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PolitikSenegal

Baerbock in Westafrika: Ohne Wirtschaft keine Sicherheit

17. Juli 2024

Deutschland zieht sich aus dem vom Terror geprägten Sahel zurück - will aber seine Beziehungen in Westafrika ausbauen: Außenministerin Baerbock war mit einer Wirtschaftsdelegation in Senegal und der Elfenbeinküste.

Senegal | Besuch Außenministerin Baerbock
Außenministerin Annalena Baerbock mit dem senegalesischen Minister für Infrastruktur, Malick NdiayeBild: Britta Pedersen/dpa/picture alliance

Das Straßenbild der Viermillionenstadt Dakar wandelt sich. Zwar sind noch immer viele Autos, Mofas und auch Pferdewagen in den unzähligen Staus zu sehen. Doch im Norden der Stadt, im sozial schwachen Viertel Parcelles Assainies, fand kürzlich eine Art verkehrspolitische Revolution statt: Noch vor drei Monaten brauchten die Bewohner anderthalb Stunden, um zur Arbeit oder Schule ins Zentrum zu kommen. Nun braucht man dafür nur noch die Hälfte der Zeit. Die Staus gibt es zwar immer noch - doch es gibt jetzt auch eine Schnellspur nur für Elektrobusse.

Mit dem Schnellbussystem Bus Rapid Transit (BRT) ist Dakar zum Vorreiter der urbanen Mobilität in Afrika geworden. Die Busse kommen aus China, doch die eingebauten Hightech-Steuergeräte stammen von CarMedialab bei Bruchsal in Südwestdeutschland - einem Unternehmen, das weltweit Verkehrssysteme mit erneuerbaren Energien implementiert. Henri Depe Tchatchu ist dort Manager, er begleitet Außenministerin Annalena Baerbock auf ihrer Reise nach Westafrika. Für die deutsche Wirtschaft ist Afrika nicht einfach zu erschließen, aber ein Markt der Zukunft. Nach Dakar will CarMedialab auch nach Kenia, Nigeria und Elfenbeinküste expandieren.

Minister Malick Ndiaye erklärt Baerbock die Vorzüge des Bus Rapid Transit (BRT)Bild: Britta Pedersen/dpa/picture alliance

Senegal: Vorbild und Hoffnungsträger

Baerbock besucht Senegal, kurz nachdem das Land einen demokratischen Machtwechsel schaffte. Während im Sahel die Militärputschisten regieren und der Terror weiter zunimmt, gelten Länder der Westküste wie Senegal oder die Elfenbeinküste als Stabilitätsanker der Region. "Senegal hat einen politischen Wandel innerhalb des demokratischen Systems eingeleitet", sagt die deutsche Außenministerin in Dakar anerkennend.  Deshalb bringt Baerbock auch eine zehnköpfige Wirtschaftsdelegation mit - Menschen, die mehr in Afrika investieren wollen und so zur Stabilisierung des Landes beitragen könnten.

Senegal wird seit rund 100 Tagen von zwei ehemaligen Oppositionellen geführt, die noch vor kurzem als politische Häftlinge im Gefängnis saßen: Bassirou Diomaye Faye ist heute Präsident und Ousmane Sonko Premierminister. Ihre Partei, die "Afrikanischen Patrioten Senegals für Arbeit, Ethik und Brüderlichkeit" (PASTEF), steht für die Rückkehr zu nationalen Werten und für den Bruch mit der Kolonialzeit und -tradition. Faye und Sonko wollen ein selbstbestimmtes und selbstbewusstes Senegal. Von Deutschland erhoffen sie sich vor allem Investitionen.

Faye neuer Präsident im Senegal

02:45

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Das Durchschnittsalter in Senegal beträgt 19 Jahre. Die jungen Menschen brauchen vor allem eine schnelle Ausbildung und gute Jobs - andernfalls wird befürchtet, dass die Stimmung wieder kippen könnte. Vor allem, so der Wunsch beziehungsweise die Forderung, soll Deutschland Afrika "auf Augenhöhe" behandeln. Gemeint ist damit unter anderem, dass afrikanische Projekte besser an günstige Kredite und Finanzierungsoptionen kommen - im Moment bekommen afrikanische Akteure noch deutlich schlechtere Konditionen als die Europäer.

Von der Zukunft Afrikas hängt die Sicherheit Europas ab

Baerbock versichert, dass sie die Reise sehr ernst nimmt: "Das ist keine Charityaktion, sondern in unserem eigenen Interesse", sagt sie in Dakar. "Überall dort, wo wir als Demokratien und Europa nicht investieren, investieren andere, die Abhängigkeiten schaffen, die im Zweifel gegen uns und unsere Sicherheitsinteressen eingesetzt werden", so die Außenministerin mit Blick auf den steigenden Einfluss Chinas, Russlands und der Türkei in der Region.

Im Norden von Dakar: Pferdekutschen gehören nach wie vor zum normalen BildBild: Rosalia Romaniec/DW

Dabei geht es nicht nur um die Angst vor der Konkurrenz aus dem Osten, sondern vor allem um die politische Destabilisierung durch neue Abhängigkeiten. Die Westküsten-Länder Afrikas gelten im Moment als relativ sicher und stabil. Doch sollte der wirtschaftliche Aufschwung in Senegal ausbleiben und die Frustration steigen, könnte sich das ändern. Wenn junge Menschen keine Perspektive haben, könnten sie leichter von kriminellen Banden und Terroristen rekrutiert werden, so Annalena Baerbock.

Oder aber sie verließen ihre Heimat, was wiederum die Migrationskrise in Europa verstärke. "Die Sicherheit und die Zukunftschancen dieser Region sind eng mit der deutschen Sicherheit verbunden", sagt die Außenministerin mehrfach auf ihrer Reise. Die Aussage klingt weniger nach einer werteorientierten Außenpolitik, sondern eher nach einer, die stark von eigenen Interessen geleitet ist.

Baerbock mit dem Präsidenten der Elfenbeinküste, Alassane OuattaraBild: Britta Pedersen/dpa/picture alliance

Sicherheit bleibt das dominierende Thema

Als Annalena Baerbock in der Elfenbeinküste ankommt, wollen Journalisten in Abidjan von ihr wissen, warum sich Deutschland gerade vollständig aus dem Niger zurückzieht - und wo es stattdessen in die Sicherheit Afrikas investiert. Die Außenministerin erklärt, dass der Rückzug nur die militärische Präsenz betrifft, während die Entwicklungsgelder weiterfließen. Denn "die Menschen, die unter Terror leiden, können nichts dafür". Umso ambivalenter erscheint in diesem Kontext die Entscheidung der Bundesregierung, sämtliche Bundeswehrsoldaten bis Ende August aus Niger abzuziehen. Damit wird der Sahel, der mittlerweile als Epizentrum des Terrorismus gilt, vollständig den Militärputschisten und russischen Söldnern überlassen - fast alle anderen haben sich mittlerweile zurückgezogen.

Im Vergleich zum Sahel ist die Westküste Afrikas stabil. Doch wie lange noch, fragen sich einige. "Nein, nein, ich kann versichern, dass die Elfenbeinküste ein stabiles Land ist und es bleiben wird", beschwichtigt der ivorische Präsident Alassane Ouattara. Sein Land habe viel investiert, man müsse sich keine Sorgen machen.

Spezialeinheiten trainieren in der Internationalen Akademie für Terrorismusbekämpfung einen Anti-Terroreinsatz Bild: Britta Pedersen/dpa/picture alliance

Fiktive "Operation Trampoline" nahe Abidjan

Unweit von Abidjan liegt die größte Ausbildungsstätte für Einsatzkräfte, die gegen Terroristen kämpfen. Die "Internationale Akademie für Terrorismusbekämpfung" (AILCT) wird von Deutschland mit 2,5 Millionen Euro im Jahr unterstützt. Bei einem Kurzbesuch macht sich Annalena Baerbock ein Bild davon, wie eine solche Ausbildung konkret aussieht: Bei der fiktiven "Operation Trampoline" wird ein Dorf von Terroristen überfallen und befreit - mehrfach im Jahr komme es zu solchen Überfällen, erklärt der Kommandant. Die Außenministerin klettert auf eine meterhohe Plattform und schaut sichtlich beeindruckt zu.

Sicherheit und Wirtschaft sind in der Elfenbeinküste unbestreitbar miteinander verwoben. Während das Land darauf bedacht ist, nicht dem Trend der Staatsstreiche zum Opfer zu fallen, die Mali, Niger und Burkina Faso in den letzten Jahren destabilisiert haben, ist es nun an Deutschland, eine Rolle bei der Zukunft der Region zu spielen - und Taten sprechen zu lassen. Schließlich haben die westafrikanischen Partner den Westen oft dafür kritisiert, dass er zwar große Versprechungen gemacht - viele davon aber am Ende dann nicht gehalten hat.

Die Außenministerin im Gespräch mit dem Kommandanten der Internationalen Akademie für TerrorismusbekämpfungBild: Britta Pedersen/dpa/picture alliance