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Bachfest 2023: Kantaten für die Ewigkeit

Gaby Reucher
19. Juni 2023

Mit 160 Veranstaltungen feierte Leipzig den Amtsantritt von Johann Sebastian Bach als Thomaskantor vor 300 Jahren. Seine Werke prägen auch heute noch die Musikwelt.

Japanische Sänger in Nahaufnahme.
Abschlusskonzert in der Thomaskirche: Mit der Messe in h-Moll von Johann Sebastian Bach mit dem Bach Collegium Japan unter der Leitung von Masaaki Suzuki endete das Bachfest 2023. Bild: Bach-Archiv Leipzig/Gert Mothes

Als Johann Sebastian Bach 1723 das Amt des Thomaskantors in Leipzig übernahm, schrieb er seine schönsten Kantaten für Gottesdienste. Dass aus dieser "Gebrauchsmusik" einmal Stücke für die Ewigkeit werden würden, hätte er sich wohl nicht träumen lassen. Zum 300-jährigen Bachjubiläumstanden die Kantaten im Mittelpunkt des Leipziger Bachfestes.

Hot Spot für Bachfans: die Thomaskirche. Hierspielt gerade das Ensemble La Capella Ducale unter Roland Wilson, das mit Bachs "Magnificat" überzeugte. Bild: Gaby Reucher/DW

Über 70.000 Besucherinnen und Besucher aus 56 Ländern kamen zu dem Festival, das unter dem Motto "Bach for Future" stand  - ein neuer internationaler Rekord für die Veranstaltung, die mit den Originalschauplätzen aus der Bach-Zeit punktet. "Je internationaler das Festival, desto jünger wird das Publikum", sagte Bachfestintendant Michael Maul im Gespräch mit der DW. "Ich mache mir deshalb um die Zukunft seiner Musik keine Sorgen. Bach ist präsent auf der ganzen Welt und lockt die Leute wie nie zuvor nach Leipzig."

Zum Schluss des Festivals erklang in der Thomaskirche die umjubelte Messe in h-Moll, dargeboten vom Bach Collegium Japan unter der Leitung von Masaaki Suzuki. Seit 2017 gehört die handgeschriebene Partitur zum Weltkulturerbe.

Bach und Leipzig

Johann Sebastian Bach kam mit 38 Jahren als neuer Thomaskantor und städtischer Musikdirektor nach Leipzig. Er komponierte nicht nur Kirchenkantaten für die sonntäglichen Gottesdienste, sondern leitete auch den "Thomanerchor", seit über 600 Jahren einer der bekanntesten Jungenchöre in Deutschland. Außerdem kümmerte er sich um die Instandhaltung der Instrumente und spielte auf Hochzeiten und Trauerfeiern.

Gerade in die Kantaten seines ersten Amtsjahres steckte Bach besonders viel Energie. Beim Bachfest führten vier der besten Bach-Kenner mit ihren Ensembles ihre Lieblingskantaten auf, darunter die für historische Aufführungspraxis bekannten Dirigenten Philippe Herreweghe  und Ton Koopman, deren Konzerte auf dem Youtube Kanal "DW Classical Music" zu hören sind.

Musik für alle Konfessionen

Johann Sebastian Bach schuf in seiner Musik neue musikalische Formen mit unbekannten Instrumenten und kunstfertigen Klangmischungen, die heute oft als sphärisch oder himmlisch bezeichnet werden. Besonderen Wert legte der Komponist darauf, die Texte und Bibelworte seiner Kantaten musikalisch ausdrucksstark in Szene zu setzten.

"Die Kantaten sind vielleicht die komplexeste und am schwierigste zugängliche Musik Bachs", sagt Intendant Michael Maul. Selbst für Deutsche gebe es Sprachbarrieren bei den sperrigen barocken Texten. Außerdem seien die Menschen längst nicht mehr so gottesfürchtig wie zu Bachs Zeit. "Dennoch wird Bach über die konfessionellen, die kulturellen und die geographischen Grenzen hinweg rezipiert."

