Nachbeben
16. September 2008Der Dow-Jones-Index in New York sank am Montag (15.09.2008) auf 10.917,51 Punkte, ein Minus von 504,48 Punkten oder 4,42 Prozent. Der technologie-orientierte Nasdaq gab um 81,36 Punkte (3,60 Prozent) auf 2179,91 Punkte nach. Die Auswirkungen auf andere Börsen waren heftig: Die Börse von Toronto gab um gut vier Prozent nach, São Paulo als größter Handelsplatz in Südamerika verlor 7,59 Prozent. Die großen Börsen in Asien wurden am Dienstag (16.09.2008) vollständig von der Krise erfasst, nachdem sie am Montag wegen eines Feiertags geschlossen hatten. Am zweiten Finanzplatz der Welt, Tokio, sank der Nikkei-Index um 5,06 Prozent.
"Als Ganzes beinträchtigt"
Die Krise werde "unausweichlich die US-Nachfrage für japanische Exportprodukte herunterziehen und damit die japanische Wirtschaft als Ganzes beeinträchtigen", sagte der Minister für Wirtschafts- und Finanzpolitik, Kaoru Yosano. Die japanische Zentralbank versuchte am Dienstag, die Märkte zu stabilisieren. Am Vortag hatten bereits die Europäische Zentralbank 30 Milliarden Euro und die Britische Zentralbank umgerechnet 6,3 Milliarden Euro sowie die US-Zentralbank ("Fed") 70 Milliarden Dollar (knapp 50 Milliarden Euro) in den Markt gepumpt, um den Abwärtstrend zu stoppen. Die Bank of Japan pumpte in zwei Schritten insgesamt 2,5 Billionen Yen (16,5 Mrd Euro) in den Geldmarkt des Landes. Notenbankgouverneur Masaaki Shirakawa erklärte, sein Institut werde sich weiterhin bemühen, die Märkte zu stabilisieren. Die Situation der US-Banken und die Auswirkungen der Krise würden genau verfolgt.
Nach Ansicht von Finanzminister Bunmei Ibuki wird Japans Finanzsystem keinen schweren Schaden erleiden, auch wenn einige Banken des Landes Kreditforderungen an der insolventen amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers haben. Angesichts der Eigenkapitallage der japanischen Finanzhäuser gäbe es jedoch keinen Grund, sich über das Finanzsystem Sorgen zu machen, wurde Finanzminister Ibuki weiter zitiert.
Barclay interessiert an Lehmann
Die britische Barclays-Bank hat unterdessen am Dienstag ihr Interesse an Teilen von Lehman Brothers bekundet. Barclays war auch schon an den Verhandlungen am Wochenende in den USA über eine mögliche Übernahme beteiligt, hatte diese Gespräche dann aber beendet. An welchen Teilen von Lehman Brothers die Briten interessiert sind, teilten sie nicht mit.
Lehman Brothers hatte am Montag Gläubigerschutz beantragt, so dass die Gläubiger ihr Kapital nicht mehr abziehen können. Zudem wurde die angeschlagene Bank Merrill Lynch von der Bank of America übernommen. Auch der angeschlagene Versicherungsriese AIG steckt in Schwierigkeiten, der Kurs brach in New York um mehr als 60 Prozent auf 4,76 Dollar ein. Die Rating-Agenturen Standard & Poor's, Moody's und Fitch stuften am Montagabend (Ortszeit) die Kreditwürdigkeit von AIG herab. Die Behörden des Staates New York erteilten eine Sondergenehmigung, um AIG zusätzliche Liquidität im Umfang von 20 Milliarden Dollar zu verschaffen.
Weiter nach unten
Am Dienstagmorgen haben auch die europäischen Handelsplätze weitere Kursverluste verzeichnet. An der Frankfurter Börse verlor der Dax 0,8 Prozent und fiel auf 6017 Punkte. Am Montag war der deutsche Leitindex als Reaktion auf die Finanzkrise in den USA bereits um 2,7 Prozent gefallen. Der Leitindex FTSE-100 der Londoner Börse sackte am Dienstagmorgen nach Handelsbeginn um 1,5 Prozent auf 5127 ab. Auch in Paris gab der Leitindex CAC-40 nach. Der Index fiel nach Börseneröffnung um 1,7 Prozent auf 4098 Punkte.
Obama: "Schlimmste Krise seit 1929"
Auch im US-Präsidentschaftswahlkampf spielt die Finanzkrise zusehends eine Rolle. Während sich der demokratische Kandidat Barack Obama für eine Intervention des Staates einsetzte, begrüßte sein republikanischer Rivale John McCain, dass keine Steuergelder zur Rettung von Lehman Brothers ausgegeben würden. Die "fundamentalen" Daten der Wirtschaft in den USA seien "solide", sagte McCain, die Krise sei auf "Partikularinteressen, Raffgier, Verantwortungslosigkeit und Korruption" zurückzuführen.
Obama erklärte hingegen, die Krise sei die Quittung für "acht Jahre Politik, die den Verbraucherschutz durchlöchert" habe. Während die Spitzenmanager hohe Einkommen kassierten, sei "die Mittelklasse" vernachlässigt worden. Dies habe "die schlimmste Finanzkrise seit der Großen Depression" von 1929 heraufbeschworen. (sams)