Bangladesch: Gericht modifiziert Quotensystem nach Unruhen
21. Juli 2024
Nach den gewaltsamen Studentenprotesten geht das Oberste Gericht in Bangladesch teilweise auf Forderungen der Demonstranten ein. Doch den Hochschülern reicht das nicht.
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Der Oberste Gerichtshof von Bangladesch hat die Wiedereinführung einer sehr umstrittenen Quotenregelung im öffentlichen Dienst teilweise zurückgedreht. Ab sofort sollten 93 Prozent der Einstellungen auf der Grundlage von Leistung erfolgen, entschied das Gericht an diesem Sonntag. Nur noch sieben Prozent der Stellen würden für bestimmte Bevölkerungsgruppen reserviert, teilte Generalstaatsanwalt AM Amin Uddin in der Hauptstadt Dhaka weiter mit. Bislang hätte diese Quote 56 Prozent betragen sollen.
Nach dem Willen der Richter sollen nur noch fünf Prozent der Stellen im öffentlichen Dienst vorwiegend für Nachkommen von Soldaten reserviert werden, die 1971 für die Unabhängigkeit des südasiatischen Landes von Pakistan gekämpft hatten. Zwei Prozent der Jobs sollten an Angehörige ethnischer Minderheiten, behinderte Menschen oder Transgender vergeben werden.
In Bangladesch mit seinen mehr als 171 Millionen Einwohnern sind Arbeitslosigkeit und Inflation hoch. Jobs für die Regierung sind meist gut bezahlt.
Die seit Wochen protestierenden Studenten fordern die vollständige Abschaffung des Quotensystems. Dieses begünstige Anhänger der langjährigen Premierministerin Sheikh Hasina, so die Hochschüler. Die 76-jährige Regierungschefin hatte sich bei der Wahl im Januar ihre fünfte Amtszeit gesichert. Die Opposition in Bangladesch boykottierte die Abstimmung, nachdem im Vorfeld zehntausende Menschen festgenommen worden waren.
Ein Mitorganisator der Demonstrationen erklärte nach dem Urteil des Obersten Gerichts der französischen Nachrichtenagentur AFP, die Proteste würden erst dann beendet, wenn die Regierung auf alle Forderungen eingegangen sei.
Studenten protestieren in Bangladesch gegen Quotenregelung
Bei Protesten in Dhaka werden hunderte Studenten verletzt. Friedliche Märsche eskalierten, als regierungstreue Studenten ihre demonstrierenden Kommilitonen angriffen.
Bild: Zabed Hasnain Chowdhury/NurPhoto/IMAGO
Zusammenstöße in Dhaka
Hunderte Menschen in Bangladesch sind verletzt worden, als sie gegen eine neue Quotenregelung für begehrte Regierungsstellen demonstrierten. Die Gewalt war zwischen rivalisierenden Studentengruppen ausgebrochen. Demonstranten, die an zunächst friedlichen Märschen teilgenommen hatten, wurden von regierungsnahen Aktivisten mit Steinen, Stöcken und Macheten angegriffen.
Bild: Zabed Hasnain Chowdhury/NurPhoto/IMAGO
Tote und Verletzte
Die Premierministerin und das Oberste Gericht hatte die Protestierenden aufgefordert, in die Hörsäle zurückzukehren. Dennoch eskalierte die Gewalt zwischen den verschiedenen Gruppen. Shamsur Rahman, Leiter der Klinik der Jahangirnagar University, spricht von über hundert verletzten Studenten alleine in seiner Einrichtung. Lokale Medien berichten zudem von mehreren Todesopfern.
Bild: Zabed Hasnain Chowdhury/NurPhoto/IMAGO
Brutale Gewalt geht von regierungstreuen Studenten aus
Ein Demonstrant wird von einem regierungstreuen Studenten mit einer Metallstange geschlagen. "Sie haben uns ganz plötzlich angegriffen und komplett überrumpelt", sagt die 26-jährige Studentin Shahinur Shumi im Krankenhaus der Nachrichtenagentur AFP.
Bild: Zabed Hasnain Chowdhury/NurPhoto/IMAGO
Die Lage bleibt angespannt
Die Gewalt hat internationalen Protest hervorgerufen: Das US-Außenministerium verurteilt die "Gewalt gegen friedliche Demonstranten". Stein des Anstoßes ist die Einführung einer Quote, die Veteranen des Unabhängigkeitskrieges von 1971 bei Stellen im öffentlichen Dienst bevorzugt.
Bild: Zabed Hasnain Chowdhury/NurPhoto/IMAGO
Bereitschaftspolizei gegen Quotengegner
Ein massives Polizeiaufgebot soll die Lage an den Universitäten unter Kontrolle bringen. Premierministerin Hasina verteidigt derweil das Quotensystem: Die "Freiheitskämpfer" von 1971 hätten damals ihren Traum vom eigenen Leben aufgegeben und deshalb den "höchsten Respekt verdient", sagte sie auf einer Veranstaltung in Dhaka.
Bild: Zabed Hasnain Chowdhury/NurPhoto/IMAGO
Forderung nach einer Reform des Quotensystems
Auf dem Dhaka University Campus demonstrieren Studentinnen für eine Änderung des Quotensystems hin zu einem leistungsorientierten System. Die Proteste schwelen schon seit längerer Zeit, doch nun war die Gewalt plötzlich eskaliert. Studentenvertreter machen regierungsnahe Studentengruppen dafür verantwortlich.
Bild: Zabed Hasnain Chowdhury/NurPhoto/IMAGO
Wie geht es weiter?
Trotz aller Gewalt zeigen sich die studentischen Demonstranten unbeirrt: Sie fordern weiterhin ein gerechteres System für die Verteilung der Posten im öffentlichen Dienst. Entscheidend für die weitere Entwicklung wird die Reaktion der Regierung sein. Sucht sie einen konstruktiven Dialog oder setzt sie weiterhin auf Gewalt als Mittel ihrer Politik?
Bild: Zabed Hasnain Chowdhury/NurPhoto/IMAGO
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Seit Beginn der Gewalt am Dienstag in Bangladesch wurden nach Erkenntnissen von AFP mehr als 150 Menschen getötet. Offiziell bestätigt sind die Opferzahlen nicht. Die Regierung hat Internet-, Telefon- und Mobilfunk-Verbindungen weitgehend gekappt. Es gilt eine Ausgangssperre, an die sich viele Protestierende am Samstag allerdings nicht gehalten haben.