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Bakteriophagen vs. Antibiotika: Mit Viren gegen Resistenzen

Fred Schwaller
21. Juli 2023

Nicht alle Viren sind Killer. Wie bei Bakterien gibt es auch hilfreiche Viren, die sehr nützlich für unsere Gesundheit sein können. Bakteriophagen vernichten Bakterien und helfen im Kampf gegen Resistenzen.

Illustration Bakteriophage in rot
Bakteriophagen sind Viren, die Bakterien in unserem Mikrobiom abtötenBild: Ake Puttisarn/Zoonar/picture alliance

Obwohl sie winzig sind, haben Viren der Menschheit schon immer einiges abverlangt. Ausbrüche von Viruskrankheiten wie Pocken, Grippe, HIV und COVID-19 haben im Verlauf der Geschichte Milliarden von Menschenleben gefordert und Gesellschaften grundlegend verändert. 

Doch nicht alle Viren sind Killer. Wie bei Bakterien können "gute" Viren auch förderlich für die Gesundheit sein. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sprechen hier vom Virom. Dies umfasst verschiedene Arten von Viren, die sich in unserem Körper befinden und zu unserer Gesundheit beitragen, ähnlich wie das bakterielle Mikrobiom

Das Virom ist riesig. In unserem Körper existieren etwa 380 Billionen Viruspartikel - zehnmal mehr als die Anzahl der Bakterien, die uns besiedeln. Diese Viren sind in unserer Lunge, in unserem Blut, sie sind auf unserer Haut und sie befinden sich in den Mikroben unseres Darms.

Gute Viren, schlechte Viren

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Es gibt Viren, die Krebszellen abtöten und den Abbau von Tumoren unterstützen, sowie andere, die unser Immunsystem trainieren und bei der Bekämpfung von Krankheitserregern helfen. Einige Viren spielen sogar eine Rolle bei der Steuerung von genetischen Prozessen und kontrollieren die Aktivität von Genen während der Schwangerschaft.

Bakteriophagen sind die antibakteriellen Wachhunde

Die große Mehrheit der Viren in uns sind Bakteriophagen, Viren also, die Bakterien in unserem Mikrobiom abtöten. Bakteriophagen, auch nur Phagen genannt, sind für menschliche Zellen harmlos, denn sie erkennen diese nicht als ihre bakterielle Beute.

Bakteriophagen machen Jagd auf Bakterien und heften sich an die Oberfläche einer Bakterienzelle, bevor sie ihr DNA-Material in die Zelle injizieren. Die virale DNA repliziert sich dann im Inneren des Bakteriums und verwendet dazu auch den Replikationsmechanismus des Bakteriums. Sobald genügend neue Viren in der Bakterienzelle entstanden sind, platzt die Zelle und setzt die neuen Viruspartikel frei. Das Ganze dauert nur etwa 30 Minuten. Aus einem einzigen Virus kann so innerhalb weniger Stunden eine riesige Anzahl von Viren entstehen, die in die Millionen gehen kann.

Bakteriophagen heften sich an die Oberfläche einer Bakterienzelle (oben links)Bild: Science Photo Library/IMAGO

Eine kurze Geschichte der Phagentherapie

Die Fähigkeit von Bakteriophagen, Bakterien zu vernichten, weckte zu Beginn des 20. Jahrhunderts das Interesse der Forschung. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beschäftigten sich damit, wie Bakteriophagen in der Medizin eingesetzt werden könnten. Es entstand die Idee, bakterielle Infektionen gezielt mit Phagen zu behandeln. Allerdings geriet diese Forschung in den Hintergrund als Antibiotika wie Penicillin aufkamen.

Nun aber sind antibiotikaresistente Bakterienstämme auf dem Vormarsch, und Experten halten die Antibiotikaresistenzen für eine der größten medizinischen Herausforderungen der heutigen Zeit. Händeringend suchen Forschende nach neuen Antibiotika. Auch Phagen sind dadurch in der Forschung wieder von großem Interesse, da sie ein Mittel zur Bekämpfung bakterieller Infektionen sein könnten. "Die Vorteile von Phagen liegen in ihrer Wirksamkeit gegen jeden multiresistenten Erreger", sagt Mathias Pletz,Direktor des Instituts für Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene der Universität Jena.

