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Politik

Bündnis gegen Netanjahu

Tania Krämer Tel Aviv
26. Februar 2019

Israel wählt im April. Ministerpräsident Netanjahu möchte wiedergewählt werden, doch ein neues Parteienbündnis macht ihm ernsthafte Konkurrenz. Und eine mögliche vorläufige Anklage überschattet den Wahlkampf.

Israel Tel Aviv Vorstellung Parteienbündnis Blue White mit Benny Gantz und Yair Lapid
Bild: AFP/J. Guez

Seit über 40 Jahren bereits hat Abraham Levy seinen Obststand auf dem geschäftigen Mahane Yehuda Markt in Westteil von Jerusalem. Über Bananen und Zitronen hängt ein übergroßes Schwarzweißfoto von Menachem Begin - dem ersten Likud-Premierminister von 1977.

Der Likud war schon immer seine Partei. "Ein Sprichwort hier besagt, dass man ein Pferd nicht gegen einen Esel austauscht. Benjamin Netanjahu ist sehr gut, unserer Wirtschaft geht es gut, unserer Sicherheit auch und all die moderaten arabischen Staaten wollen jetzt mit uns zu tun haben. Warum sollten wir ihn austauschen? Er ist ein hervorragender Ministerpräsident."

Netanjahu ist "ein hervorragender Ministerpräsident", sagt Obsthändler Abraham Levy.Bild: DW/T. Krämer

"Netanjahu bringt nichts mehr Neues"

Wenn es nach Levy ginge, könnte Netanjahu noch "20 Jahre im Amt bleiben" bleiben, solange er Gutes für das Land tue. Andere sind sich da nicht so sicher. "Ich habe einmal für Netanjahu gestimmt. Aber ich denke seine Zeit als Ministerpräsident ist vorbei, er bringt nichts Neues, er sagt immer nur wir werden von dort oder von dort angegriffen", sagt Reut Schneider, 23, die im Markt unterwegs ist. "Und dann sind das noch die kriminellen Ermittlungen gegen ihn [Anm. d. Red., Vorwürfe von Bestechung und Korruption] die doch Fragen aufwerfen."

Im Dezember hatte Netanjahu zu vorgezogenen Neuwahlen aufgerufen. Ein kalkuliertes Manöver: Umfragen zufolge hatte Netanjahu bislang in der Gunst der Israelis weit vorne als Ministerpräsident gelegen. Doch die polizeilichen Ermittlungen gegen ihn überschatten den Wahlkampf. Und er hat nun wirkliche Konkurrenz bekommen von einem neuen Parteienbündnis, das sich für die Wahl am 9. April aufgestellt hat.

Mit Blau-Weiß auf Neuanfang?

Nur wenige Stunden vor Abgabe der Wahllisten letzte Woche hatten sich die beiden aussichtsreichsten Kandidaten zusammengeschlossen: Der einstige Generalstabschef Benjamin 'Benny' Gantz (Hosen L'Israel) und der ehemalige TV-Moderator Yair Lapid (Yesh Atid) wollen auf einer Liste antreten - und ließen damit in den Augen der israelischen Presse eine "Bombe platzen". Mit der neuen "Blau-Weiß"-Liste wollen sie das Land wieder 'vereinen'.

Benny Gantz (li.) und Yair Lapid haben sich zum "Blau-Weißen"-Parteienbündnis zusammengeschlossenBild: AFP/J. Guez

Nach einem Rotationsprinzip würde Benny Gantz die ersten zwei Ministerpräsident und Yair Lapid Außenminister. Danach würde Lapid Ministerpräsident. Benny Gantz gilt zwar als politischer Newcomer, aber er ist den Israelis aus seiner Zeit als Armeechef wohlbekannt. In seiner bisherigen Wahlkampagne hatte er vor allem seine militärischen Erfolge hervorgehoben - zum Beispiel die Bombardierung Gazas im Krieg von 2014. Und hatte offen die militärischen Leistungen Netanjahus infrage gestellt. 

Yair Lapid, die Nummer zwei von "Blau-Weiß", wechselte bereits 2012 aus dem Journalismus in die Politik. Bei den Wahlen 2013 gewann er auf Anhieb mit seiner Partei Yesh Atid 19 Sitze und war kurzzeitig Finanzminister unter Netanjahu.

Wiederwahl Netanjahus verhindern

"Die große Frage ist ob die Wähler des rechten Blocks für diese neue Partei stimmen werden. Bisher zumindest haben wir noch keine substantielle Wählerbewegung von rechts gesehen", sagt Tamir Sheafer, Professor für Politikwissenschaften und Kommunikation der Hebräischen Universität, im Gespräch mit der DW. Die schwierigste Aufgabe dürfte sein, gemeinsame politische Inhalte zu formulieren was Außenpolitik, sozial-wirtschaftliche Fragen und die Palästinenser angeht.

