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PolitikAsien

Bangladesch: Wie geht es weiter mit der Awami-Liga?

Arafatul Islam
7. Oktober 2024

Seit der Flucht von Ex-Premier Sheikh Hasina nach Indien ist ihre Partei, Bangladeschs Awami-Liga, weitgehend inaktiv. Durch Studentenproteste wurde die Partei nach 15 Jahren entmachtet. Wie sieht nun ihre Zukunft aus?

Bangladesch Vandalismus bei Studentenprotesten
Sheikh Hasina, langjährige Premierministerin von Bangladesch, trat nach wochenlangen Protesten mit vielen Todesopfern zurück und floh nach IndienBild: Kazi Salahuddin Razu/NurPhoto/IMAGO

Im August 2024 trat Sheikh Hasina als langjährige Premierministerin Bangladeschs zurück und floh nach Indien. Ihr Rücktritt folgte auf wochenlange Proteste mit vielen Todesopfern. Die Proteste waren ursprünglich durch ein umstrittenes Quotensystem für Regierungsstellen ausgelöst worden. Sie entwickelten sich dann rasch zu einer weiterreichenden Bewegung, die sich gegen die damalige Regierung insgesamt richtete.

Hunderte Demonstranten kamen während der Unruhen im Juli und August ums Leben, Tausende wurden verletzt. Darunter befanden sich zahlreiche Studenten, die von Hasina-treuen Sicherheitskräften erschossen wurden. Die gewaltsame Niederschlagung der Proteste zählt zu den blutigsten in der jüngeren Geschichte Bangladeschs.

Eine Übergangsregierung unter der Führung des Friedensnobelpreisträgers Muhammad Yunus, der zwei Studentenführer in hohe Ämter berufen hat, regiert derzeit das Land. Das einstige Hauptquartier von Hasinas Awami-Liga in einem Vorort von Dhaka ist inzwischen verlassen. Andere Parteibüros wurden nach dem Sturz ihrer Regierung verwüstet und in Brand gesetzt.

Während Hasinas 15-jähriger Amtszeit erlebte Bangladesch wirtschaftliches Wachstum. Gleichzeitig wurde sie jedoch schwerer Menschenrechtsverletzungen beschuldigt, darunter außergerichtliche Hinrichtungen und das gewaltsame Verschwindenlassen politischer Gegner.

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Seit dem Rückzug der Awami-Liga von der politischen Bühne stehen Dutzende Parteimitglieder unter dem Verdacht, an den tödlichen Polizeieinsätzen gegen Demonstranten beteiligt gewesen zu sein. Immer mehr wird die Forderung laut, dass Indien Ex-Premier Hasina auszuliefern habe.

Das Internationale Strafgericht Bangladeschs (ICT) hat mehrere Beschwerden gegen Hasina und ihre Anhänger erhalten, in denen ihnen Mord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Last gelegt werden. Das ICT hat daraufhin Ermittlungen eingeleitet. Studenten, die die Proteste angeführt hatten, fordern Hasinas Rückführung nach Bangladesch, damit sie dort vor Gericht gestellt wird.

Jasmin Lorch, leitende Forscherin am Deutschen Institut für Entwicklung und Nachhaltigkeit, sagte, Hasinas Regierung sei an "schweren Menschenrechtsverletzungen, außergerichtlichen Hinrichtungen und der gezielten Unterdrückung politischer Gegner" beteiligt gewesen, "die aufgeklärt und strafrechtlich verfolgt werden müssen".

"Angesichts der engen Beziehungen zwischen Indien und der Awami-Liga erscheint es unwahrscheinlich, dass die indische Regierung Sheikh Hasina ausliefert. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Ermittlungen nicht fortgeführt werden können", erklärte sie gegenüber der DW.

"Die derzeitige UN-Untersuchungsmission ist beispielsweise ein guter Anfang, weil sie unparteiisch ist und auch die Strukturen aufdecken will, die die Übergriffe ermöglicht haben", fügte Lorch hinzu. Die Untersuchungsmission des UN-Hochkommissars für Menschenrechte wurde nach Bangladesch entsandt, um den Vorwürfen über exzessive Gewaltanwendung durch die Sicherheitskräfte sowie weitere Menschenrechtsverletzungen während ihres Vorgehens gegen die Proteste nachzugehen.

Sheikh Hasina von der Awami-Liga war vom Januar 2009 bis August 2024 die Premierministerin von BangladeschBild: Saiful Islam Kallal/AP Photo/picture alliance

"Um Gerechtigkeit zu gewährleisten und zukünftige Menschenrechtsverletzungen zu verhindern, ist es entscheidend, auch die Rolle der Polizei, der Elitetruppe RAB und des Militärs bei der Unterdrückung und den Menschenrechtsverletzungen unter Sheikh Hasina zu beleuchten", sagte Lorch.