Bachs Thomanerchor

Zu Bachs Lebzeiten erkannte man nicht, welches musikalische Genie er war. "Bach ist so viel schwieriger zu spielen als die Musik seiner Zeitgenossen. Sie ist auch komplexer zu erfassen, so dass man seinerzeit vielleicht schlichtweg überfordert war", meint Maul.

Ein harter Brocken: Die Thomaner singen Jörg Widmanns "Kantate" als UraufführungBild: Bach-Archiv Leipzig/Gert Mothes

Auch seine Thomaner-Jungen soll Bach zuweilen überfordert haben. Beim Rat beschwerte er sich über die Qualität der ausgesuchten Jungen und wendete sich - auch aufgrund anderer Differenzen mit dem Stadtrat - nach einigen Jahren wieder mehr und mehr der weltlichen Musik zu. Er schuf Lehr-Stücke wie "Die Kunst der Fuge" (1751) und komponierte bekannte Werke wie die Goldbergvariationen (verlegt 1741), die der armenische Pianist Sergei Babayan auswendig mit virtuoser Präzision beim Bachfest spielte.

Rocklegende Sting zu Gast beim Thomanerkonzert

Der Thomanerchorwar in diesem Jahr besonders gefragt. Zum Eröffnungskonzert spielte er nicht nur Bachs Antrittskantate "Die Elenden sollen essen", sondern auch eine Uraufführung des Dirigenten, Klarinettisten und Komponisten Jörg Widmann, der die Kantatenform als Grundlage nahm, um über Krieg und die Hoffnung auf Frieden zu singen.

Für Thomaskantor Andreas Reize war es im Rückblick die größte Herausforderung der 300-Jahr-Feier: "Wir sind bei der Uraufführung über die Grenzen dessen gegangen, was wir leisten können, aber es war eine unglaubliche Erfahrung", sagt Reize. "Es war sehr schwer zu singen, unglaublich für das Orchester zu spielen und auch für mich zu dirigieren."

Pop-Star Sting in geheimer Mission: Unerwartet besuchte Sting ein Konzert des ThomanerchorsBild: Christian Kern

Für ihre Verdienste um das Werk Johann Sebastian Bachs wurden die Thomaner mit der Bachmedaille ausgezeichnet. Überraschend war zum "Knabenchorgipfel" mit den Thomanern Rocklegende Sting als Zuschauer zu Gast in der Thomaskirche. Sting ist als Bachliebhaber bekannt, und Bachfestintendant Michael Maul weiß, dass er zwischendurch auch immer wieder ein paar Takte Bach auf seiner Gitarre spielt.

"Choral Total" mit Chören aus aller Welt 2024

Johann Sebastian Bachs Amtsantritt in Leipzig wird noch das ganze Jahr gefeiert. So beteiligen sich die Thomaner an wöchentlichen Sonntagsgottesdiensten, an denen die gleichen musikalischen Programme erklingen sollen wie zu Bachs Zeiten. Das Bach-Museum zeigt noch bis März 2024 die Sonderausstellung "Bühne frei für Johann Sebastian Bach!". In drei aufeinanderfolgenden Teilen geht es um Bachs Kirchenmusik, seine Musik für Tasteninstrumente und um den Umgang nachfolgender Generationen mit Bachs Musik.

Unter dem Motto "Choral Total" werden beim Bachfest 2024 (7. bis 16. Juni) Bach-Ensembles aus aller Welt zu Gast sein, um Bachs sogenannte Choralkantaten aus seinem zweiten Amtsjahr als Thomaskantor (1724/25) zu singen. Neben deutschen und europäischen Chören werden unter anderem Ensembles aus den USA, Japan und Malaysia erwartet. Außerdem wird es einen Festivalchor geben, zu dem sich Sängerinnen und Sänger aus der ganzen Welt anmelden können.

Michael Maul erklärt: "Wer war Bach?"

02:26

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