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Politik

Barcelona: Streit über Terror-Fahndung

19. August 2017

Widersprüchliche Einschätzungen nach den Anschlägen in Spanien: Der Innenminister hält die Gefahr für gebannt, doch Ermittler geben keine Entwarnung. In Deutschland wird über Poller gegen Lastwagenattacken diskutiert.

Barcelonal Polizei Sicherheit Terror Anschlag
Bild: picture-alliance/Photoshot/M. Balk

Die spanische Regierung will ab sofort die Sicherheitsvorkehrungen verschärfen. Damit reagiert sie auf die Anschläge in Katalonien. Die Terrorwarnung bleibt dagegen auf Warnstufe 4 - das ist die zweithöchste und sie gilt bereits seit zwei Jahren. Sie bedeutet, dass ein "erhebliches Risiko eines terroristischen Anschlags" besteht.

Uneinigkeit besteht indes über die Ermittlungserfolge. Spaniens Innenminister Juan Ignacio Zoido versicherte: "Wir können sagen, dass die Zelle von Barcelona total zerschlagen ist." Er begründete seine Einschätzung damit, dass fast alle mutmaßlichen Mitglieder der Terrorzelle getötet oder festgenommen worden seien.

Die Polizei und die katalanische Regionalregierung äußerten jedoch Zweifel an dieser Einschätzung. Der Haupttäter von Barcelona sei möglicherweise noch auf freiem Fuß. Es werde noch nach zwei oder drei Verdächtigen gefahndet, betonte der katalanische Innenminister Joaquim Forn. Solange dies der Fall sei, könne von einer Zerschlagung der Gruppe keine Rede sein.

Die Ermittler ordnen der Gruppierung drei Vorfälle zu: Den schweren Anschlag mit einem Kleintransporter auf Barcelonas Flaniermeile Las Ramblas, einen vereitelten Angriff wenige Stunden später in der Küstenstadt Cambrils und die Explosion in einem Wohnhaus in der Ortschaft Alcanar. Bei den Anschlägen sind insgesamt 14 Menschen getötet und über 100 Personen verletzt worden.

Haupttäter vermutlich weiter flüchtig

Medienberichten zufolge sucht die Polizei zurzeit mit Hochdruck vor allem nach einem flüchtigen Marokkaner, der als Haupttäter den Lastwagen in die Menschenmenge gesteuert haben könnte. Der 22-Jährige stamme aus der Kleinstadt Ripoll rund 100 Kilometer nördlich von Barcelona. Er sei der Bruder eines der getöteten Terrorverdächtigen von Cambrils. Dort hatten Sicherheitskräfte bei einem Antiterror-Einsatz in der Nacht zum Freitag fünf Verdächtige erschossen.

Die Ermittler gingen davon aus, dass die Attacken in Barcelona und Cambrils von einem Netzwerk von insgesamt zwölf Personen verübt wurden. Neben den fünf Erschossenen wurden vier Verdächtige festgenommen: drei Marokkaner und eine Person aus Melilla, der von Marokko umgebenen spanischen Enklave.

Erhöhte Sicherheit: Polizisten auf der Flaniermeile Las RamblasBild: Getty Images/C. Court

Ein oder möglicherweise zwei weitere Verdächtige könnten am Mittwoch bei einer Explosion in dem Wohnhaus in Alcanar südlich von Tarragona umgekommen sein. Die Beamten vermuteten, dass die Gruppe dort Sprengstoff lagerte und ein noch größeres Attentat als das in Barcelona vorbereitete. Die Zeitung "La Vanguardia" berichtete, die Terrorzelle habe in dem Wohnhaus drei Autobomben präparieren wollen. Der mutmaßliche Haupttäter könnte indes bereits die Grenze nach Frankreich überquert haben.

Der sogenannte "Islamische Staat" hat mittlerweile beide Anschläge für sich reklamiert. Bisher hatte die Terrormiliz sich lediglich zu dem Angriff in Barcelona bekannt. Am Samstag ließ sie im Internet verlauten, mehrere Glaubenskämpfer hätten in zwei Gruppen "Kreuzfahrer" ins Visier genommen - gemeint ist das von den USA geführte Bündnis, das die Extremisten im Irak und in Syrien bekämpft. Die Echtheit der Erklärung ließ sich zunächst nicht verifizieren.

Poller und Sperren für Sicherheit in deutschen Städten

Der Terror in Spanien hat in Deutschland erneut eine Debatte darüber entfacht, ob und wie Großstädte vor Attacken mit Fahrzeugen gesichert werden können. Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) forderte, Innenstädte durch bauliche Maßnahmen wie Betonpoller besser zu schützen.

Nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Berlin - hätten Poller ihn verhindert?Bild: picture-alliance/dpa/R.Freund

Der Deutsche Städtetag unterstützt das ausdrücklich. Sein Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy warnte jedoch auch davor, die Stadtgestaltung von der Gefahr leiten zu lassen. "Unsere Städte müssen Orte des Zusammenlebens bleiben, in denen man sich nicht ständig mit Misstrauen begegnet", sagte Dedy den "Stuttgarter Nachrichten" und der "Stuttgarter Zeitung". Kritisch äußerte sich auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund: Städte dürften nicht zu "Festungen" ausgebaut und Sicherheitskonzepte müssten "maßvoll umgesetzt" werden, so Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg in der "Heilbronner Stimme".

Deutsche Großstädte reagieren unterschiedlich auf die Vorschläge. München etwa hat die Sicherheitsvorkehrungen für das Oktoberfest erneut angepasst und verschärft - allerdings schon vor Barcelona. Als Konsequenz aus früheren Anschlägen mit Lastwagen in Nizza, Berlin und London wird der Lieferverkehr dieses Jahr noch strenger kontrolliert. In Stuttgart und anderen Städten Baden-Württembergs seien bei Veranstaltungen bereits tonnenschwere Fahrzeuge im Einsatz gewesen, die als Hindernisse Attentate mit Fahrzeugen verhindern sollten, sagte Landesinnenminister Thomas Strobl (CDU). Auch in Frankfurt werden bei großen Festen bereits Betonpoller an Zufahrten aufgestellt. Andere Städte wie Hamburg, Bremen und Nürnberg haben derzeit keine konkreten Pläne, Poller oder Blockaden zu errichten.

Am Samstag lagen noch 50 Menschen in Kliniken in Barcelona und vier in Cambrils. Zwölf Patienten seien in kritischem Zustand, 25 weitere schwer verletzt, teilten die katalanischen Notfalldienste mit.

Außenminister Gabriel gedenkt der Opfer

Zu den Verletzten gehören auch 13 Deutsche. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel hat sie bei seinem Solidaritätsbesuch in Spanien im Krankenhaus besucht. Der Anschlag "richtet sich gegen die freie Welt, gegen das, was wir unter einem demokratischen Zusammenleben verstehen", betonte Gabriel. Das seien "feige Mörder, aufgehetzt offenbar durch die Propaganda von Fanatikern". Spanien bleibe jedoch ein sicheres Touristenziel. "Wir sind ganz sicher, dass Spanien nach wie vor ein Reiseland ist, bei dem wir keinerlei Warnungen aussprechen müssen", sagte Gabriel. Er betonte aber auch: "Es gibt keine absolute Sicherheit."

Am Samstag legte der deutsche Außenminister weiße Rosen am Tatort an der Flaniermeile nieder. Mit Kerzen, Blumen und Stofftieren haben viele Menschen seit Freitag in Barcelona der Opfer des Terroranschlags gedacht.

hin/HF (dpa, afp, rtr)

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