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Bündnis mit neuer Mission

Daniel Scheschkewitz / (Beitrag vom 26.11.2002)26. März 2004

Die NATO wird größer. Die Amerikaner erwarten mehr militärisches Engagement der Europäer, beharren aber weiterhin auf dem eigenen Führungsanspruch. Denn das transatlantische Ungleichgewicht bleibt.

Der große Bruder ist auf Besuch: Die NATO wächst nach OsteuropaBild: AP

Die Vereinigten Staaten von Amerika haben die NATO-Osterweiterung aktiv mitgetragen. Der Wert des Verteidigungsbündnisses wird sich aus der Sicht Washingtons jedoch künftig danach bemessen, welchen Beitrag die NATO-Staaten zum internationalen Kampf gegen den Terrorismus leisten. Die neue Bedrohung erfordert eine flexiblere Einsatz-Strategie. Angesichts der engen Grenzen, die den neuen Mitgliedsstaaten bei ihren Verteidigungsausgaben auferlegt sind, erwartet man vor allem Nischen-Kompetenz.

Neue Aufgaben, neue Strukturen

Die USA begrüßen die NATO-Osterweiterung, weil sie das Ende des Kalten Krieges in ihrer neuen Mitglieder-Struktur reflektiert. Was aber erwartet man jetzt von einem Bündnis, dessen Verteidigungstruktur noch immer weitgehend aus den Erfordernissen des Kalten Krieges resultiert? "Irgendwann muss sich die NATO an einer Strategie ausrichten, die berücksichtigt, dass die Haupt-Bedrohung von außerhalb des NATO-Gebietes kommt", erklärt Anthony Cordesmann, Rüstungsexperte am Institut für strategische Studien in Washington. "Russland stellt kein Problem mehr da. Die technologische Entwicklung ist aber zurückgeblieben. Streitkräfte, die im Kalten Krieg ihrer Aufgabe vielleicht noch gerecht wurden, erfüllen jetzt keinen militärischen Zweck mehr, oder sind schlichtweg obsolet."

Die Zäsur für die USA hat mit dem 11. September 2001 eine neue Qualität erreicht. Seitdem gilt unausgesprochen die Devise, dass sich die NATO den amerikanischen Sicherheitsinteressen unterzuordnen hat. Die sind vor allem von Staaten berührt, die potentiell oder tatsächlich über Massenvernichtungswaffen verfügen, die sie gegen die USA und ihre Verbündeten einsetzen oder an terroristische Gruppen weiterreichen könnten.

"Der Irak (unter Saddam Hussein) war typisch für die neue Art der Bedrohung, die der NATO in der Zukunft begegnen wird," erklärte Condoleeza Rice, die nationale Sicherheitsberaterin von US-Präsident Bush. Washington drängt seine europäischen Verbündeten, die NATO künftig als Bündnis zur Durchsetzung von Interessen zu verstehen. Die Allianz soll ohne geographische Begrenzung militärisch handlungsfähig werden.

Keine Sandkastenspiele mehr

Für Einsätze außerhalb des NATO-Gebietes sind die schon 1997 auf dem NATO-Gipfel in Helsinki beschlossenen Krisen-Reaktions-Streitkräfte deshalb von besonderer Bedeutung. Eine "European Rapid Reaction Force" soll bis zu 100.000 Heeres-Soldaten plus Luft- und Seestreitkräfte umfassen. Die müssen innerhalb von 60 Tagen über ein Jahr lang und bis zu einer Entfernung von 4000 Kilometern ohne Unterstützung der Vereinigten Staaten einsetzbar sein.

Doch in den USA bleibe man skeptisch, so Anthony Cordesmann vom Washingtoner Zentrum für strategische Studien: "Eines der Probleme besteht in der Unklarheit der Mission. Bevor man einer solchen Streitkraft eine Mission erteilen kann, müssen sich die Europäer erstmal darüber klar werden, ob sie wirklich bereit sind, Menschen in Gefahr zu bringen, um den Frieden zu erzwingen. Oder will man seine Soldaten nur zur Absicherung eines militärisch bereits herbeigeführten Friedens einsetzen?" Solange dies nicht geklärt und der Feind nicht definiert sei, bleibe das Ganze ein sehr theoretisches Konzept, gleich einem "potemkinschen Dorf auf der Suche nach dem Zaren".

Die Amerikaner sähen es am liebsten, wenn die NATO ebenfalls eine Eingreiftruppe, unter amerikanischem Oberkommando, aufstellen würde. "Die Vereinigten Staaten schlagen eine schnelle Eingreiftruppe vor, die gut ausgerüstete Kräfte zu Lande, zu Wasser und in der
Luft von alten und neuen NATO-Alliierten zusammenführt", formulierte Bush im Vorfeld des Gipfels. 20.000 Mann soll die Truppe umfassen.

Spezialisierung im Zeichen der Zweiprozenthürde

Ein weiteres Problem sehen die Amerikaner im Ungleichgewicht der Entwicklung der Verteidigungshaushalte. Während gemessen am Bruttosozialprodukt die USA immer mehr für Rüstung ausgeben, ist der Trend in den westeuropäischen NATO-Staaten Europas gegenläufig. Von den neuen Mitglieds-Staaten im Osten erwartet man, dass der Anteil ihrer Verteidigungsausgaben mindestens zwei Prozent des Bruttosozialprodukts erreicht.

Doch auch dass erlaubt noch keinen Umbau in moderne Armeen. Deshalb bevorzugt man eine Art Nischen-Konzept, in dem einzelne Staaten mit beschränkten Mitteln spezielle Resourcen pflegen, die sie der NATO im Bedarfsfall zur Verfügung stellen. "Es gibt zum ersten Mal eine Reihe von kleinen Mitglieds-Staaten, die nicht in allen Bereichen militärisch mithalten können, aber sie können in spezifischen Nischen auch ihren Beitrag zur NATO leisten,” so Condoleeza Rice.

Im Jahr 2000 war der Verteidigungshaushalt der Vereinigten Staaten fast doppelt so hoch wie der Haushalt aller europäischen NATO-Staaten. Da sich an diesem Kräfteverhältnis mittelfristig wohl kaum etwas ändern wird, dürfte auch künftig klar sein, wer im atlantischen Verteidigungsbündnis den Ton angibt.

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