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GesellschaftDeutschland

Computerspiele ohne Grenzen

30. Juli 2021

Ob spezielle Game Controller, Untertitel oder akustische Hinweise für blinde Spielerinnen und Spieler: Barrierefreiheit in Games ist auf dem Vormarsch, auch wenn längst noch nicht alles großartig ist.

Man mit Spielkonsole
Bild: Fleig/Eibner-Pressefoto/picture alliance

"Ich habe in der Kindheit gespielt, da hatte ich vor allem ein Super Nintendo und einen Game Boy Color", erzählt Melanie Eilert. Damit könnte sie heute nicht mehr spielen, sagt die 33-Jährige, denn sie hat eine fortschreitende Muskelschwäche. "Mit Fortschreiten meiner Behinderung konnte ich die Konsolen irgendwann nicht mehr gut bedienen. Es war immer anstrengender, Spiele zu spielen. Und es hat keinen Spaß mehr gemacht. Dann habe ich lange Zeit nicht mehr gespielt und bin jetzt seit ungefähr 2017 wieder dabei und kann jetzt wieder ganz gut spielen, weil es mehr Einstellungsmöglichkeiten und auch individualisierbare Controller gibt."

Melanie Eilert ist Aktivistin und Bloggerin für Barrierefreiheit im Gaming.Bild: Anna Spindelndreier

Melanie Eilert ist 33 Jahre alt und endlich wieder dabei. Sie spielt nicht nur leidenschaftlich, sondern schreibt auch darüber und setzt sich für Barrierefreiheit in Computer- und Konsolenspielen ein. 

Die Zeiten, in denen Gaming als eine Freizeitbeschäftigung für lichtscheue Jungs in Kellern galt, sind längst vorbei. Auch das Image, dass Computerspiele gewaltbereite Psychopathen hervorbringen, pflegt kaum noch jemand. Knapp die Hälfte aller Menschen in Deutschland spielt Computerspiele und von denen sind auch wiederum fast die Hälfte Frauen. 

Langsam nimmt die Gaming-Industrie auch immer stärker Menschen mit Behinderung als Zielgruppe wahr. Das liegt nicht zuletzt an Menschen wie Melanie Eilert, die sich medienwirksam für barrierefreies Gaming einsetzen.

Hören, Sehen, Verstehen, Steuern

Doch wo liegt eigentlich das Problem beim Zocken mit Behinderung?

Gaming ohne Grenzen LogoBild: Gaming ohne Grenzen

Das Projekt Gaming ohne Grenzen von der Fachstelle für Jugendmedienkultur NRW versucht das herauszufinden. Gemeinsam mit Jugendlichen in inklusiven Einrichtungen testen Experten Spiele und suchen Wege, wie möglichst alle mitspielen können. 

Projektleiterin Saskia Moes teilt die Hürden beim Gaming für alle in vier Bereiche ein: Im Bereich Hören geht es um Fragen wie: "Hat das Spiel Untertitel? Werden akustische Hinweise auch optisch gegeben?"

Im Bereich Sehen überprüfen die Fachleute zum Beispiel Kontraste oder untersuchen, ob es Audio-Hinweise gibt, die Menschen mit Seheinschränkung das Spiel erleichtern. "Wie komplex ist die Handlung oder gibt es schwer lösbare Rätsel", sind Fragen aus dem Bereich Verstehen. 

Saskia Moes (oben links), Dennis Winkens (oben rechts) mit dem QuadStick, Melanie Eilert (unten rechts), und Karolina Albrich (unten links) sind Gamer und Aktivisten für Barrierefreiheit in Computerspielen.Bild: Gaming ohne Grenzen

"Lässt sich das Spiel auch mit motorischer Einschränkung spielen oder anpassen", sind Fragen aus dem Bereich Steuern.

Die Ergebnisse der Tests veröffentlichen die Spieleprüfer dann auf der Webseite www.gaming-ohne-grenzen.de

Allerdings tun sie das hier nur für Spiele mit Freigabe für Kinder und Jugendliche.

Wer sich für die Barrierefreiheit von ausgewiesenen Erwachsenenspielen interessiert, ist bei www.gamingmithandicap.de besser aufgehoben. 

