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KonflikteHaiti

Bandengewalt: Haiti verhängt Ausnahmezustand

10. August 2025

Haitis Hauptstadt ist ein krimineller Hotspot. Aber auch in anderen Regionen des Karibikstaates treiben Banden ihr Unwesen. Die Übergangsregierung zieht nun weitreichende Konsequenzen.

Haiti Port-au-Prince 2025 | Vladimir Paraison und Laurent Saint-Cyr stehen sich gegenüber und salutieren (08.08.2025)
Zeremonie zur Ernennung von Haitis neuem Polizeichef (am Freitag)Bild: Fildor Pq Egeder/REUTERS

Angesichts des Ausmaßes der Bandenkriminalität in Haiti hat die Übergangsregierung in Port-au-Prince einen dreimonatigen Ausnahmezustand ausgerufen. Die Maßnahme gelte für die zentralen Regionen Ouest, in der sich die Hauptstadt befindet, sowie Artibonite und Centre, heißt es in einer offiziellen Mitteilung.

"Die Unsicherheit hat negative Auswirkungen sowohl auf das Leben der Bürger als auch auf die verschiedenen Wirtschaftsbereiche des Landes", so die Begründung aus dem Büro von Ministerpräsident Alix Didier Fils-Aimé. Die Entscheidung solle eine umfassende Mobilisierung der Ressourcen des Staates ermöglichen, um die Sicherheit und den Frieden wiederherzustellen.

Unter anderem geht es der Übergangsregierung darum, auf eine Agrar- und Nahrungsmittelkrise zu reagieren. Die von der Bandenkriminalität besonders betroffenen Départements gelten als "Reiskammer Haitis". Banden zerstörten dort Dörfer, töteten Bauern oder zwangen sie, ihre Felder zu verlassen.

Mehr als 1000 Tote

Nach Angaben des Menschenrechtsbüros der Vereinten Nationen wurden in den Départements Artibonite und Centre von Oktober 2024 bis Ende Juni 2025 mehr als 1000 Menschen getötet. Zudem seien mehr als 200 verletzt und 620 entführt worden. Laut UN hat die Bandenkriminalität außerdem mehr als 239.000 Menschen in der Zentralregion Haitis vertrieben.

Am Freitag hatte die Übergangsregierung bereits einen neuen Chef der Nationalpolizei ernannt. André Jonas Vladimir Paraison ersetzt den ehemaligen Polizeidirektor Normil Rameau, der wegen seiner Schwierigkeiten bei der Eindämmung der Bandengewalt in die Kritik geraten war. Rameau hatte wiederholt auf die gravierende Unterfinanzierung der Behörde hingewiesen.

Polizeichef ParaisonBild: Clarens Siffroy/AFP

Paraison war zuvor als Sicherheitschef des Nationalpalasts von Haiti tätig. Er war als Polizeibeamter im Dienst, als der ehemalige Präsident Jovenel Moïse im Juli 2021 in seiner Privatresidenz getötet wurde.

Wechsel an der Spitze des CPT

Die Verhängung des Ausnahmezustands und die Umbesetzung der Polizeiführung erfolgen kurz nach der Amtseinführung des neuen Präsidenten von Haitis Übergangspräsidialrat (CPT), Laurent Saint-Cyr. In einem Rotationssystem wechselt die auf fünf Monate begrenzte Leitung. Nun steht ein Geschäftsmann an der Spitze des Gremiums. Saint-Cyr, der seine Karriere bei einer Versicherung begann, war zuvor Präsident der Amerikanischen Handelskammer in Haiti und der Industrie- und Handelskammer des Landes.

CPT-Präsident Saint-CyrBild: Clarens Siffroy/AFP/Getty Images

Der neunköpfige Rat führt die Regierungsgeschäfte zusammen mit einem Ministerpräsidenten seit Juni 2024 mit dem Ziel, Haiti zu stabilisieren und den Weg zu demokratischen Wahlen im November zu ebnen. Die Sicherheitslage hat sich jedoch immer weiter verschlechtert.

Saint-Cyr forderte den neuen Interims-Polizeichef Paraison auf, "alle notwendigen Maßnahmen zur Wiederherstellung der Sicherheit" zu ergreifen, die Polizeieinsätze an allen Fronten zu "intensivieren" und die von den Banden kontrollierten Gebiete "Stück für Stück" zu befreien.

Haiti ist das ärmste Land des amerikanischen Kontinents. Seit 2016 haben in der Karibikrepublik mit knapp zwölf Millionen Einwohnern keine Wahlen mehr stattgefunden. Gewalttätige Banden kontrollieren mindestens 80 Prozent von Port-au-Prince und weitere Teile des Landes.

Polizeipatrouille in Port-au-Prince im Stadtteil Kenscoff (am Montag)Bild: Odelyn Joseph/AP Photo/dpa/picture alliance

In der Hauptstadt haben sich die Gangs zu einem Bündnis namens Viv Ansanm zusammengeschlossen. Deren Mitglieder sind für Massenmorde, Vergewaltigungen, Entführungen und Erpressungen verantwortlich. Die Gruppe wird von den USA als terroristische Organisation eingestuft.

Eine internationale Hilfsmission unter der Leitung Kenias konnte bislang nicht viel erreichen. Sie sorgte aber immerhin in einigen Bereichen für ein wenig Stabilität.

AR/pgr (dpa, ap, efe, rtr, kna)

Redaktionsschluss 17.35 Uhr (MESZ) - Dieser Artikel wird nicht weiter aktualisiert.

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