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Politik

Bald verheiratete Priester am Amazonas?

24. Januar 2018

Aus Rom kommen gemeinhin nur Äußerungen zur Ehelosigkeit von katholischen Priestern, die die derzeitigen Regelungen bekräftigen. Nun weicht ein Kurienkardinal davon ab. Nur eine einzelne Meinung - oder mehr?

Symbolbild Bischöfe
Bild: picture-alliance/Sven Simon/M. Ossowski

Er ist nicht irgendwer. Kardinal Beniamino Stella leitet die Kleruskongregation des Vatikan. Das ist eine der ganz wichtigen Behörden in einem kirchlichen System, das in seinem Wesen Priester-zentriert ist. Und doch äußert der 76-jährige Italiener nun einen Gedanken, der zwar nicht ganz neu ist, aber doch revolutionär wirkt. Er empfiehlt seiner Kirche ein Nachdenken über die Priesterweihe für ältere verheiratete Männer. Eine solche Äußerung aus einem zentralen Bereich der Zentrale hat Gewicht.

Beniamino Stella (r.) mit Papst FranziskusBild: REUTERS

Dabei geht es um die Weihe sogenannter "viri probati", sogenannter "bewährter Männer". Seit vielen Jahren diskutieren Fachtheologen eine solche Zulassung verheirateter Männer, für die der Zölibat - die gemeinhin vorgeschriebene Verpflichtung zur Ehelosigkeit - nicht gelten solle. Sogar Papst Franziskus hat das Thema schon angesprochen. Seitdem trauen sich vermehrt Bischöfe, sich dazu zu äußern. Auch Kardinal Marx, einer der Kardinäle im engsten Beraterkreis des Kirchenoberhaupts, sprach beispielsweise von diesem Nachdenken.

Weites, ganz weites Land. Wenige Menschen. Das Amazonasgebiet in BrasilienBild: picture-alliance/dpa/I. Risco-Rodriguez

Am Amazonas

Dabei geht es um die Frage einer teilkirchlichen Regelung, die also nicht für die katholische Kirche weltweit gelten könnte. Der kirchliche Blick gilt konkret der Amazonas-Region in Brasilien, in der der Priestermangel weit gravierender ist als zum Beispiel in Mitteleuropa. Im weitläufigen Amazonas-Gebiet feiern Kirchengemeinden zum Teil über viele Wochen sonntäglich Gottesdienst ohne Priester, also ohne Eucharistie. Auf die Not dieser Gemeinden macht seit Jahren der als Amazonas-Bischof bekannte, aus Österreich stammende Erwin Kräutler (78) aufmerksam, der von 1981 bis 2015 das Bistum Xingu leitete. Es ist das von der Fläche her größte Bistum Brasiliens. Und Kräutler war diverse Male bei Papst Franziskus im Vatikan zu Gast, auf dessen Schreibtisch ein Papier des nun pensionierten Bischofs zum Priestermangel im Amazonas-Gebiet liegen soll.

"Wir müssen darüber nachdenken, ob 'viri probati' eine Möglichkeit sind. Dann müssen wir auch bestimmen, welche Aufgaben sie übernehmen können, zum Beispiel in weit entlegenen Gemeinden", sagte Papst Franziskus im März 2017 in einem spektakulären Interview der Wochenzeitung "Die Zeit". Es gehe der Kirche "stets darum, den richtigen Augenblick zu erkennen, zu erkennen, wann der Heilige Geist nach etwas verlangt". Der Papst aus Argentinien, der sich nach seiner Wahl im März 2013 als Kirchenmann "vom Ende der Welt" vorstellte, richtet seinen Blick bewusst auf Enden der Welt - wie zum Beispiel das Amazonas-Gebiet.

Erwin Kräutler wirkte 34 Jahre als Bischof im AmazonasgebietBild: picture-alliance/dpa

Im Oktober 2017 kündigte Franziskus für das Jahr 2019 eine Amazonas-Bischofssynode im Vatikan an, also ein mehrere Wochen tagendes Beratungsgremium des Papstes. Dabei soll es wohl um die Verantwortung für die Schöpfung, die Folgen des Klimawandels und die Evangelisierung gehen. Aber nicht zuletzt wegen der freundschaftlichen Verbindung von Bischof Kräutler und Papst Franziskus wird über die Frage der "viri probati" als ein Thema spekuliert.

Signalwirkung?

Aber auch wenn es nur um eine teilkirchliche Regelung für das Amazonas-Gebiet gehen würde, so hätte das doch Signalwirkung auf andere Teile der Welt. Denn auch bei anderen Streitthemen gibt es eine Tendenz hin zu regionalen Regelungen. So können seit einiger Zeit die nationalen Bischofskonferenzen den Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen selbst festlegen. Unterschiede über Landesgrenzen hinweg sind dabei absehbar. Und auch bei der Frage, ob für Frauen das Amt einer "Diakonin" geschaffen werden soll, wären regionale Ansätze möglich. Dafür gibt es einen historischen Bezug: Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65) in Deutschland und weiteren Ländern das Amt eines verheirateten männlichen Diakons eingeführt, das es in manchen Teilen der Weltkirche bis heute nicht gibt.

Aber das Thema des Zölibats der Priester, der verpflichtenden Ehelosigkeit, rührt an eine Kernfrage der katholischen Kirche. Die Kirchen der Reformation kennen keine Zölibatsverpflichtung, in der Orthodoxie müssen Mönche und Bischöfe ehelos sein, einfache Priester jedoch dürfen eine vor der Weihe geschlossene Ehe fortführen. Die in der katholischen Kirche im zwölften Jahrhundert festgelegte Verpflichtung katholischer Priester zur Ehelosigkeit ist seit Jahrzehnten Anlass für Kontroversen; zugleich betonten die Päpste immer wieder dessen uneingeschränkte Geltung für Kleriker.

Eine kontroverse Debatte

Synoden im Vatikan haben unter Papst Franziskus an Bedeutung gewonnenBild: picture-alliance/dpa/F. Frustaci/Eidon

Nun ist die Diskussion da. Kurienkardinal Stella ermuntert dazu erneut. Er äußerte sich nicht mal eben so spontan am Rande einer Veranstaltung, sondern in einem in italienischer Sprache erschienenen Interview-Buch. Bis zur Amazonas-Synode 2019 wird die Debatte an Breite gewinnen und die polarisierten Lager in der Kirche beschäftigen. Ach ja: Seit einiger Zeit befasst sich eine Expertenkommission im Vatikan im Auftrag von Franziskus mit der Frage des Diakonats der Frau. Es gehe darum, "das Thema zu erforschen, und nicht, eine Tür zu öffnen", sagt er.

 

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