1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
PolitikMyanmar

Bürgerkrieg in Myanmar treibt illegale Drogenproduktion an

Tommy Walker
8. Juni 2024

Das Land ist nun der weltgrößte Produzent von Opium. Für viele Bauern gibt es nur wenige existenzsichernde Alternativen. Opium ist aber nicht die einzige exportstarke Droge, die im Land produziert wird.

	
Myanmar überholt Afghanistan in der Opium-Produktion
Myanmar überholt Afghanistan in der Opium-ProduktionBild: Ye Aung THU/AFP

Seit Februar 2021 herrscht in Myanmar Bürgerkrieg. Er begann mit einem Militärputsch gegen die demokratisch gewählte Regierung des Landes, der seinerseits Massenproteste und schließlich einen bewaffneten Aufstand auslöste. Als Folge davon ist die Landwirtschaft, die die Gesamtwirtschaft des Landes dominiert, schwer in Mitleidenschaft gezogen worden. Die Bauern suchen nach neuen Einkommensquellen: Jetzt produziert und exportiert Myanmar vermehrt illegale Drogen.

Laut einem Bericht des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) wuchs die Fläche von Myanmars Opiumfelder im Jahr 2023 um 18 Prozent. UNODC zufolge hat Myanmar damit Afghanistan als bisher größten Opiumproduzenten der Welt überholt.

Der Anstieg in Myanmar fiel dabei mit dem fast vollständigen Rückgang des Opiumanbaus in Afghanistan zusammen, nachdem die Taliban 2021 die Macht übernommen und den Opiumanbau nicht nur untersagt hatten, sondern das Verbot auch weitgehend durchsetzten.

Der Anstieg der Opiumproduktion sei "kein Zufall", sagt Zachary Abuza, Professor am "National War College" in Washington und Experte für Politik und Sicherheit in Südostasien im Gespräch mit der DW. "Myanmars Wirtschaft ist seit dem Putsch um zwölf Prozent geschrumpft. Das Kreditsystem auf dem Land ist nahezu zusammengebrochen. Es bedeutet, dass die Bauern verzweifelt nach anderen Einkommensmöglichkeiten suchen."

Opiumanbau mit langer Geschichte in Myanmar

Der Opiumanbau ist schon seit langem eine wichtige Einkommensquelle für die Menschen in Myanmar. Das "Goldene Dreieck," eine Region, die sich über die Dschungelgrenzen von Myanmar, Thailand und Laos erstreckt, ist berüchtigt für Produktion und Schmuggel von Drogen.

Bauer auf einem Opiumfeld im Shan-Staat, dem Zentrum des Drogenanbaus in Myanmar Bild: Ye Aung THU/AFP

Opium ist ein starkes Betäubungsmittel, das aus der Mohnpflanze gewonnen wird. In Myanmar wird es hauptsächlich in den Staaten Shan und Kachin angebaut und ist oft für verarmte Bauern attraktiv, da der finanzielle Ertrag viel höher ist als bei Feldfrüchten wie Reis.

Laut dem UNODC-Bericht ist der Shan-Staat, der an Thailand, Laos und China grenzt, weiterhin das Zentrum der Opiumproduktion des Landes. Der Shan-Staat verzeichnete mit 20 Prozent auch den höchsten Anstieg des Opiumanbaus. Nun liegen 88 Prozent der gesamten Anbaufläche in Myanmar für Opium auf diesem Territorium.

Der Anstieg der Opiumproduktion steigerte auch die Ausfuhren für Heroin, das aus Morphin gewonnen wird, einem Alkaloid, das Bestandteil des Opiums ist. Über 150 Tonnen Heroin wurden 2023 aus Myanmar exportiert, mit einem Schwarzmarktwert von mehr als zwei Milliarden Dollar.

Die beliebteste Droge: Methamphetamin

Heroin ist bei weitem aber nicht die einzige Droge, die in Myanmar produziert wird. "Die bevorzugte Droge in Asien" sei Methamphetamin, sagt Patrick Winn der DW. Winn ist amerikanischer Journalist, der sich auf den Drogenhandel in Südostasien spezialisiert hat, und Autor des Buches Narcotopia. Methamphetamin ist umgangssprachlich auch als "Meth" bekannt.

