Vögel zählen, Luftverschmutzung messen oder den Himmel beobachten. Für Laien kein Thema – mit etwas Einarbeitung jedenfalls. Aber was kann "Citizen Science" leisten, wenn es wissenschaftlich kompliziert wird?
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CRISPR/Cas9 ist eine molukularbiologische Genschere, die vieles kann. Sie soll etwa in Zukunft helfen, Erbkrankheiten noch vor der Geburt zu heilen. Mit ihr lassen sich die dafür verantwortlichen DNA-Stränge heraustrennen und unschädlich machen – so die Theorie.
Doch die Expertenwelt streitet über die Effektivität der Methode und die sogenannten "Off-Target-Effekte" – wenn die Schere dann doch am falschen Ende herumschnippelt. Erst im Juli wurde bekannt, dass die Methode zahlreiche ungewollte Mutationen hervorruft.
Und dann stellen sich auch noch viele ethische Grundfragen: Ist es erlaubt an Embryonen herumzuexperimentieren, die dann nach 14 Tagen sterben? In Deutschland bislang nicht. Die USA und China erlauben hingegen den Eingriff ins menschliche Erbgut, um Krankheiten zu heilen. Selbst für Fachleute ist es ein schwieriges Terrain, sowohl professionell als auch ethisch.
Nicht-Wissenschaftler beteiligen
Klingt nach dem perfekten Zeitpunkt, um 26 Laien ihre Einschätzungen zu dem Thema abgeben zu lassen! Dr. Ralf Grötker hat solch ein Projekt zusammen mit dem Karlsruhe Institut für Technologie (KIT) ins Leben gerufen.
"Selbstverständlich hätten wir auch Experten oder Forscher dazu befragen können, aber die wollen entweder eine Meinung oder ihre eigene Forschung verkaufen", sagt Grötker der DW. "Da haben wir uns gedacht: Warum das Ganze nicht mal mit Laien ausprobieren."
Das ist ein neues Level der Bürgerforschung und -beteiligung. Zumindest im experimentellen Rahmen. Über mehrere Monate beschäftigten sich die zufällig ausgewählten Teilnehmer mit dem Thema der "Genschere" und beurteilten später beispielsweise, wie hoch die Chancen der Behandlungsmethode sind, tatsächlich Erbkrankheiten zu heilen.
"Wir hatten am Anfang alle riesige Fragezeichen in den Augen", sagte Arlett Rumpff, Teilnehmerin des Projekts. "Man dachte wirklich: Ist es eigentlich schlimm, wenn wir alle gar keine Ahnung haben? Die Antwort ist: Nein! Wir haben uns dann das Thema gemeinsam erarbeitet. Das war der schönste Teil."
Der Anspruch der Bürgerforschung
Mit dem Pilotprojekt reiht sich Ideengeber Grötker in die Tradition der Bürgerforschung und -beteiligung ein. "Bürgerforschung hat und hatte schon immer ein unglaublich großes Potential", sagt David Ziegler vom Museum für Naturkunde in Berlin. "Leider wird es von der institutionalisierten Wissenschaft noch viel zu oft ignoriert."
Im Oktober 2017 stellte ein Verein von privaten Insektenforschern fest, dass in Deutschland die Insektenmasse um 75 Prozent zurückgegangen war.In der deutschen Wissenschaft fand die Entdeckung aber erst Anklang, nachdem niederländische Forscher sie in einen Fachmagazin erwähnten und die New York Times einen Artikel veröffentlichte. Vorher wurden die Bürgerforscher nur belächelt.
Die Zukunft des Bürger-Orakels
"Natürlich sind wir mit 26 Leuten nicht repräsentativ. Da brauchen wir Keinem was vorzumachen. Darum ging es aber auch gar nicht", sagt Grötke. Einer der größten Gewinne des Experiments seien neu entdeckte Argumentationsketten, die in der Expertendebatte noch gar nicht aufgetaucht seien.
Demnach hätten die Teilnehmer eine befürchtete Spaltung der Gesellschaft, die mit dem Verändern von Genen einhergehen könnte, als gar nicht so gravierend erachtet. Fähigkeiten wie Intelligenz seien ohnehin nicht gleich in gesellschaftlichen Erfolg ummünzbar. Die Macher überraschte auch, dass sich am Ende ein Großteil der Teilnehmer dafür aussprach, die Grundlagenforschung an Embryonen in Deutschland zuzulassen.
"Am Ende wollen wir eine gute Ergänzung zu Expertengutachten liefern und der Politik auch aufzeigen, was die Meinungen ihrer Wähler zu einem komplexen Thema sind."
Anklang in der Politik zu finden ist das eine, aber am Karlsruher Institut für Technologie bewertet man jetzt auch, ob das Konzept überhaupt funktioniert hat. Wenn dem so ist, steht der Beteiligung von Laien auch im größeren Rahmen nichts mehr im Wege.
Bienen: Was bleibt uns ohne sie?
Eine Welt ohne Bienen? Unvorstellbar. Sie werden sich wundern, wie sehr wir von den fleißigen Insekten abhängig sind und wie leer unsere Supermarktregale ohne ihre Hilfe wären. Eine Bestandsaufnahme zum Weltbienentag.
Bild: picture-alliance/dpa/U. Anspach
Zuckersüße Kristalle
Was hier zu sehen ist, kommt uns allen vermutlich als erstes in den Sinn, wenn wir an Bienen denken: Honig. Hier wurden in 100-facher Vergrößerung und mithilfe von polarisiertem Licht die Zuckerkristalle sichtbar gemacht. Für ein Glas Honig müssen Bienen etwa 450.000 bis drei Millionen Blüten besuchen.
