1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
KonflikteBangladesch

Bangladeschs Präsident löst Parlament auf

6. August 2024

Nachdem Bangladeschs Regierungschefin Hasina ihren Posten geräumt hat, muss auch die Volksvertretung neu gewählt werden. Die Protestbewegung macht klar, wer das Land bis dahin führen soll.

Demonstranten versammeln sich vor dem Parlamentsgebäude in Dhaka
Anhänger der Protestbewegung umringen am Montag das Parlamentsgebäude in DhakaBild: MUNIR UZ ZAMAN/AFP/Getty Images

Einen Tag nach der Flucht der langjährigen Premierministerin Sheikh Hasina aus Bangladesch hat der Präsident des südasiatischen Landes das Parlament aufgelöst. Mohammed Shahabuddin kam damit einer zentralen Forderung der Studenten nach, die die wochenlangen Massenproteste gegen Hasinas Regierung angeführt hatten.

Kurz zuvor war die Oppositionsführerin und ehemalige Premierministerin Khaleda Zia aus dem Gefängnis freigelassen worden, wie ein Sprecher ihrer Partei Bangladesh National Party (BNP) bestätigte. Die Politikerin ist eine erbitterte Rivalin Hasinas. Zia war wegen Korruption verurteilt worden. Die Familien beider Frauen bestimmen die Politik Bangladeschs seit der Unabhängigkeit im Jahr 1971.

Armeechef kündigt Bestrafung für Morde und Gräueltaten an

Die seit 15 Jahren regierende Hasina hatte sich am Montag ins benachbarte Indien abgesetzt. Armeechef Waker-uz-Zaman kündigte eine Übergangsregierung an. Zugleich versprach er, diejenigen, die Morde und andere Gräueltaten verübt hätten, würden bestraft.

Ministerpräsidentin Sheikh Hasina - hier bei ihrer Vereidigung für eine fünfte Amtszeit im Januar - floh am Montag außer LandesBild: Munir uz Zaman/AFP/Getty Images

Bei den gewaltsamen Protesten waren laut Polizei mindestens 109 Menschen allein an diesem Tag getötet worden - es war der blutigste seit Beginn der Demonstrationen Anfang Juli. Der Nachrichtenagentur AFP zufolge, die sich auf eine eigene Zählung beruft, verloren seither insgesamt mehr als 400 Menschen ihr Leben - bei Zusammenstößen zwischen Protestierenden und Sicherheitskräften, aber auch zwischen Regierungsgegnern und -anhängern.

Quotenregelung als Auslöser der Proteste

Ursprünglich waren überwiegend Studenten auf die Straße gegangen, um eine Quotenregelung für die Vergabe von Jobs im öffentlichen Dienst zu kippen. Zunächst war vorgesehen, mehr als die Hälfte der Stellen für bestimmte Gruppen zu reservieren. Die Protestierenden sahen dadurch vor allem Anhänger der Regierungspartei begünstigt - stattdessen forderten sie, die Jobs nach Qualifikation und Leistung zu vergeben. Nach einem Urteil des Obersten Gerichts kam die Regierung dieser Forderung durch eine Quotenänderung in größerem Umfang nach.

Im Zuge der Proteste gab es heftige Zusammenstöße zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften - aber auch Vandalismus und Gewalt zwischen Regierungsgegnern und -anhängern (Archivbild)Bild: Munir uz Zaman/AFP/Getty Images

Doch die Demonstrationen wandten sich längst gegen Hasina selbst, die seit 15 Jahren die Macht in Händen hielt. Erst im Januar war sie offiziell für eine fünfte Amtszeit bestätigt worden - große Teile der Opposition hatten die Wahl allerdings mit Verweis auf massive Unterdrückungsmaßnahmen boykottiert. Tausende Regierungsgegner sitzen im Gefängnis; Meinungs- und Pressefreiheit wurden stark beschnitten.

Viele Arbeitslose, hohe Inflation

Trotz eines bemerkenswerten wirtschaftlichen Aufschwungs leiden große Teile der Bevölkerung unter hoher Inflation und Arbeitslosigkeit. Was als Studentenprotest begann, wurde vor diesem Hintergrund zu einer breiten Bewegung, der sich immer mehr Menschen anschlossen. Auch Filmstars, bekannte Musiker und ehemalige Generäle brachten ihre Unterstützung zum Ausdruck.

Die Protestbewegung pocht auf Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunis an der Spitze einer Übergangsregierung (Archivbild)Bild: Munir uz Zaman/AFP/Getty Images

Kurz nach Hasinas Flucht drangen zahlreiche Demonstranten in den Regierungspalast in der Hauptstadt Dhaka ein. Auch Häuser von Parteiangehörigen der bis zuletzt regierenden Awami-Liga wurden gestürmt und geplündert.

Die Protestbewegung machte unterdessen deutlich, dass sie eine Übergangsregierung unter Führung des Friedensnobelpreisträgers Muhammad Yunus anstrebe. Jeder andere Vorschlag werde nicht akzeptiert, sagte Nahid Islam, einer der Hauptorganisatoren der Studentenbewegung, in einem auf Facebook veröffentlichten Video. Es habe bereits Gespräche mit Yunus gegeben, der sich bereit erklärt habe, Verantwortung zu übernehmen, erklärte Islam weiter. Von Yunus selbst liegt bisher keine Stellungnahme vor.

Während die frühere Premierministerin Khaleda Zia - eine Erzrivalin der zurückgetretenen Regierungschefin Sheikh Hasina - aus dem Gefängnis freikam, geraten offenbar bestimmte Minderheiten des Landes unter verstärkten Druck (Archivbild)Bild: A.M. Ahad/picture alliance/AP Photo

Der EU-Botschafter in Bangladesch, Charles Whiteley, äußerte unterdessen seine tiefe Besorgnis angesichts von Berichten über mehrere Übergriffe gegen Randgruppen in dem muslimisch geprägten Staat. Betroffen seien Angehörige religiöser, ethnischer und anderer Minderheiten, schrieb Whiteley im Online-Netzwerk X. So wurden Zeugen zufolge Häuser und Geschäfte etwa von Hindus angegriffen.

jj/kle (dpa, afp, rtr)