Die Seite wird von Michael und Dominik Bartsch betrieben. Die beiden Zwillingsbrüder bieten Tipps für Hardware und Einstellungen. Und man kann den beiden, die mit Muskeldystrophie leben, beim Zocken zuschauen.

Barrierefreie Game Controller

Dennis Winkens war, wie er selbst sagt, Gamer von Anfang an. Er spielte zuhause auf verschiedensten Konsolen, bis er durch einen Unfall mit 17 Jahren so gelähmt wurde, dass er bis heute nur Kopf und Schultern bewegen kann. 

Dennis Winkens ist Gaming Aktivist. Auf seinem Portal Wheelyworld berichtet er über Barrierefreiheit in Konsolen- und Computerspielen.Bild: Privat

Mit Gaming war es dann erst einmal für zehn Jahre vorbei. Es gab einfach keine Hardware, die er bedienen konnte. Seit einigen Jahren benutzt Winkens nun den QuadStick, eine speziell für das Gaming entwickelte Mundmaus, mit der er zwar nicht Weltmeister werden kann, aber durchaus in der Lage ist auf üblichem Niveau mitzuhalten.

Melanie Eilert, die noch die rechte Hand bewegen kann, nutzt den Adaptive Controller, ein Gerät, dass das einhändige Spielen erleichtert. Beide profitieren allerdings auch davon, dass Konsolen, aber auch die Spiele selbst sich inzwischen besser auf die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung anpassen lassen.

Der Xbox Adaptive Controller von Microsoft eröffnet Gamern mit Einschränkung neue Möglichkeiten.Bild: Jens Krick/Flashpic/picture alliance

 Zocken im Blindflug

"Ich war einfach neugierig genug, es selber auszuprobieren, um dann festzustellen: "Hey Mensch, da lässt sich durchaus das ein oder andere spielen", meint der blinde Gamer Christian Ohrens. Durch seine Eltern kam er zu einer Zeit mit Konsolen in Berührung, in der von Barrierefreiheit nicht die Rede war. Dass er die Spielfiguren nicht sieht und auch nicht immer viel von der Handlung mitbekommt, hält ihn nicht ab. Er orientiert sich vor allem an den Geräuschen, die das Spiel erzeugt.

Christian Ohrens ist Blogger und blinder Retro-Gamer.Bild: privat

Für Christian Ohrens geht es auch nicht ums Gewinnen, sondern um Spielen als entspannenden Zeitvertreib. Er möchte nicht warten, bis alles barrierefrei ist und speziell für Blinde gemachte Audiogames interessieren ihn einfach nicht.

Spielcharaktere mit Behinderungen

Allerdings gibt es inzwischen auch Mainstream Games, die von blinden Menschen gut spielbar sind. Jedoch ist ein Spiel wie The Last of Us Part II, bei dem es akustische Hilfen, zuschaltbare Texte und eine automatische Kamera-Ausrichtung gibt, längst nicht Standard, sondern wohl eher ein Versuch, zu zeigen, was alles möglich wäre.

25. Gaming für alle – Computerspiele ohne Grenzen 

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Melanie Eilert sagt, wo es in Zukunft hingehen sollte: "Ich wünsche mir einen guten und engen Austausch zwischen der Community den behinderten Spielenden und den Entwickelnden, und dass Spielende mit Behinderung in die Entwicklungsprozesse einbezogen werden. Entweder indem sie als Fachpersonen direkt in den Studios eingestellt werden oder auch, indem sie bezahlte Beratungsarbeit leisten."

Für Dennis Winkens müsste es vor allem technisch noch einfacher werden. Sein Wunsch ist Hardware, die einfach nur funktioniert, ohne sie groß anpassen zu müssen.

Doch auch bei den Spielinhalten selbst sehen die beiden noch Luft nach oben: Wenn es mal einen Spielcharakter mit Behinderung gibt, ist der bisher entweder ein leidendes Opfer oder wird durch die Behinderung als bösartig geworden dargestellt. Melanie Eilert meint dazu: "Ich würde mir schon wünschen, dass es in den Spielen einfach ganz normale Charaktere gibt, die zufällig auch noch eine Behinderung haben." 

 

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