Mediziner aus Würzburg haben einen Kaugummi entwickelt, der bitter schmeckt, falls es im Mund zu viele Bakterien gibt. So könnten Träger von Zahnimplantaten frühzeitig vor einer entstehenden Infektion gewarnt werden.
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Zahnimplantate sind heutzutage keine große Sache mehr. Sie werden mit einem Dübel im Kiefer verankert und sitzen meistens bombenfest. Vorbei die Zeit, in der die künstlichen Zähne während des Essens aus dem Mund fallen. Eigentlich also alles prima, eigentlich.
Aber in ein bis fünf Prozent der Fälle kommt es auch nach einigen Jahren noch zu Komplikationen: Es bilden sich schleichend bakterielle Infektionsherde an den Grenzen zwischen Implantat, Zahnfleisch und Knochen. Diese sind aber für den Betroffenen kaum zu erkennen.
"Der Patient merkt die Entzündungen im Mundraum nicht, weil durch die Implantate die Nerven komplett zerstört sind", erklärt Lorenz Meinel vom Lehrstuhl für Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie an der Universität Würzburg.
Menschen mit natürlichen Zähnen werden durch Schmerzen und Schwellungen darauf aufmerksam, dass in ihrem Mund etwas nicht stimmt. Entwickelt sich die Infektion indes unbemerkt, kann sie bereits Gewebe und Knochensubstanz zerstört haben, bevor der Betroffene zum Arzt geht.
Frühwarnsystem mit bitterem Geschmack
In Zukunft sollen Implantat-Träger frühzeitig gewarnt werden. Dazu haben Meinel und sein Team gemeinsam mit Forschern der Universität Düsseldorf und mit Forschungseinrichtungen in Berlin und Jena nun einen speziellen Kaugummi entwickelt. Dieser schmeckt nach wenigen Minuten bitter, falls es versteckte bakterielle Infektionsherde im Mund gibt. Die Wissenschaftler haben ihre Erfindung am 15. August 2017 in der Fachzeitschrift "Nature Communications" vorgestellt.
Der Kaugummi enthält einen speziellen Inhaltsstoff, der auf bestimmte proteinabbauende Enzyme reagiert, die bei Entzündungen im Mund entstehen. Der Inhaltstoff zerschneidet diese Enzyme, wodurch ein vorher nicht zu schmeckender Bitterstoff frei wird. Der Patient kann in diesem Fall zu seinem Zahnarzt gehen, der die Diagnose bestätigt und die Entzündung behandelt.
Viele Bakterienarten werden erkannt
Die Wissenschaftler hatten ihren Kaugummi an Patienten der Zahnklinik in Rimini, Italien erprobt. "Der Kaugummi erkennt jede Form von bakterieller Belastung im Mundraum", sagt Meinel. Dabei reagiere er besser als bislang genutzte Farbstreifen und schneller als Tests mit Stäbchen, die erst im Labor analysiert werden müssten. Bei leichten Zahnfleischentzündungen schlägt der Kaugummi jedoch nicht an.
Eines kann der Kaugummi allerdings noch nicht leisten: Zwischen einer entstehenden und einer abklingenden Infektion unterscheiden. Das liegt daran, dass auch beim Heilungsprozess der gleiche Marker freigesetzt wird, sagt Frank Schwarz, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Implantologie. Allerdings sei der Kaugummi ein "innovatives Verfahren". Wann er auf den Markt kommt ist noch unklar.
fs/jv (dpa/IDW)
3-D-Druck hilft Mensch und Tier
Bauteile aus dem 3-D-Drucker sind längst auch in der Medizin angekommen. Einiges wird schneller in der Tiermedizin umgesetzt als am Menschen - weil hier die Genehmigungsverfahren nicht so kompliziert sind.
Bild: picture-alliance/dpa/P. Schulze
Mit dem zweiten Bein steht es sich besser
Im Weltvogelpark im niedersächsischen Walsrode hat Sekretär Söckchen einen neuen Unterschenkel bekommen. Die Vogeldame hatte sich ein Bein gebrochen. Weil die Nervenbahnen durchtrennt waren, musste das Bein amputiert werden, meldete der Vogelpark. Mit einem Ersatzbein aus dem 3-D-Drucker kann Söckchen jetzt wieder laufen. Söckchen ist knapp drei Jahre alt und rund 120 Zentimeter groß.
Bild: picture-alliance/dpa/P. Schulze
Operation geglückt
Die Welt für den Tukan Grecia ist fast wieder in Ordnung. Nach knapp einem Jahr intensiver Bemühungen haben Veterinärmediziner des Tierparks Zoo Ave bei San José in Costa Rica dem Vogel einen neuen Schnabel verpasst. Das Besondere daran: Der Schnabel stammt aus dem 3-D-Drucker und wurde passgenau für Grecia gefertigt.
