Barfuß zu Gott
4. August 2023Ich trage in mir eine leise Sehnsucht. Sie flüstert vom rauschenden Meer, den hohen Bergen und glasklaren Seen, von Wäldern und Buchten, in denen der Himmel sich im Wasser spiegelt. Manchmal schließe ich mitten im Alltag die Augen, blende alles um mich herum aus und tauche ab. Dann sehe ich einen See vor meinem inneren Auge, umgeben von Blumenwiesen, lege mich hinein ins satte Grün und kaue an einem Grashalm. Oder ich tauche in Gedanken mitten ins Meer hinein, schwimme bis auf den sandigen Grund und lasse meine Hände über den Meeresboden gleiten, das kühle Wasser um meinen Körper und außer mir nichts außer ein paar kleiner Fischlein.
Die Natur ist Gottes Geschenk an uns. Ich erinnere mich an meine Messdienerzeit, als wir jedes Mal vor dem Gottesdienst gesagt hatten: "Unsere Hilfe ist im Namen des Herrn, der Himmel und Erde erschaffen hat." (Psalm 124,8)
Aber gerade im trubeligen Alltag vergesse ich das immer wieder, Sie kennen das vielleicht: Am Wochenende steht oft anderes auf der "To-do-Liste", immerzu eile ich, sitze an Bildschirmen, eingetaucht in blaues Licht oder laufe über den Asphalt und durch Einkaufszentren. Bis ich irgendwann völlig erschöpft bin. Dabei muss es so nicht sein. Kraft lässt sich ganz einfach zwischen Bäumen, auf Wiesen oder an Ufern tanken.
"Wenn das Meer ruft, muss man folgen"
Neulich habe ich mich mit meiner Familie aufgerafft. Wir sind, einfach so, ohne Grund am Wochenende an die Ostsee gefahren. Eine Stunde im Auto und schon war es geschafft. Natürlich - es musste einiges zurückgelassen werden. Der berühmte Samstagseinkauf, der Haushalt und die Wäsche. Alles egal, uns dürstete nach der Meeresbrise. "Wenn das Meer ruft, muss man folgen", rief meine kleine Tochter vergnügt, als wir auf die Autobahn fuhren. Und sie hatte - wie so oft - recht.
Das Gefühl, wenn die bloßen Füße den Sand berühren ist einfach nur grandios. Fast im Moment setzt Entspannung ein. Die Möwen segeln dicht über den Köpfen und es riecht nach Fisch. So einfach geht das. Der Mensch braucht wenig.
Dieser Tag am Meer war für uns alle sehr erholsam. Natürlich schworen wir uns auf der Heimfahrt, die Haare zerzaust, das Fischbrötchen in der Hand und das Auto voll Sand, ganz bald wieder ans Meer zu fahren. Am besten schon nächstes Wochenende. Aber haben wir das dann auch getan? Ehrlich gesagt: nein. Der Alltag hatte uns im Nu wieder im Griff und die Wochenenden sausten nur so dahin.
Die Natur umgibt uns. Sie ist immer da.
Das Leben ist rasend schnell. Wer da regelmäßig auftanken will, kann nicht immer auf ein freies Wochenende warten, oder die Urlaubszeit. Es ist besser der Sehnsucht nach Erholung im Grünen im Alltag immer wieder zu folgen - in kleinen Häppchen.
Die Natur umgibt uns. Sie ist immer da. Und es ist so einfach, mal einen Abend lang den Fernseher ausgeschaltet zu lassen und sich auf den Balkon zu setzen oder auf die nächste Wiese, mit einer Picknickdecke. Warum nicht mal das Handy weglegen und die Wolken zählen oder gucken, wie viele Gänseblümchen unter die Fußsohle passen? Gerade jetzt im Sommer ist die Schöpfung für uns leicht erfahrbar. Wir können uns an einen Baum setzen oder ohne Schuhe über den Waldboden gehen - mit dem Bewusstsein, dass Gott all das erschaffen hat.
Wer sich darüber klar wird, versteht die eigene Sehnsucht im Herzen, die von wundervollen Orten in der Natur wispert. Denn all die Blumen, Wiesen, Felder und Meere sind sein Werk. Randvoll wird dann das Herz mit Dankbarkeit für diese ganze Schönheit und Pracht.
Katja Schmid ist Journalistin und Radiomoderatorin arbeitet derzeit bei der Neuen Kirchenzeitung und als freie Autorin in Hamburg.