Führer der Awami League im Untergrund

Nachdem Sheikh Hasina nach Indien geflohen war, wurden andere Parteimitglieder im Zusammenhang mit den Protesten entweder verhaftet oder tauchten unter. Lokale Zeitungen berichteten, dass auch viele hochrangige Führer der Awami League in andere Länder geflohen seien. Die DW nahm Kontakt zu mehreren Parteiführern auf, doch sie lehnten es ab, mit der DW zu sprechen - aus Angst, dass ihr Aufenthaltsort bekannt werden könnte.

In einem Interview unmittelbar nach dem Sturz Hasinas erklärte ihr Sohn Sajeeb Wazed Joy gegenüber der DW, dass die Regierung im Umgang mit den Studentenprotesten "Fehler gemacht" habe. Er betonte jedoch auch, dass die Proteste "weit mehr angeheizt wurden, als es ursprünglich der Fall war".

"Unsere Parteimitglieder wurden im ganzen Land angegriffen", sagte er der DW und fügte hinzu, dass außerhalb von Dhaka "fast jedes Haus niedergebrannt wurde". Er betonte aber: "Was viele unterschätzen, ist, dass die Awami-Liga die größte politische Partei Bangladeschs ist. Sie ist nicht tot, sie ist nicht schwach".

Unter der Führung des Nobelpreisträgers Yunus will Bangladeschs neue Übergangsregierung Reformen in Justiz, Polizei und Finanzinstitutionen durchführen - eine Forderung vieler politischer Parteien und Studenten - bevor freie und faire Wahlen abgehalten werden. Während viele Parteien an den Diskussionen mit der Übergangsregierung über die Reformagenda teilnahmen, war die Awami-Liga nicht anwesend. 

Joy, der in Washington lebt, beschwert sich darüber: "Es ist unmöglich, legitime Reformen und Wahlen durchzuführen, wenn man die älteste und größte politische Partei ausschließt", sagte er letzte Woche der Nachrichtenagentur Reuters.

Experten fordern Reform der Awami-Liga

Experten sind jedoch der Ansicht, dass die Awami-Liga sich zunächst selbst reformieren muss, bevor sie an einem staatlichen Reformprozess teilnehmen kann. Der Partei wird vorgeworfen, während ihrer Regierungszeit die staatlichen Institutionen untergraben zu haben. "Es ist entscheidend, dass der Reformprozess inklusiv gestaltet wird", erklärte Lorch. Sie fügte hinzu: "Die frühere Awami-Liga-Regierung unter Sheikh Hasina war in schwere Repressionen und Menschenrechtsverletzungen verwickelt. Um Teil des Reformprozesses zu sein, muss die Partei sich selbst grundlegend reformieren."

Lorch betonte weiter, dass Führungskräfte und Funktionäre, die für Menschenrechtsverletzungen und Repressionen verantwortlich sind, zur Rechenschaft gezogen werden müssten. "Für glaubwürdige Wahlen ist es wichtig, dass Personen, die für Morde und andere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind, nicht kandidieren dürfen." Die eigentliche Reform der Awami-Liga werde jedoch sehr schwierig sein, da die Partei dynastisch geführt werde und Sheikh Hasina sowie ihre Familie die Partei stets dominiert hätten, fügte Lorch hinzu.

Der bangladeschische Politikanalyst Zahed Ur Rahman sieht keine Notwendigkeit, Hasinas Partei in den Reformprozess einzubeziehen. "Es wäre absurd, die Awami-Liga, die alle staatlichen Institutionen zerstört hat, in den Reformplan und dessen Umsetzung einzubinden", sagte er der DW. Rahman ist der Meinung, dass, eine Teilnahme der Partei an den kommenden Parlamentswahlen Fragen aufwerfen würde.

Er glaubt zudem, dass Hasina zu ihren Lebzeiten keine Chance auf eine Wiederbelebung ihrer Partei haben wird: "Sie wird das Stigma der Flucht mit sich tragen und ihre Parteiführer sowie Anhänger gefährden." Rahman vermutet, dass sie ihre letzten Lebensjahre im Exil verbringen wird. "Ich glaube nicht, dass sie nach Bangladesch ausgeliefert wird".

Aus dem Englischen adaptiert von Shabnam von Hein

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Arafatul Islam Multimedia-Journalist mit den Schwerpunkten Bangladesch, Menschenrechte und Migration@arafatul
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