Bild: picture-alliance/dpa/Rescate Animal Zoo Ave/H. A. Rivera
Schnabelprothese
Der Tukan war Ende 2014 von Jugendlichen schwer misshandelt worden. Um den neuen Schnabel zu entwerfen, wurde zunächst der Schädel des Tieres in einem Computertomographen eingescannt. Danach entwickelten die Ärzte am Computer ein passgenaues Modell, dass später angebracht wurde.
Bild: Getty Images/AFP/Ezequiel Becerra
Ein Rollstuhl für Luisa
Medizinische Ersatzteile aus dem 3-D-Drucker sind längst keine Ausnahme mehr. Auch Tiere können davon profitieren. Diese ehemalige Straßenhündin aus Italien verlor bei einem Unfall ihre Vorderbeine. Damit sie nicht immer auf die Schnauze plumpst, hat ihre neue Familie bei Ravensburg ihr einen Spezialrollstuhl mit 3-D-Prothese gebaut.
Bild: picture-alliance/dpa/F. Kästle
Brustschale aus dem Drucker
Luisa lebt bei Manuel Tosché und seiner Partnerin Petra Rapp. Die beiden betreiben eine Entwicklungsfirma für 3-D-Drucker. Die mit weichem Plüsch überzogene Brustschale ist eine Entwicklung des Sohnes und seiner Freundin. Sollte Luisa noch wachsen, kann eine größere Brustschale ausgedruckt werden.
Bild: picture-alliance/dpa/F. Kästle
Neue Hand dank 3-D-Drucker
Auch Menschen hilft die Drucktechnik: Der sechsjährige Maxence aus Frankreich hat eine Handprothese aus einem 3-D-Drucker bekommen. Er kam ohne rechte Hand zur Welt. Die orange-gelb-blaue Prothese kostete unter 50 Euro in der Herstellung.
Bild: J. Pachoud/AFP/Getty Images
Ersatz für die Schädelplatte
Hier sind sowohl der Kunststoffschädel als auch die Titan-Schädelplatte durch den 3-D-Druck entstanden. Vorlage war eine CT-Aufnahme - also eine dreidimensionale Röntgenaufnahme - des Patienten. So konnte die Schädelplatte feiner als auf einen Zehntelmillimeter genau angepasst werden.
Bild: DW/F. Schmidt
Knochen, der nachwächst
Dieses Implantat wurde in einem ähnlichen Verfahren aus Hydroxylapatit-Pulver hergestellt. Der Ersatzknochen - entwickelt am Foschungszentrum Caesar - verwächst mit der Zeit mit dem wirklichen Knochen. Nach und nach bildet sich echtes Knochenmaterial, während das Implantat langsam verschwindet.
Bild: caesar/3mat
Individualisierte Medizin für jedermann
Längst hat der 3D-Druck in der Zahnmedizin Einzug gehalten. Die Zeiten, als Zahnärzte aufwendig und kompliziert Abdrücke direkt vom Gebiss des Patienten nehmen mussten, sind längst vorbei. Heute wird das Gebiss im CT dreidimensional vermessen, die elektronischen Daten gehen ans Labor und der passende Zahnersatz kommt wenige Tage später von einem Spezialhersteller.
Bild: DW/F. Schmidt
Knochenkrebs durch Modell erkennen
Hier wurde das Modell eines von Krebs zersetzten Knochens an der Universität Duisburg ausgedruckt und aufgeschnitten. Solche Modelle können einerseits in der medizinischen Aus- und Fortbildung zum Einsatz kommen, andererseits können sie auch Ärzten helfen, Operationen vorzubereiten.
Bild: DW/F.Schmidt
Schwieriger bei weichen Organen
Bisher fällt es Medizinern jedoch schwer, den 3-D-Druck bei beweglichen Körperteilen zu nutzen, wie bei diesem Herz. Zwar ist es möglich, eine computertomographische Aufnahme des Herzens mit all seinen Verästelungen anzufertigen und dann auch das Ergebnis auszudrucken, aber das taugt höchstens als Präsentation im Unterricht .
Bild: DW/F.Schmidt
Gedrucktes Zellmaterial
Am Inserm-Institut bei Bordeaux wird seit 2005 mit gedruckten Zellstrukturen geforscht. Das Ganze nennt sich "Bioprinting". 10.000 Tröpfchen pro Sekunde kann ein solcher Zell-Drucker liefern. Bisher kann der Drucker menschliche Zellen reproduzieren, etwa als Probenmaterial - um Tierversuche zu vermeiden.
Bild: Reuters/R. Duvignau
Zellen für bestimmte Patienten
Als nächstes Ziel hat sich Inserm die Entwicklung individualisierter Zellstrukturen gesetzt. Damit könnten also für einen einzelnen Patienten genau die Zellen geliefert werden, die er braucht und die der Körper auch nicht abstößt. Später hoffen die Erfinder, implantierbare Zellstrukturen - etwa Organe oder zumindest Teile davon - herstellen zu können.