"Obwohl die Heroinproduktion in Myanmar gestiegen ist, ist Meth immer noch die führende Droge in der Region", sagt Wynn, denn die Produktion von Heroin sei im Vergleich zu synthetischen Drogen wie Meth deutlich komplizierter.

"Der Rohstoff Opium erfordert viel Boden, gutes Wetter und harte Arbeit auf den Feldern. Meth wird in Innenräumen synthetisiert, in wetterunabhängigen Labors, von kleinen Teams von Chemikern. Man erhält viel mehr Gewinn für viel weniger Arbeit."

Was wird zur Bekämpfung des Drogenhandels unternommen?

Der Experte Abuza fordert, dass die Vereinigung Südostasiatischer Staaten (ASEAN) und die internationale Gemeinschaft mehr tun müssten, um Myanmars Drogenindustrie zu bekämpfen - einschließlich der Sanktionierung des Handels mit Chemikalien, die zur Herstellung von Drogen wie Heroin, Meth und Ketamin benötigt werden.

"ASEAN tut derzeit absolut nichts Konstruktives in Bezug auf Myanmar", klagt Abuza. Solange die ASEAN-Staaten sowie China und Indien nicht begännen, den Verkauf von Chemikalien zu verbieten, die zur Drogenherstellung nötig sind, sehe er kein Ende der industriellen Produktion. "Die internationale Gemeinschaft sollte sehr besorgt über das starke Wachstum der illegalen Wirtschaft in Myanmar sein, da die Gesamtwirtschaft weiterhin verkümmert".

Myanmars Wirtschaft bricht zusammen

Während der illegale Drogenhandel floriert, sind die Aussichten für Myanmars legale Wirtschaft düster. Laut einem Bericht der Weltbank ist Myanmar das einzige Land in Ostasien, dessen Wirtschaft nicht mehr das Niveau vor der Pandemie erreicht hat. 

Das erwartete BIP-Wachstum im Jahr 2024 liegt bei nur einem Prozent. Der wirtschaftliche Abschwung habe das tägliche Leben im ganzen Land beeinträchtigt, berichtet Aung Thu Nyein, ein politischer Analyst aus Myanmar, der DW.

"Konsumenten in ganz Myanmar haben in den letzten drei Jahren starke Preissteigerungen bei lebensnotwendigen Gütern wie Treibstoff, Palmöl, Reis und Medikamenten erlebt", so Aung Thu Nyein. "Viele Haushalte in Myanmar haben jetzt zunehmend Schwierigkeiten, über die Runden zu kommen".

Myanmars Währung, der Kyat, wurde im Mai mit 4500 pro US-Dollar gehandelt. "Die zunehmende Geldmenge, die Abwertung des Kyat und die globalen Rohstoffpreiserhöhungen tragen alle zur schnell steigenden Inflation bei, was die Realeinkommen schmälert," sagt Analyst Aung Thu Nyein.

Wer bestimmt die Zukunft Myanmars?

03:02

This browser does not support the video element.

Ein Problem für arbeitslose Menschen in Myanmar: Die verfügbaren Lösungen zur Geldbeschaffung bergen oft große Risiken. Der illegale Drogenhandel birgt die Gefahr, verhaftet und vor Gericht gestellt zu zu werden -  wobei denjenigen, die des Drogenbesitzes oder -handels für schuldig befunden werden, lange Gefängnisstrafen drohen, teils sogar die Todesstrafe.

Eine weitere Option ist der Eintritt ins Militär. Im Februar wurde ein zehn Jahre altes Wehrpflichtgesetz aktiviert, das Männer und Frauen zu mindestens zwei Jahren Dienst einberuft. Aber auch das beeinträchtige die Wirtschaft, sagt Aung Thu Nyein. "Die negativen Auswirkungen des Wehrpflichtgesetzes sind in verschiedenen Sektoren spürbar, aufgrund der Verschiebung von Arbeitskräften und der Unterbrechung der Arbeit. Viele talentierte Menschen aus dem Angestellten-Bereich, wie Büroarbeit oder Bankwesen, sind bereit, ins Ausland zu gehen, statt ihre hiesige Karriere voranzutreiben. Diese Situation könnte zu einer Krise auf dem Arbeitsmarkt führen," warnt der Analyst.