1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Barcelona will digitaler werden

Stefanie Claudia Müller z.Zt. Barcelona
23. April 2021

Die Katalanen sind schon immer ihren eigenen Weg gegangen. In der Pandemie versuchen sie, durch Digitalisierung und Umbau der Stadt den Weg aus der Krise zu finden. Aber es fehlt an Geld.

Barcelona Hafen Kreuzfahrtschiffe
Bild: picture-alliance/Anka Agency International

Die Architektin Bárbara Pons wird in Barcelona unter den Kollegen fast wie ein Star gefeiert. Noch ist sie weit von Gaudís Erfolgen entfernt, aber für Spanien, das bis jetzt nicht für nachhaltige Stadtplanung bekannt war, könnten die Ideen der Umweltaktivistin einige Änderungen bedeuten.

Wer durch Spanien fährt, stößt viel häufiger auf Bausünden als auf durchdachte Konzepte. Katalonien stach dabei schon immer wohltuend aus der Masse der hässlichen Hochhäuser und verbauten Strände hervor. Pons will Barcelona nun zum Pionier in Sachen urbaner Planung machen. Bis 2030 sind milliardenschwere Projekte im Rahmen des europäischen "Green Deal" geplant. "Wir sind besonders stark vom Klimawandel bedroht und müssen schnell Konzepte finden, wie wir uns vor Überschwemmung und anderen Phänomenen retten können", sagt Pons über die am Mittelmeer gelegenen Stadt.

Schön ist anders: die verbaute Strandpromenade von Alicante in SpanienBild: Gianni Ferrari/Cover/Getty Images

Barcelona als digitale Hauptstadt Europas

Trotz der Pandemie setzt Spanien wieder auf Messen. So soll auch die weltweit wichtigste Mobilfunkmesse, Mobile World Congress, die für Ende Juni in Barcelona geplant ist, Investitionen generieren.

2020 fiel der Mobile World Congress coronabedingt aus. Dieses Jahr soll er Ende Juni stattfindenBild: DW/J. Alonso

Nach einer Studie der Boston ist Barcelona schon jetzt eine von Europas digitalen Hauptstädten. Weltweit liegt sie demnach an fünfter Stelle, wenn es darum geht, digitale Fachkräfte anzuziehen. Mit Investoren wie Seat, HP, Cisco und Telefónica möchte die Stadt ihre Smart City- und Industrie 4.0-Kompetenzen weiter ausbauen. So sollen Jobs geschaffen und weitere internationale Talente gewonnen werden.

Einen Schub wird auch von der weltweit wichtigsten Messe für audiovisuelle Systeme, Integrated Systems Europe (ISE), erwartet. Sie findet 2021 zum ersten Mal in Barcelona statt und macht die Metropole zum 5G-Hub für Südeuropa.

Umbau trotz hoher Verschuldung

Wenn es darum geht, Innovation und Tradition miteinander zu verbinden, waren die Katalanen schon immer besser als Madrid. Barcelonas bekanntester Stadtplaner Ildefonso Cerdà ordnete unter anderem im 19. Jahrhundert die Gebäude und Wege ähnlich wie in New York in sogenannte "manzanas" (Äpfel) an. Heute dient diese Struktur als Grundlage, um einzelne Stadtteile zu begrünen und um den Verkehr dort zu reduzieren.

Während die Umsetzung von Cerdàs Plan aus dem Jahr 1860 fast 100 Jahre dauerte, soll es diesmal schneller gehen. Allerdings ist schon jetzt ist die Pro-Kopf-Verschuldung der Region nach Angaben der EAE Business School die höchste des Landes. Zudem haben Separatisten und Systemgegner einen Teil der ausländischen Investoren vergrault. Das Geld floss in den vergangenen Jahren vor allem nach Madrid. Zwei Milliarden Euro aus dem Hilfspaket aus Brüssel konnten jedoch bereits für das Vorhaben reserviert werden, berichtet Felix Ortega, Chef der Wirtschaftsagentur "Barcelona Activa", die Hand in Hand mit Pons an der Umsetzung arbeitet.

Umbau auch während der Pandemie

Barcelonas Bürgermeisterin Ada Colau hat die Pandemie genutzt, um das Image der Stadt wieder aufzupolieren und auch das eigene, dass mit der Sympathie für Separatisten, Hausbesetzern und Monarchie-Kritikern ramponiert worden war. Die linke Aktivistin lieβ in den vergangenen Monaten neue Fahrradwege einrichten, pflanzte Bäume und sorgte dafür, dass leerstehende Gebäude neu genutzt werden, um die Stadt so für die Einwohner lebenswerter zu machen.

