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Strategiewechsel gefordert

6. Dezember 2006

Mit einem radikalen Kurswechsel sollen die USA einen baldigen Abzug ihrer Truppen aus dem Irak einleiten, fordert die vom US-Kongress eingesetzte Baker-Kommission. Präsident Bush nimmt die Empfehlungen "sehr ernst".

Präsident Bush mit James Baker (r.) und dem Vize-Vorsitzenden der Kommission, Lee Hamilton (l.) Foto: AP
Präsident Bush mit James Baker (r.) und dem Vize-Vorsitzenden der Kommission, Lee Hamilton (l.)Bild: AP
Bewaffnete Aufständische fahren am Dienstag (6.12.)durch Ramadi im Westen BagdadsBild: AP

Die überparteiliche Baker-Kommission hat in ihrem Abschlussbericht eine schonungslose Analyse der Irak-Politik von US-Präsident George W. Bush gezogen und eine grundlegende Neuorientierung verlangt. Fast vier Jahre nach dem US-Einmarsch drohe ein Abgleiten des Golfstaats ins Chaos und ein Übergreifen der Konflikte auf die Region, warnte die vom ehemaligen US-Außenminister James Baker geleitete Kommission in ihrem am Mittwoch (6.12.2006) veröffentlichten Bericht. . "Die Lage im Irak ist ernst, und sie verschlechtert sich", heißt es in dem Bericht. "Ein Abgleiten ins Chaos könnte den Kollaps der irakischen Regierung und eine humanitäre Katastrophe auslösen."

Druck auf die irakische Regierung

Die Kommission warnt in dem Gutachten davor, dass sich die Irak-Krise zu einem Regionalkonflikt auswächst. Zu den denkbaren Entwicklungen zähle, dass "die Nachbarländer intervenieren, die Zusammenstöße zwischen Sunniten und Schiiten sich ausweiten, die El Kaida einen Propagandasieg erringt und ihre Einsatzbasis ausweitet".

Der Bericht schlägt einen diplomatischen und militärischen Strategiewechsel vor. Die irakische Regierung solle verstärkt unter Druck gesetzt werden: Sollte die Regierung keine "substanziellen Fortschritte" in Bezug auf Sicherheit und nationale Versöhnung machen, sollten die USA ihre politische, militärische und wirtschaftliche Unterstützung reduzieren, empfiehlt die Kommission.

Abzug der Kampfbrigaden bis 2008

Als militärisches Ziel benannte das Gremium, im ersten Quartal 2008 "alle Kampfbrigaden aus dem Irak abzuziehen", die nicht für notwendige Schutzaufgaben benötigt werden. Die US-Streitkräfte im Irak müssten grundlegend neu ausgerichtet werden: Sie sollten sich zunehmend aus den Kämpfen heraushalten und dazu übergehen, die irakische Armee zu unterstützen. Die Experten drängten auf eine schnelle Ausbildung einheimischer Soldaten.

US-Präsident Bush spricht nach seinem Treffen mit der Kommission mit MedienvertreternBild: AP

Auch in der Diplomatie legt die Kommission dem Weißen Haus eine Abkehr von der bisherigen Politik nahe. Die Experten verlangten eine direkte Beteiligung der mit den USA verfeindeten irakischen Nachbarstaaten Iran und Syrien an der Lösung der irakischen Probleme. Die US-Regierung müsse zugleich eine neue Initiative für einen umfassenden arabisch-israelischen Frieden starten. "Dazu gehören direkte Gespräche mit Israel, dem Libanon, den Palästinensern, die Israels Existenzrecht anerkennen, und Syrien", hieß es in dem Bericht. Ohne ein Engagement im Kernkonflikt der Region würden die USA ihre Ziele nicht erreichen. Seit Bushs Amtsantritt 2001 hat sich die Großmacht weitgehend aus Vermittlungsversuchen im Nahen Osten herausgehalten.

Schwächung der USA

Sollten die USA im Irak scheitern, drohen nach Einschätzung der Kommission "ernsthafte Auswirkungen". Das außenpolitische Ansehen der USA sei in Gefahr: "Die weltweite Geltung der USA könnte abnehmen", warnt die Kommission.

Eine Irakerin holt am Dienstag (6.12.) die Leiche eines ermordeten Angehörigen im Krankenhaus abBild: AP

Bush sagte zu, die Ergebnisse sehr ernst zu nehmen und rasch zu handeln. Er sprach von einem "Bericht, der einige wirklich sehr interessante Vorschläge enthält, und wir werden jeden Vorschlag ernst nehmen und rechtzeitig handeln." Die Empfehlungen der Kommission bezeichnete er als "drastische Lagebeurteilung". Ex-Außenminister Baker betonte bei der Vorstellung des Berichts in Washington, dass es sich bei den Empfehlungen seiner Kommission nicht um eine "Zauberformel" handele. Allerdings sei klar, dass die gegenwärtige Politik nicht weiterführe: "Wir empfehlen keine Lösung nach dem Motte: 'Wir halten Kurs.' Diese Option ist nicht mehr praktikabel." Die Empfehlungen der vom Kongress eingesetzten Kommission sind nicht bindend.

Kritik aus Bagdad

Im Irak stießen die Empfehlungen auf Kritik. Die Drohung, dass die USA ihre Unterstützung für die Regierung in Bagdad einschränkten, sei "ungerecht", sagte der Parlamentsabgeordnete Mahmud Othman. "Die USA sehen sich als Besatzungsmacht, und als solche tragen sie laut Genfer Konventionen für das Land Verantwortung." Bassim Ridha, ein Berater von Ministerpräsidfent Nuri el Maliki, sagte: "Wir brauchen die Unterstützung der USA, um voranzukommen."

Derzeit haben die USA 140.000 Soldaten stationiert. Der Einsatz dauert bereits länger als die Beteiligung der USA am Zweiten Weltkrieg. Mehr als 2900 US-Soldaten wurden seit März 2003 getötet und der Aufstand gegen die US-Truppen ist den Worten von UN-Generalsekretär Kofi Annan zufolge inzwischen in einen Bürgerkrieg ausgeartet. Der Gewalt zwischen Sunniten und Schiiten fallen UN-Schätzungen zufolge täglich 120 Menschen zum Opfer. Auch am Mittwoch starben bei Anschlägen und Zusammenstößen mindestens 13 Menschen. (stu)

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