Laut Pletz beseitigen Bakteriophagen Bakterienstämme äußerst präzise. Dabei wird das Darmmikrobiom nicht gestört, so wie es bei Antibiotika der Fall ist. Theoretisch könnten Phagen also ein großer Segen in unserem Kampf gegen Antibiotikaresistenzen sein.

Phagen gehörten in der ehemaligen Sowjetunion zum Standard

Doch nicht überall sind Phagen von der Bildfläche verschwunden. Da es im Russland der Sowjetzeit an Antibiotika mangelte, wurden Phagen dort zur Behandlung bakterieller Infektionen eingesetzt. In Ländern wie der Ukraine, Russland und Georgien werden sie seit Jahrzehnten verwendet. Gerade Georgien hat sich zu einem Hotspot für den sogenannten Phagentourismus entwickelt. Patienten aus der ganzen Welt reisen in dieses Land, um sich dort mit Phagen behandeln lassen.

Einige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler leiten daraus ab, dass Phagen in der Tat gegen Infektionen wirken können, die gegen herkömmliche antibakterielle Mittel resistent sind. Mittlerweile hat sich Georgien zu einem der globalen Zentren in der Phagentherapie entwickelt und verfügt über eine der größten Sammlungen von Bakteriophagen weltweit.

Länder wie Belgien und die USA beginnen jetzt, Phagen in Ausnahmefällen in spezialisierten Therapiezentren zu nutzen, und auch Deutschland hat begonnen, sich für Phagentherapien zu interessieren. In einem am 18. Juli 2023 veröffentlichten Forschungsberichtdes Karlsruher Institutes für Technologie, KIT, werden die politischen Entscheidungsträger aufgefordert, Phagen nicht nur für die Humanmedizin, sondern auch für lebensmittelbedingte Infektionen und den Pflanzenschutz besser zu erforschen und einzusetzen.

Bakteriophagen könnten auch zum Schutz von Pflanzen und Tieren eingesetzt werdenBild: Jochen Tack/picture-alliance

Haben Phagen einen Platz in der Medizin?

Könnten Phagen die Antwort auf das Problem der antibakteriellen Resistenzen sein? Vielleicht, sagen Experten. Sie weisen aber auch darauf hin, dass Phagentherapien Nachteile haben. Diese müssten geklärt werden, bevor sie für eine breite Anwendung zugelassen werden können.

"Ein zentrales Problem ist, dass es keine Standardisierung der Therapie gibt. Die Phagentherapie muss genau auf die Bakterien zugeschnitten sein, die eine Infektion beim Patienten verursachen", so Gerd Fätkenheuer,Experte für Infektionskrankheiten an der Universitätsklinik Köln. Infektionen könnten durch Bakterien mit unterschiedlichen Eigenschaften verursacht werden. Für eine Therapie wird also ein Cocktail aus verschiedenen Phagen benötigt, der oral eingenommen wird. Dieser Phagenmix soll die Wirksamkeit erhöhen, denn durch diese Kombination wird eine breitere Wirksamkeit erzielt. Der Gedanke dahinter ist, dass je mehr verschiedene Phagen eingesetzt werden, desto größer die Chance, dass sie die Bakterien erfolgreich bekämpfen. Der Phagenmix muss sehr schnell verfügbar sein und bevor die Infektion außer Kontrolle gerät.

Allerdings können Bakterien auch Resistenzen gegen Phagentherapien entwickeln. Insgesamt aber haben diese Therapien eine gute Sicherheitsbilanz. Laut Pletz nehmen wir jeden Tag Milliarden von Phagen mit der Nahrung auf, ohne dass es zu relevanten Nebenwirkungen kommt. Das bedeutet, dass unser Körper Phagentherapien sehr gut vertragen würden.

Dass Bakteriophagen Antibiotika vollständig ersetzen könnten, ist im Moment allerdings eher unwahrscheinlich. Aber viele Forschende sind dennoch der Überzeugung, dass Bakteriophagen in Kombinationen eingesetzt werden könnten, um resistente Bakterienstämme besser bekämpfen zu können.

Dieser Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert

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