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"Babylon Berlin": TV-Serie auf Hollywood-Niveau

12. Oktober 2017

"Babylon Berlin" ist die teuerste Fernseh-Serie, die je in Deutschland gedreht wurde. Mit der Romanverfilmung gelingt Regisseur Tom Tykwer ein Sittengemälde der 20er Jahre - die Zeit, die den Nazis den Weg ebnete.

Standbild Babylon Berlin
Bild: X Filme 2017/Frédéric Batier

"Babylon Berlin" ist eine Liebeserklärung an das exaltierte schnelllebige Berlin der 1920er Jahre geworden. Regisseur Tom Tykwer, der Erfahrung mit der Verfilmung historischer Stoffe hat ("Das Parfüm"), ist das extrem wichtig. "Die Geschichte spielt in einer Stadt, in der gerade eine kulturelle Explosion, ein rasanter Sittenverfall und ein totaler Umbruch stattfindet. In Berlin kamen damals die unterschiedlichsten Künstler aus verschiedenen Himmelsrichtungen zusammen und erfanden einfach was rasant Neues."

Der berühmt-berüchtigte "Tanz auf dem Vulkan", der immer wieder in der Literatur über die Weimarer Republik bemüht wird,  findet in der neuen TV-Serie "Babylon Berlin"seine grandiose filmische Entsprechung: exzessive, wilde Tanzszenen, bittere proletarische Armut neben glamourösem Reichtum treffen auf explizite Sexszenen in den Nachtclubs und die bedrohlich-latente Gewalt der aufkommenden Nationalsozialisten. Seit 13. Oktober 2017 ist das neue Serienformat im Pay-TV bei Sky zu sehen.

Tanz auf dem Vulkan: Die Nachbars in Berlin sind brechend vollBild: X Filme 2017/Frédéric Batier

Das alles wird in spannenden 16 Folgen über jeweils zwei Serienstaffeln erzählt. "Babylon Berlin" ist nicht nur die teuerste deutsche Serie, sondern auch eine der besten, die jemals in Deutschland fürs Fernsehen gedreht wurde. Sogar der Kinoleinwand hielt die TV-Umsetzung des Erfolgsromans von Volker Kutscher stand, so die Meinung vieler Kritiker auf dem Filmfestival Cologne, wo eine lange Nacht der ersten sechs Folgen gezeigt wurde.

Tom Tykwer hat sich für das anspruchsvolle Serienformat zwei erfahrene Co-Regisseure an die Seite geholt: Achim von Borries und Hendrik Handloegten, beide sind Freunde von ihm, und tragen ihre unterschiedliche Regie-Handschrift bei. Schon das Drehbuch haben sie gemeinsam entwickelt, genauso wie die raffiniert verwobenen Dramaturgie der Serie.

Die Handschrift von drei Regisseuren

Die historische Grundierung von "Babylon Berlin" lasse die politischen Vorwehen der Nazizeit schon anklingen, sagt Regisseur Tom Tykwer im DW-Interview. "Wir möchten gern, dass das eine Serie ist, die einem die Epoche wirklich in all ihren Facetten nahebringt. Und nicht nur, dass da ein spannender Krimi entsteht."

Hauptdarstellerin Liv Lisa Fries in einer Szene von "Babylon Berlin"Bild: picture-alliance/dpa/X Filme/F. Batier

Die Film-Geschichte, die nur in Ansätzen dem Kriminalroman "Der nasse Fisch" von Volker Kutscher folgt, spielt im Frühjahr 1929. Für Regisseur Achim von Borries eine extrem faszinierende Zeit: "Berlin war international, magisch und eine kosmopolitische Hauptstadt, die alle Welt anzog." Als europäische Metropole war Berlin damals ein "Melting Pot" - aus Einwanderern, Emigranten, Arbeitern und Unternehmern, gescheiterten Existenzen, Künstlern und Kriminellen. Läden und Etablissements hatten 24 Stunden geöffnet, die U-Bahn fuhr im Zwei-Minuten-Takt.

Ein Spiegel der korrupten Gesellschaft

"Die politischen Zeitläufte lenken ganz stark die Geschichte", verspricht Tom Tykwer. Die ganze Stadt pulsiert, in der Serie ist das genial montiert, wie eine Schichtaufnahme der Weimarer Gesellschaft. Die wachsende Arbeitslosigkeit, steigende Inflation und Geldspekulationen führen nicht nur in Berlin zu harten politischen Straßenkämpfen. Die Polizei schlägt Arbeiteraufstände nieder. "Gegen Ende der Zwanziger geht es immer mehr Leuten zu schnell, die Welt wird Vielen zu verwirrend, zu unübersichtlich und der Ruf nach einer eisernen Faust, einem Führer, wird immer lauter und lauter", sagt Regiekollege Hendrik Handloegten.

In der TV-Serie prallen diese gegensätzlichen Welten - die Armut des Proletariats und der Luxus der Reichen - in der Hauptfigur Charlotte Ritter aufeinander. Die junge Stenotypistin - gespielt von Liv Lisa Fries - kommt aus armen Verhältnissen. Mit Gelegenheitsprostitution verdient sie sich und ihrer Familie ein Zubrot. Viele arbeitslose Frauen machen das so in der Weimarer Zeit. Bertold Brecht dichtet in dieser Zeit: "Erst kommt das Fressen und dann die Moral." Aber Charlottes Freundin Greta - vom Dorf in der hektischen Großstadt gestrandet – kann sich nicht dazu durchringen.

