einer glaubhaften Kehrtwende oder nur die geschickte Inszenierung einer Band sind, die sich vom braunen Image reinwaschen will.
Zweifel am neuen Image
In einigen Songtexten bezogen die "Böhsen Onkelz" in den Jahren vor ihrer Auflösung 2005 eindeutig Stellung gegen ihr ehemaliges rechtes Umfeld. Doch auch das konnte bis heute nicht alle Zweifler überzeugen. Mehr als argwöhnisch betrachtete "Ärzte"-Sänger Farin Urlaub die Gesinnungsumkehr der "Onkelz". Er sah in ihnen immer noch die Nazi-Band von einst. "Onkelz"-Kritiker Campino von den "Toten Hosen" gestand der Band allerdings zu, sich glaubwürdig von rechts distanziert und ihre braune Vergangenheit hinter sich gelassen zu haben. Jeder müsse eine neue Chance bekommen, meinte er. Dass Prominente, die eindeutig der linken Szene angehören - wie der Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit oder die ehemalige Ausländerbeauftragte des Landes Bremen, Dagmar Lill - nicht mehr nur das "Bö(h)se" in den "Onkelz" sahen, mag verwundern. Doch auch Autor Stephan Richter, der in seinem Buch "Gehasst, verdammt, vergöttert" die politische Ausrichtung der Band untersuchte, attestiert den "Onkelz" eine glaubwürdige Abkehr von ehemals eindeutig rechtsradikaler Gesinnung.
Böse "Onkelz" – liebe "Rammsteins"?
Dennoch haffet die Neo-Nazi-Vergangenheit den "Onkelz" an wie klebriges Pech. Laufend ist die Gruppe um Rechtfertigung bemüht. Das ist bei der Konkurrenzgruppe "Rammstein" anders. Zwar präsentieren sich auch die Berliner Musiker martialisch und lassen kein Fettnäpfchen aus, wenn es um Gewalt und zweideutige politische Passagen in ihren Texten geht, aber eine Untersuchung durch den Verfassungsschutz ergab im Jahr 2005 keine Verdachtsmomente in Bezug auf rechtsradikales Gedankengut. Auch dem über alle Zweifel erhabenen Jugendsender "1Live" waren "Rammstein" im selben Jahr eine Krone-Auszeichnung wert.
Düster inszeniertes Comeback
Mit einer düster inszenierten Internet-Videobotschaft vermeldeten die "Böhsen Onkelz" nun ihr Comeback. "…eine Sensation! Das, worauf ihr mehr als neuneinhalb Jahre gewartet habt!", lautet die Botschaft der vier Musiker, die am 20. Juni 2014 den Hockenheim Ring rocken wollen. Genau dort hatten sie sich 2005 mit einem spektakulären Konzert vor 120.000 Besuchern verabschiedet. Es sollte ein Abschied für immer sein.
"Aus Abschied wird nun Aufbruch", sagen die Rockmusiker jetzt. Diese vollmundige Aussage des Quartetts wird durch den Kartenvorverkauf mehr als bestätigt. Alle Tickets für das Hockheimring-Konzert gingen in nur einer Stunde weg. Auch das daraufhin angesetzte Zusatzkonzert für den Folgetag war in wenigen Minuten ausverkauft, und die Band lässt Pläne für eine Deutschland-Tournee offen. Die Fans feiern also die Rückkehr ihrer Lieblingsband - die Kritiker werden das Comeback der umstrittenen Rockmusiker weiterhin mit großer Skepsis betrachten.