Bürgervereine in Kinshasa
26. Oktober 2012Müll gibt es in Kinshasa mehr als genug - sehr zum Ärger des Bürgervereins Vie Montante Développement. Er hat aus der Not eine Tugend gemacht und betreibt seit sieben Jahren eine Recyclinganlage für Plastikabfälle. "Früher nannte man Kinshasa 'Kin la belle', also 'Kin, die Schöne'. Heute wird sie als 'Kin la poubelle', 'Kin, der Mülleimer' bezeichnet", sagt Elie Nzouzi, Vorsitzender der Initiative. Denn überall in der Stadt türmen sich die Plastikabfälle.
Der Aufbau der Recyclinganlage wurde unterstützt vom deutschen katholischen Hilfswerk Misereor, dem Schweizer Caritas-Büro in Genf und dem Katholischen Komitee gegen Hunger und für Entwicklung (CCFD) aus Frankreich. Die Organisationen finanzierten sowohl den Bau des Gebäudes als auch die maschinelle Ausstattung. "Dieses Projekt entstand aus der Erkenntnis, dass die zuständige Behörde von Kinshasa bisher nicht genug für die Abfallentsorgung getan hat", erklärt Raul Bagopha, Referent für die Region Zentralafrika bei Misereor. Die Mitglieder des Vereins hätten sich deshalb selbst überlegt, wie sie als Bürger das Problem lösen können.
Bürger kümmern sich um Bürger
Mit der Recyclinganlage trägt Vie Montante Développement heute dazu bei, dass Kinshasa sauberer wird. Zusätzlich schafft der Bürgerverein Jobs. "Wir mobilisieren Jugendliche, die die Plastikabfälle sammeln und Geld dafür bekommen", erklärt der Vorsitzende des Vereins. "Aus den Plastikabfällen stellen wir Steckdosen und Plastikrohre für Elektrokabel her. Die Recyclinganlage beschäftigt 16 festangestellte Mitarbeiter", fügt er hinzu. Wie jeder Verein hat Vie Montante Développement einen eigenen Vorstand. Dieser ist zugleich der Aufsichtsrat des Bürgervereins und zuständig für die Einstellung der Mitarbeiter.
Nicht nur im Bereich der Abfallwirtschaft organisieren sich die Menschen in Bürgervereinen. In Kinshasa gibt es auch die Bürgerinitiative Bon-Accueil, die im Gesundheitssektor tätig ist. Sie führt seit 2008 ein Gesundheitszentrum und zwei Apotheken in einem Vorort von Kinshasa. Das Ziel: den Menschen in diesem Stadtteil einen Zugang zur Gesundheitsversorgung zu ermöglichen. Im Gesundheitszentrum sind stundenweise Krankenpflegerinnen und Krankenpfleger tätig. Notwendige Operationen werden von Ärzten durchgeführt, die mit dem Verein zusammenarbeiten.
Alle Einnahmen fließen ins Projekt zurück
Oscar Talamaku Zona ist Chirurg und arbeitet für Bon-Accueil, seit das Gesundheitszentrum vor vier Jahren an den Start gegangen ist. Er verdient dort nicht viel, aber er ist gerne bereit, den Menschen in der Vorstadt zu helfen. "Für eine Blinddarmentzündung berechnen wir zum Beispiel 22 US-Dollar", sagt er. Das sei wenig für solch eine Operation. Aber angesichts der schlechten sozialen und finanziellen Lage der Kranken, könne man nicht mehr verlangen. "Selbst diese geringe Summe können die Patienten nur in Raten bezahlen", so der Arzt.
Die Ärztehonorare fließen zwar in die Gesundheitsstation - trotzdem reicht das Geld hinten und vorne nicht. Nicht immer kann der Verein sein Personal bezahlen. Dieses Problem hatte die Recycling-Initiative Vie Montante Développement auch - bevor sie Hilfsgelder erhielt.
Organisationen wie Misereor sind bereit, solche Initiativen zu unterstützen. Der Referent für die Region Zentralafrika hält jeden Bürgerverein für förderungswürdig, der ein gutes Konzept vorlegt. Er appelliert jedoch auch an die staatlichen Behörden, die Eigeninitiative der Bürger zu unterstützen. "Es ist notwendig, dass die Regierung diese Initiativen zumindest von Zollgebühren befreit, wenn sie Geräte importieren", sagt Bagopha. So könne der Staat zeigen, dass er die Arbeit der Bürgerinitiativen wertschätzt, da sie schließlich Probleme anpackten und nicht alles vom Staat erwarteten.
Staat weist Verantwortung von sich
Noch wurden keine Regelungen getroffen. So musste die Recycling-Initiative hohe Zollgebühren für die Einfuhr von Maschinen und Ersatzteilen zahlen. Für Carol Lutaladio, stellvertretender Leiter des kongolesischen Zollamtes, liegt das Problem hingegen bei den Vereinen. "Die Mitglieder des Vereins verfügen vielleicht nicht über die nötigen Informationen", sagt er. Der Verein solle die entsprechenden Unterlagen dem Ministerium vorlegen, das die sozialen und humanitären Einrichtungen betreut. "Auf diesem Weg kann über die Steuerbefreiung entschieden werden."
Die Vereine Vie Montante Développement und Bon-Accueil halten das für ein vorgeschobenes Argument. Sie sehen keine staatliche Bereitschaft zur Unterstützung. Die Initiativen seien von ausländischen Organisationen abhängig, während ihre eigenen Behörden sie im Stich ließen. Entmutigen lassen sie sich davon nicht - sie wollen weitermachen.