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Babysimulatoren schrecken Teenager nicht ab

Fabian Schmidt26. August 2016

Es klingt einfach: Mädchen sollen sich um Puppen kümmern, die so viel Pflege brauchen wie echte Babys. Das soll abschrecken und Schwangerschaften reduzieren. Funktioniert aber nicht, zeigt eine Studie. Im Gegenteil.

Deutschland Babysimulator-Puppe
Bild: picture-alliance/dpa/A. Weigel

Babysimulatoren sind in den letzten Jahren stark im Kommen. Ursprünglich in den USA erfunden, nutzen mittlerweile Schulen, Bildungseinrichtungen und Jugendfreizeitheime in fast 100 Ländern die Puppen. Mädchen und junge Frauen sollen in einem Elternpraktikum lernen, was es bedeutet, sich um einen Säugling kümmern zu müssen.

Die Simulatoren stellen durchaus anspruchsvolle Anforderungen: Sie schreien, müssen richtig im Arm gewiegt, gefüttert und gewickelt werden. Sie reagieren empfindlich und mit lautstarkem Protest auf jegliche falsche Behandlung - etwa fehlende Kopfunterstützung, grobe Bewegungen, eine falsche Lage oder mangelnde Versorgung.

Verantwortung heißt volle Hingabe

Babysimulatoren sollen dafür sensibilisieren, was es bedeutet, die Verantwortung für einen kleinen Menschen zu übernehmen, wie viel Aufwand und Mühe es ist, rund um die Uhr. Jugendliche, die Verantwortung für den Simulator übernehmen wollen, müssen sich voll darauf einlassen: Sie bekommen einen Identifikationschip ans Handgelenk. Das Roboter Baby erkennt mit einem Sensor die autorisierte Person und kooperiert ausschließlich mit ihr.

Damit ist Tricksen nicht mehr möglich. Während des Experiments zwischendurch einen Babysitter anheuern - so etwas geht nicht. Ein zentraler Hintergedanke dabei ist es, die Anzahl von Teenager-Schwangerschaften zu reduzieren. Das sind Schwangerschaften von Mädchen unter 20 Jahren.

Mehr Schwangerschaften - trotz Elternpraktikum

In einer Studie wurde nun ein australisches Schul-Elternpraktikum-Programm namens Virtual Infant Parenting (VIP) evaluiert. Doch der gewünschte Familienplanungs-Effekt trat nicht ein.

An der Studie waren 57 Schulen beteiligt - 1267 Schülerinnen hatten am VIP-Programm teilgenommen, 1567 Mädchen in einer Kontrollgruppe erhielten nur einen Standard-Unterricht zum Thema Gesundheit und Schwangerschaft. Die Schülerinnen waren zu Studienbeginn zwischen 13 und 15 Jahre alt und wurden von den Autoren bis zum Alter 20 begleitet.

Das Ergebnis überrascht auf den ersten Blick: Möglicherweise hatten die Simulator-Puppen sogar einen gegenteiligen Effekt auf ihre jungen Pflegemütter. Das Team um Sally Brinkman von der University of Western Australia in Adelaide berichtet darüber in der Fachzeitschrift "The Lancet."

"Verglichen mit den Mädchen in der Kontrollgruppe, gab es bei den Mädchen im VIP-Programm eine größere Häufigkeit von Schwangerschaften und Abtreibungen", berichtet Brinkmann.

So gebaren acht Prozent der Mädchen in der VIP-Gruppe zumindest ein Kind, verglichen mit vier Prozent in der Kontrollgruppe. Zudem hatten neun Prozent der VIP-Teilnehmerinnen eine Abtreibung. In der Kontrollgruppe waren es nur sechs Prozent.

Bestärkung in der Mutterrolle

Das deute darauf hin, dass das Risiko einer Teenager-Schwangerschaft durch Nutzung der Babypuppen steige und nicht sinke. Die Daten ließen den Schluss zu, dass solche Programme nicht den gewünschten langfristigen Effekt hätten - nämlich die Vermeidung von Schwangerschaften junger Frauen, so die Autoren der Evaluation.

In einem Kommentar zur Studie schreibt die Kinderärztin Julie Quinlivan von der University of Notre Dame Australia in Fremantle: Es gehöre mehr dazu, Teenager von Schwangerschaften abzuhalten, als ein solches Projekt. "Wir müssen uns an beide richten: Väter und Mütter." Es müsse darin investiert werden, besonders gefährdete Kinder vom Weg zur frühen Elternschaft wegzuführen, so die Ärztin.

Teenager, die sich gut um ihren Baby-Simulator kümmerten, erhielten positives Feedback von Gleichaltrigen und Familie - gerade zu einer Zeit, in der sie sich danach sehnten, meint Quinlivan. Die kurze Zeit mit einer Puppe könne so für sie zur Idealisierung der Elternschaft führen.

Babysimulatoren in einer Jugendgruppe in Deutschland. Ob solche Schul-Projekte Schwangerschaften vorbeugen ist fraglich.Bild: picture-alliance/dpa/A. Weigel

Keine repräsentative Auswahl

Neben den möglichen positiven emotionalen Erfahrungen mit der Puppe gibt es aber auch noch eine andere Erklärung für die höheren Geburtenzahlen unter den Teilnehmerinnen der Studie:

Die Teilnehmer-Rate betrug 58 Prozent an den VIP-Schulen 45 Prozent in den Kontrollschulen. Die Studie lässt aber keine Rückschlüsse auf Teenager zu, die sich dafür entschieden, gar nicht an der Studie teilzunehmen.

Da die Teilnahme freiwillig war, ist es naheliegend anzunehmen, dass Mädchen, die dem Thema Kinderkriegen ohnehin aufgeschlossen sind, überrepräsentiert waren.

Mädchen, die kein oder nur geringes Interesse an Babys verspürten, haben sich vermutlich gar nicht erst für die Studie gemeldet.

Elternschulungen mit Roboter-Babys

Baby-Simulatoren kommen auch in der Erwachsenenbildung vor. Neben den normalen Babysimulator-Puppen gibt es sogar verschiedene Sondermodelle, die in Schulungen für werdende Eltern eingesetzt werden - etwa eine Puppe, mit der Kursteilnehmer das lebensgefährliche Babyschütteln simulieren können.

Durch LED-Anzeigen wird sichtbar, welche Hirnschädigungen ein geschüttelter Säugling erleiden kann. Andere Puppen sollen den werdenden Eltern vor Augen führen, welche Schäden Alkohol- oder Drogenmissbrauch vor- und während der Schwangerschaft, bzw. in der Stillzeit hervorrufen kann.

fs/jh (dpa)

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