"Bei einer Liste, in der drei frühere Armeechefs vertreten sind, kann man davon ausgehen, das das Thema Sicherheit ganz oben steht." Vereint ist die neue Liste zumindest darin, die Wiederwahl Netanjahus zu verhindern. "Bei Bibi geht es immer nur um Sicherheit, Sicherheit, Sicherheit", sagt Mula Ybarken, auf einer Wahlveranstaltung von Benny Gantz in Tel Aviv.

Ex-Gerneralstabchef Benny Gantz verweist auf seine Erfahrung in der ArmeeBild: Getty Images/AFP/G. Cohen Magen

Männerriege bei Blau-Weiß

"Sicherheit ist natürlich wichtig, ohne die hätten wir keinen Staat, aber Bibi hat das Land nicht vereint." Für ihn ist Gantz der Kandidat, der "sehr ehrlich sei, nicht rassistisch und weder links noch rechts stehe." Einat Weissbort, die auch für Gantz stimmen will, würde gerne eine Veränderung sehen. "Gantz bringt neue Hoffnung. Netanjahu denkt, er tut uns Gutes, aber nach meinem Gefühl geht es nirgendwo hin, und die Welt hat ein schlechtes Bild von uns." Kritik aber gibt es, weil die "Blau-Weiß"-Liste von einer reinen Männerriege angeführt und weibliche Kandidatinnen in die hinteren Ränge verwies.

Neusten Umfragen nach liegen Gantz/Lapid und Netanjahu nun Kopf an Kopf. Aber in Israel geht es darum, wer am Ende eine Koalition bilden kann, die über die notwendigen Mehrheit von mindestens 61 der 120 Knesset-Sitze verfügt. Und Netanjahu könnte dabei mit seinem rechten Block vorne liegen. Um keine Stimmen zu verlieren, drängte er deshalb letzte Woche auf ein Bündnis zwischen der national-religiösen Partei "Jüdisches Heim" und der ultra-rechten extremistischen "Jüdische Macht".

Umstrittener Zusammenschluss mit den Extremisten

Der Parteiführung der Siedlerpartei "Jüdisches Heim”, die auch jetzt bereits in der Regierungskoalition vertreten ist, wurden dafür zwei Ministerposten versprochen. Der umstrittene Zusammenschluss mit den Extremisten der "Jüdischen Macht", die sonst wahrscheinlich nicht über die 3,25-Prozenthürde gekommen wäre, sorgte für scharfe Kritik der Opposition und sogar der israelfreundlichen Lobbyorganisation AIPAC in den USA.

Anhänger der "Jüdischen Macht" vertreten eine Ideologie des "reinen jüdischen Bluts" und lehnen eine Heirat zwischen Juden und ‘Arabern' ab. Die Partei gilt als Nachfolgepartei der in den USA und auch in Israel verbotenen "Kach"-Partei, dessen Gründer Rabbi Meir Kahane 1990 ermordet wurde. Die offen rassistische Partei wollte unter anderem die Zwangsumsiedlung "aller Araber" aus den besetzten palästinensischen Gebieten und beanspruchte ein Großisrael.

Yair Lapid als Finanzminister 2013 an der Seite von Benjamin NetanjahuBild: Gali Tibboni/AFP/Getty Images

Drohende Anklage erhöht den Druck

Innenpolitisch könnte sich der Druck noch diese Woche auf Netanjahu aus einem ganz anderen Grund erhöhen: Der Generalstaatsanwalt will noch vor den Wahlen eine vorläufige Entscheidung treffen, ob er Netanjahu in drei Korruptionsfällen anklagt. Auch dies könnte noch Wähler umstimmen. Netanjahu hatte den Zeitpunkt scharf kritisiert und als Einflussnahme auf die Wahl bezeichnet. Bereits letztes Jahr hatten polizeiliche Ermittler empfohlen, Netanjahu in drei Verdachtsfällen wegen Betrug, Vertrauensbruch und Korruption anzuklagen.

"Die Frage ist welche Vorwürfe bestätigt werden. Wenn sie relativ klein ausfallen, dann wäre das für Wähler kein Grund, diesmal nicht für Netanjahu zu stimmen", sagt Tamar Hermann, Professorin des Israel Democracy Institut in Jerusalem. Im monatlichen "Friedensindex" befragt sie regelmäßig Israelis zu aktuellen Entwicklungen. "Außer für das linke Lager, gilt er für viele noch immer als der beste Ministerpräsident."
 

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