Volker Bruch als Kommissar Gereon RathBild: picture-alliance/dpa/X Filme/F. Batier

Dschungel aus kriminellen Machenschaften

Auch Gereon Rath, ein junger Kommissar aus Köln, der in geheimer Mission nach Berlin geschickt wird, ist anfangs vom Nachtleben der Großstadt Berlin geschockt. Aber er lässt sich von der pulsierenden Energie dieser Stadt schnell anstecken. Wie in einem unaufhaltsamen Sog taucht er in die Abgründe krimineller Subjekte, die seinen  Weg kreuzen, ab. Und lässt sich faszinieren von der Welt der Nachtclubs und Tanzvarietés.

Kriegsgeschädigt, wie viele seiner Zeitgenossen, die aus den Schützengräben des Ersten Weltkrieges zurückgekommen sind, gerät Gereon Rath im Laufe der TV-Serie immer wieder an die Grenzen seiner psychischen Belastbarkeit. Eindrucksvoll, wie Schauspieler Volker Bruch ("Unsere Mütter, unsere Väter") in diesen Szenen den kaputten Kriegsinvaliden verkörpert, der in solchen Momenten nur mit Mühe seiner Ermittlungsarbeit nachgehen kann.

Rath kämpft sich im Laufe der 16 Serienfolgen von "Babylon Berlin" durch einen Dschungel von Korruption, Prostitution, Drogen- und Waffenhandel. Nicht immer folgt er dabei dem Pfad des Gesetzes. Und er kultiviert seine Rolle als Außenseiter bei der schon mit Nationalsozialisten durchsetzten Berliner Polizei. Grandios: Schauspieler Matthias Brandt als Chef der Politischen Polizei, die mehr und mehr ihre Machtposition im Berlin der späten 1920er Jahre ausbaut.

Liebe in Zeiten des politischen Umbruchs

Zentraler Ort der Serie, und für die Ermittlungen von Gereon Rath ist die "Rote Burg", das Polizeipräsidium von Berlin. Hier laufen die kriminalistischen Fäden auch hinter den Kulissen zusammen. Korruption, Intrigen und politischer Extremismus gehören im Polizeiapparat von Berlin zum Alltag, wie der junge Kommissar aus der Provinzstadt Köln schnell begreift. Seine Versetzung ist kein Zufall: Er soll eine mysteriöse Erpressung aufklären, in die der Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer verwickelt ist. Kein leichter Fall, wie sich herausstellt.

Staraufgebot bei der Premiere von "Babylon Berlin" Bild: picture-alliance/app-photo/R. Mueller

Der Rechtsstaat der Weimarer Republik gerät im Laufe der Serie zunehmend ins Wanken. Die aufkommenden Nationalsozialisten radikalisieren die Straßenkämpfe, das Elend des Arbeitermilieus wird in "Babylon Berlin" zum explosiven sozialen Sprengstoff. Gereon Rath gerät mehrfach zwischen die Fronten. Und er verliebt sich in die angehende Kriminalassistentin Charlotte, die zielstrebig ihre proletarische Herkunft hinter sich lassen will - koste es, was es wolle.

Meilenstein des Neuen Deutschen Fernsehens

3000 Sprechrollen und bis zu 5000 Komparsen, waren an den 190 Drehtagen logistisch zu bewältigen. Gedreht wurde zum Teil parallel, jeweils mit einem Regisseur vor Ort. Und die Besetzung der Hauptrollen liest sich wie das Who is Who der besten Schauspieler, die Deutschland zu bieten hat: Volker Bruch und Liv Lisa Fries als zentrale Figuren der Geschichte, Peter Kurth, Matthias Brandt, Lars Eidinger, Misel Maticevic, Fritzi Haberlandt, Hannah Herzsprung, Christian Friedel, Ernst Stötzner, Udo Samel oder Benno Führmann. Nicht zu vergessen Severija Janusauskaité, die mit grandios-verrauchter Stimme den Titelsong der TV-Serie singt - komponiert von Tom Tykwer.

Die aufwendig produzierte TV-Serie gilt längst als deutsche Antwort auf die amerikanischen Erfolgsserien von Streaming-Diensten wie Netflix . Ein Budget von 40 Millionen Euro stand den drei Regisseuren Tom Tykwer, Achim von Borries und Hendrik Handloegten für ihr Mammutprojekt zur Verfügung - die mit Abstand teuerste TV-Produktion, die jemals in Deutschland gedreht wurde. Dafür wurde in den Produktionsstudios von Babelsberg ein komplettes Stadtviertel mit Kaufhaus, Nachtbars, Vergnügungspalästen und Hinterhöfen nachgebaut: vier kopfsteingepflasterte Straßenzüge, die sich in jede beliebige Großstadt der 1920er Jahre verwandeln lassen.

Aber bei allem Aufwand, das Zeitkolorit möglichst authentisch einzufangen, ist "Babylon Berlin" in erster Linie ein guter Krimi, ein TV-Thriller, betont Tom Tykwer im DW-Gespräch: "Es gibt einen klaren Plot, es gibt einen Fall, der zu lösen ist. Es gibt Kriminalkommissare und Oberkommissare, Unschuldige und weniger Unschuldige. Und es gibt Frauen, die Männer reinlegen, und Männer, die Frauen reinlegen, all das, was man so braucht." Sehenswert, unbedingt.

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