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Investoren flirten mit Erneuerbaren

Tim Schauenberg
17. Januar 2020

Investitionen in Kohle, Gas und Öl werden zum Anlagerisiko. Immer mehr Banken und Fonds nehmen Abstand von fossilen Energieträgern. Immer häufiger stecken Investoren Geld in erneuerbare Energien. Beginnt ein Umdenken?

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Bild: picture-alliance/dpa/Imaginechina/X. Zhengyi

Eigentlich sollte das Kohlekraftwerk in der Nähe des Insel Archipels um die Insel Lamu dabei helfen, das Stromnetz im unterversorgten Norden Kenias auszubauen. Doch vor einem halben Jahr wurde das Projekt auf Eis gelegt. Ein kenianisches Gericht entschied, dass mögliche Umweltschäden für die Küstenregion neu geprüft werden müssen.

Nicht nur Aktivisten hatten im Vorfeld gegen das Projekt protestiert, auch mehrere Investoren und Banken erteilten dem Lamu-Kohlekraftwerk eine Absage. "Die Finanzierer sind sich der schlechten finanziellen Rendite dieser Projekte bewusst, insbesondere im Vergleich zu Projekten im Bereich der erneuerbaren Energien", heißt es in einem Statement von Omar Elmawi von der Kampagne "DeCOALonize".

In der kleinen Hafenstadt Lamu leben viele Menschen von der Fischerei oder vom Tourismus. Die Stadt wurde 2001 zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt. Umweltschützer sehen die Mangrovenwälder und die Wasserqualität durch das Kohlekraftwerk bedroht.Bild: picture-alliance/dpa
Menschen in Lamu gehen seit Jahren gegen einen geplanten Hafen auf die Straße. Zusammen mit dem Kraftwerk soll er die wirtschaftliche Entwicklung des Landes fördern. Viele Küstenbewohner befürchten dadurch die Zerstörung des Ökosystems vor Ort.Bild: Reuters

Aus Sicht von Kingsmill Bond, Finanzexperte beim Think Tank Carbon Tracker in London, entspricht das einem globalen Trend. "Investoren ziehen Geld aus diesen Sektoren ab, weil sie befürchten, dass sie am Ende mit wertlosen Vermögenswerten aus der Ära der fossilen Brennstoffe dastehen", sagt Bond im DW-Interview.

Risikoinvestition Öl, Gas und Kohle?

Global gesehen bestehe das größte finanzielle Risiko vor allem in der "strukturell sinkenden Nachfrage" nach fossilen Energieträgern. Die jährlichen Investitionen in fossile Energieträger und der Anteil fossiler Energien am globalen Strommix gehen seit 2010 zurück. 2018 wurden 279 Milliarden Dollar in erneuerbare Energien investiert - drei Mal so viel wie in Öl, Gas und Kohle zusammen, heißt es in einem Bericht der Forschungseinrichtung Bloomberg und dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (FS-UNEP Collaboration Center).

Gleichzeitig sinken die Renditen für fossile Energieträger, Renditen aus Erneuerbaren Energien sind immer profitabler. Seit 2009 sanken die Preise für Solarenergie laut der Internationalen Renewable Energy Agency (IRENA) um 80 Prozent - die für Windenergie zwischen 30 und 40 Prozent. 

 

Die Finanzwelt erwacht - langsam

Wer ein Kohlekraftwerk wie das bei Lamu bauen will, braucht Partner, Anteilseigner und natürlich Geld. Um den Klimawandel zu bremsen und solche Projekte von vornherein zu verhindern, fordert die Divestment-Bewegung seit 2012 Investoren und Institutionen dazu auf, kein Geld mehr in fossilen Energien anzulegen.

Spätestens seit 2015 steht das Thema Divestment auch in der Finanzwelt auf der Agenda. In einer richtungsweisenden Rede wies der Gouverneur der englischen Zentralbank Mark Carney auf die finanziellen Risiken des Klimawandels hin und forderte ein Umdenken im Finanzsektor. Das findet inzwischen zumindest teilweise statt.

Mark Carney, Gouverneur der Bank of England, machte 2015 auf die Risiken des Klimawandels für Banken und die Finanzwelt aufmerksamBild: Reuters/P. Wojazer

Laut Angaben der Divestment-Bewegung haben sich weltweit bereits über 1100 Institutionen, Banken und Investoren dazu verpflichtet, überhaupt nicht oder nur noch teilweise in fossile Energieträger zu investieren. Gemeinsam sollen sie über 12 Billionen Dollar kontrollieren. 2014 waren es gerade mal 52 Milliarden Dollar.

Dennoch: Im Bericht "Banking on Climate Change"  stellen mehrere NGOs fest, dass 33 weltweit operierende Banken seit 2015 insgesamt 1,9 Billiarden Dollar für das Geschäft mit fossilen Brennstoffen bereit gestellt haben. Tendenz in den letzten zwei Jahren: steigend.

Geht der Kohle bald die Kohle aus?