Die Bürgermeisterin von Barcelona: Ada ColauBild: Getty Images/AFP/J. Lago

Ihrem Stellvertreter, dem Sozialdemokraten Jaume Collboni und seiner Beraterin Pons lässt sie weitgehend freie Hand, die "Green Deal"-Politik des Premiers Pedro Sánchez in dem für Spanien wichtigen Automobilstandort Barcelona zügig durchzusetzen. Die Stadt wartet in diesem Zusammenhang noch auf die definitive Zusage von Volkswagen, dort mit Seat eine Batterie-Fabrik zu bauen.

Mit den Touristen fehlen die Einnahmen

Ohne die Touristen geht es noch nicht – das hat die Corona-Pandemie eindrücklich gezeigt. Daran haben auch die Diversifizierungs-Anstrengungen der vergangenen Jahre wenig geändert. Selbst der im Zentrum auf der beliebten Einkaufsstraßeβe "La Rambla" angesiedelte überdachte Wochenmarkt "La Boquería", wo auch Star-Gastronomen wie Ferran Adrià einkaufen gehen, ist zu 80 Prozent abhängig von Touristen wie eine Marktfrau berichtet. Wären die Standpreise nicht sehr günstig im Vergleich zu den Geschäftsmieten anderer Gegenden, hätten hier schon viele aufgeben müssen in den vergangenen Monaten, sagt sie.

Wenig Kunden auf Barcelonas Markt BoqueriaBild: David Ramos/Getty Images

Barcelona und der nahegelegene Flughafen, in dem 2019 noch 53 Millionen Menschen abfertigt wurden, wirken leer im Vergleich zur Hauptstadt Madrid, wo es de facto abgesehen von einer Speerstunde um 23 Uhr kaum Pandemie-Restriktionen gibt. Einige Katalanen begrüßen, dass Colau die Gesundheit vor die Wirtschaftsinteressen gestellt hat, andere leiden unter den Konsequenzen. "Allein rund um die Hauptverkehrsstraβe Via Laietana stehen inzwischen 5000 Lokale leer", berichtet Pons. Diese sollen nun für internationale digitale Startups und Talente bereitgestellt werden. "Wir wollen vor allem die unteren Ladenzeilen wieder besetzen, weil das auch für die Sicherheit wichtig ist", erklärt die Stadtplanerin.

und so sah es auf La Ramblas vor Corona aus...Bild: Getty Images/D. Ramos
Barcelonas bekannteste Flaniermeile La Rambla ist derzeit nicht nur im Morgengrauen wenig besuchtBild: Jordi Boixareu/ZUMA/picture alliance

Barcelonas Kriminalität hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Mehr Polizisten in der Stadt sollen auch verhindern, dass Geschäfte wie in den Vorjahren durch Randale zerstört werden.

Mit Geld und Jobs die Separatisten beschwichtigen

Auch wenn Pons "Green Deal"-Pläne im aktuellen Kontext der Pleitewellen etwas utopisch wirken, hat die Stadt bereits erfolgreiche Erfahrung mit dem wirtschaftlichen Umbau von Fabrik-Gebäuden gemacht. So wurde aus dem Olympischen Dorf ein Ausgehviertel und aus dem industriellen Poblenou der inzwischen boomende Digital-Distrikt 22@.

Die Architektin Bárbara PonsBild: Team von Barbara Pons

 "Wir müssen nun auch überlegen, wie die Veränderung des Meerespiegels Barcelona beeinflussen wird", sagt Collboni. Am Hafen wurden bereits Umbauten in Auftrag gegeben, die Überschwemmungen der Marina verhindern sollen.

Auf die Frage, wer seine ganzen Projekte finanzieren soll, kann der stellvertretende Bürgermeister zwar nicht klar antworten, aber zumindest hat der Sozialdemokrat bereits eine klare Vorstellung von den Touristen, die sich ab nächstem Jahr in Barcelona wünscht. "Aus Nachhaltigkeitsgesichtspunkten sind für uns Qualitätsurlauber wichtig, die unsere Umwelt respektieren und nicht nur solche, die viel Geld ausgeben", sagt er. Auf den in diesem Zusammenhang wenig dankbaren Kreuzfahrttourismus kann die Stadt dennoch wirtschaftlich noch nicht verzichten, gibt seine rechte Hand Pons zu.

 

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen