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Politik

BAMF-Affäre: Ex-Chefin wehrt sich

2. Juni 2018

Im Skandal um falsche Asylbescheide werden Politiker nicht müde, rasch Aufklärung zu fordern. Gilt da auch die Unschuldsvermutung? Eine Ex-Verantwortliche lässt nun ihren Anwalt zu Wort kommen. Der spricht von "Unsinn".

Schild Asyl
Bild: picture-alliance/dpa/U. Deck

Der Rechtsanwalt der früheren Leiterin der Bremer Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat die Vorwürfe gegen seine Mandantin zurückgewiesen. Und zwar mit drastischen Worten. Das Ganze sei "ein Stück aus dem Tollhaus". Ulrike B. werde von den Medien und ihren eigenen Vorgesetzten vorverurteilt, sagte der Anwalt Erich Joester den Sendern Radio Bremen und NDR sowie der "Süddeutschen Zeitung". Es gehe nicht an, dass "diejenigen, die zur Fürsorge aufgerufen sind, nämlich ihre Vorgesetzten bis hin zum Minister, jetzt Vorwürfe erheben, ohne ihr rechtliches Gehör gewährt zu haben".

Die Außenstelle soll zwischen 2013 und 2016 in mindestens 1200 Fällen Asylanträge zu Unrecht bewilligt haben. Auch die Frage, ob Geld geflossen sei, spielte in der Berichterstattung über den Fall bereits eine Rolle. Den Vorwurf der Bestechlichkeit wies Joester ebenfalls zurück: "Unsinn". Weder habe seine Mandantin Vorteile angenommen noch habe sie Geld an Anwälte angewiesen, die dafür Asylsuchende gezielt nach Bremen gebracht haben sollen. Dies lasse sich belegen, sagte der Anwalt. Die Verfahren seien vielmehr aus Gründen der Überlastung anderer Außenstellen und mit Wissen der Zentrale des BAMF in Nürnberg nach Bremen verlegt worden.

Eine Vorschrift, die es noch nicht gab

Die von der Innenrevision des Bundesamtes erhobene Behauptung, die ehemalige Leiterin habe bei ihren Entscheidungen das Vier-Augen-Prinzip missachtet, bezeichnete Joester eben als jenes "Stück aus dem Tollhaus". Denn: Das Vier-Augen-Prinzip sei von der BAMF-Zentrale erst am 1. September 2017 eingeführt worden. Die von der Innenrevision überprüften Fälle bezögen sich aber auf den Zeitraum von März 2013 bis August 2017. "Wie kann man jemandem vorwerfen, eine Vorschrift missachtet zu haben, wenn es diese Vorschrift noch gar nicht gab?" Joester erwähnt noch, dass sich ausgerechnet seine Mandantin für das Vier-Augen-Prinzip eingesetzt habe.

Der Bremer Rechtsanwalt Erich Joester, hier bei einer Pressekonferenz zu einem anderen FallBild: picture-alliance/dpa/I. Wagner

Auf Anfrage von Radio Bremen, NDR und "Süddeutscher Zeitung" nahmen zunächst weder das BAMF in Nürnberg noch das Bundesinnenministerium zu der Kritik des Anwalts Stellung. Gegen Ulrike B. läuft bei der Staatsanwaltschaft Bremen ein Ermittlungsverfahren. Sie soll insbesondere mit einem Anwalt aus Hildesheim zusammengearbeitet und unrechtmäßig Asylbescheide ausgestellt haben.

Schon 2014 Hinweise?

Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" berichtet, nach Erkenntnissen interner Aufklärer hätten bereits im Jahr 2014 sieben BAMF-Führungskräfte von Unregelmäßigkeiten in der Bremer Außenstelle erfahren. Die Hinweise hätten sich auf "zahlreiche Fälle" bezogen, in denen es "Bevorteilungen bei Entscheidungen über syrische Asylanträge" gegeben habe, in die ein Hildesheimer Anwalt involviert gewesen sei. Auch gegen diesen Juristen ermittel laut "Spiegel" jetzt die Staatsanwaltschaft. 

Plötzlich in der rechten Ecke

Unterdessen wird die Debatte auf politischer Ebene weitergeführt. Die Vorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping, machte den früheren BAMF-Präsidenten Frank-Jürgen Weise für die Zustände in der Behörde verantwortlich. Die nach seinem Dienstantritt 2015 neu strukturierte Entscheidungspraxis habe "zu einer systematischen Aushöhlung von rechtsstaatlichen Verfahren" geführt, schrieb Kipping in einem Gastbeitrag auf der Internetseite der Berliner Zeitung "Der Tagesspiegel". Der frühere Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), kritisierte, dass das Bundesamt nicht ausreichend auf die große Zahl der Asylanträge vorbereitet gewesen sei. Zugleich nahm er in einem Interview mit "Straubinger Tagblatt" und "Landshuter Zeitung" die BAMF-Mitarbeiter in Schutz. Seinerzeit habe kaum jemand den Mut gehabt, einmal Klartext zu reden, "weil jeder befürchtete, als Kritiker der sogenannten Willkommenskultur plötzlich in der rechten Ecke zu stehen".

ml/jj (dpa, afp, kna)

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