Bewegung am Markt gibt es trotzdem. Prominentestes Beispiel für die Abkehr von fossiler Energie im Finanzsektor ist der norwegische Pensionsfond. Ein Großteil der staatlichen Einnahmen aus der norwegischen Erdöl-Förderung fließen in den Fonds, der mit etwa einer Trillionen Euro der reichste Staatsfonds der Welt ist. Schon 2015 hatte das Land entschieden, künftig nicht mehr in Unternehmen zu investieren, die mehr als 30 Prozent des Gewinns mit Kohle verdienen. 2019 kam der Beschluss, weitere rund elf Milliarden Euro aus Öl- und Kohleunternehmen abzuziehen. Gleichzeitig sollen Milliarden in erneuerbare Energien investiert werden.

Auch der Pensionsfond von New York City will in den nächsten Jahren sein Geld nicht mehr in fossile Energien stecken. Er verwaltet insgesamt 200 Milliarden Euro.

Aus Sicht von Brett Fleishmann, als Finanzexperte bei der Divestment-Bewegung aktiv, befindet sich die gesamte Industrie für fossile Energie zurzeit an einem "Kippmoment". Er glaubt, dass es für die Unternehmen in Zukunft immer schwieriger wird, an günstige Kredite zu kommen.

Dazu passt das Beispiel des Börsengangs des saudischen Ölkonzerns Aramco Anfang Dezember. "Aramco dachte, es wär sehr beliebt im Westen. Das war es aber nicht, weil Investoren kein Geld in diesen Bereich investieren wollen", sagt Kingsmill Bond.

Aramco hat einen Marktwert von rund zwei Billionen Dollar und ist damit noch vor Apple und Google das wertvollste Unternehmen der Welt. Bei seinem Börsengang im Herbst 2019 hat das Unternehmen allerdings zunächst weniger Anteile verkauft als geplant. Anleger, vor allem aus dem Ausland, hielten sich zurück. Eine Investition in einen Öl-Konzern wie Aramco hätte nämlich "erheblichen Einfluss auf die Entwicklung der CO2-Emissionen im Portfolio der Unternehmen", sagt Tim Love von der Schweizer Vermögensberatung GAM.

Die Sorge der Unternehmen: Da Regierungen weltweit darüber nachdenken, Steuern auf direkte oder indirekte CO2-Emissionen einzuführen - etwa durch Anteile an einem Unternehmen wie Aramco - könnten sich Investitionen in Produkte mit hoher CO2-Bilanz nicht mehr lohnen.

Börsenhändler an der saudischen Börse: Bereits zwei Tage nach dem Börsendebüt stieg BGesamtwert Aramcos auf über zwei Billionen Dollar und machte den Öl-Giganten zum wertvollsten Unternehmen der Welt Bild: picture-alliance/AP Photo/A. Nabil

Genau dies ist laut des Thinktanks Sandbag zumindest im ersten Halbjahr 2019 bei vielen Kohlekraftwerken in Europa eingetreten. Unter anderem aufgrund der Einführung der CO2-Steuern seien die Gewinne in der Branche eingebrochen. In Deutschland und dem Vereinigten Königreich machten einige Kraftwerke sogar Verluste.

Mit 114 Euro pro Tonne CO2 ist Schweden weltweit Vorreiter bei der Bepreisung des klimaschädlichen Gases.

Zentralbanken sehen Risiken und wollen umsteuern

Wie weit die Appelle der Divestment-Bewegung bereits in die Schaltzentralen des Finanzwesens vorgedrungen sind, zeigt das 2017 gegründete "Network for greening the financial system". Das Forum von Zentralbanken und Bankenaufsichten weltweit will Antworten auf die Herausforderungen und Risiken des Klimawandels finden. Während die USA nach dem Ausstieg aus dem Pariser Klima-Abkommen kein Teil des Netzwerks sind, ist die Europäischen Zentralbank (EZB) Mitglied der Initiative. Umweltschutz gehörte bisher nicht zu ihren Aufgaben. Dies könnte sich nun ändern.

Die neue Chefin der Europäischen Zentralbank Christine Lagarde will sich mehr mit dem Klimawandel befassen - bisher war die EZB vor allem für die Stabilität des Euro zuständigBild: Reuters/R. Orlowski

"In unserer strategischen Überprüfung werden wir uns mit dem Klimawandel befassen [...] und sehen, wo und wie wir uns an diesem besonderen Vorhaben beteiligen können", sagte die neue Präsidentin der EZB, Christine Lagarde, im Dezember 2019.

Kingsmill Bond rät Investoren jedenfalls "einen sehr genauen Blick" auf die Aktien werfen, die man im Bereich fossiler Brennstoffe hat. "Denn nicht wenige von ihnen [Anm. der Redaktion: den Unternehmen] werden von der Geschwindigkeit des Wandels überrumpelt werden."

Der Bau des Kohlekraftwerks bei Lamu sollte eigentlich 2015 starten, der Strom spätestens 2020 fließen. Ob und wann überhaupt weitergebaut wird, ist bisher ungewiss. Bagger rollen dort jedenfalls bis auf Weiteres nicht an.

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