Bild: Imago/Chromorange
Gähnende Leere
Was vielen jedoch nicht so richtig bewusst ist: Der pure, klebrige Honig im Glas ist nur ein winzig kleiner Teil vom Produktionsspektrum der Bienen. Diese symbolische und werbewirksame Aktion eines Supermarkts sollte das kürzlich deutlich machen. Dabei wurden 60 Prozent der Artikel aussortiert. Sämtliche Produkte, die es ohne die fleißigen Insekten nicht geben würde. Es blieben leere Regale.
Bild: Penny/Rewe Group
Bienen Know-how
Und vor allem: Biene nicht gleich Biene. Eine Wildbiene stellt zum Beispiel keinen Honig her, ist aber eine besonders effiziente Bestäuberin - und insbesondere um sie geht es, wenn vom Bienensterben die Rede ist. Auch Hummeln zählen zu den Wildbienen-Arten. Honigbienen haben dagegen weniger Grund zu Sorge, da sie Nutztiere sind - und Bienenstöcke von Menschen gehalten werden.
Bild: picture-alliance/dpa/U. Anspach
(K)ein Apfel pro Tag
Und natürlich gibt es auch noch andere Bestäuber neben Bienen - Schmetterlinge, Fliegen oder Vögel zum Beispiel. Aber rund ein Drittel von unserem Obst und Gemüse sind von der Bestäubung durch Bienen abhängig. Dazu gehören beispielsweise Äpfel, Birnen, Erdbeeren, Gurken. Und darauf würden wir alle nur ungern verzichten, oder?
Bild: picture-alliance/dpa/F.Rumpenhorst
Kleine Warenkunde
Aber zurück in den Supermarkt. Es ist offensichtlich, dass hier ohne Bienen nicht nur die Obst- und Gemüseregale leer bleiben. Darüber hinaus fehlen all die Lebensmittel, die den Zusatzstoff E 901 beinhalten, was der europäischen Zulassungsnummer von Bienenwachs entspricht. Von solchen Produkten gibt es eine ganze Menge.
Bild: Penny/Rewe Group
Multifunktional
Derzeit ist Bienenwachs aus der Lebensmittelindustrie nicht mehr wegzudenken. Es kommt zum Beispiel - wie hier - als Überzugs- und Trennmittel von Fruchtgummi zum Einsatz, damit die Gummibärchen nicht alle aneinanderkleben - ein Glück! Das gleiche gilt für eine ganze Reihe anderer Süß- und Backwaren.
Bild: DW/A. Maciol
Hübsch und haltbar
Und warum unsere Schokolade oft so schön aussieht? Nicht, weil wie hier Insekten darauf drapiert sind. Aber auch hier gilt der Dank den fleißigen Bienen oder E 901, das Schokolade hübsch glänzen lässt. Auch Obst und Gemüse ist oft als "gewachst" deklariert, damit es weniger Feuchtigkeit verliert und länger haltbar bleibt - und appetitlich(er) aussieht.
Apropos Schokolade: Ohne Bienen wird es die auch nicht mehr in Hülle und Fülle geben, denn auch hier leisten unsere Bienen bei der Bestäubung ganze Arbeit. Im Notfall bliebe nur die äußerst mühsame und viel ineffizientere Bestäubung per Hand. Das gleiche gilt übrigens für Nüsse.
Bild: picture-alliance/Prisma/C. Heeb
Koffeeinkick für alle
Nicht nur wir Menschen, auch Bienen stehen auf Koffein, das hat ein Experiment mit koffeeinfreiem und koffeeinhaltigem Zuckerwasser gezeigt. Dabei suchten die fleißigen Insekten selbst nach dem Versiegen der Quelle noch unentwegt nach einem Koffeeinkick. Gleichzeitig sorgen Bienen durch Bestäubung aber auch für unseren (hoffentlich) nie versiegenden Vorrat an Kaffeebohnen.
Bild: Deutscher Kaffeeverband e.V.
Verlorene Vielfalt
Wie viele Produkte dank der Bemühung der Bienen in unserem Einkaufswagen landen, lässt sich trotzdem nur schwer aufzeigen - da zu den eben genannten Artikeln zum Beispiel diverse Gewürze, Marinaden, Milchprodukte oder sogar Toilettenpapier mit Kamillenblütenduft hinzukommen. Wovon wir zum Teil womöglich weniger abhängig sind als von Obst und Gemüse....
Bild: picture-alliance/dpa/A. Dedert
Ein Hoch auf unsere Bienen!
Dennoch wird deutlich, wie sehr wir von der harten Arbeit der Tiere profitieren und dass wir uns ohne die tatkräftige Unterstützung der Insekten ganz schön umstellen müssten. Nicht nur am Weltbienentag sollten wir ihnen deshalb Tribut zollen.
Bild: picture-alliance/dpa/F. Rumpenhorst
Wie helfen?
Zum Schutz der Bienen geht es nicht nur um eine möglichst zurückhaltende Nutzung von Pestiziden durch die Landwirtschaft. Auch Sie können etwas tun, um die Tiere zu schützen: Insektenhotels dienen Bienen als Nist- und Überwinterungsmöglichkeit, Blumen im Balkonkasten und Obstbäume auf der der Wiese sind eine sichere Nahrungsquelle.