Bartholomaios I. - streitbares Oberhaupt der orthodoxen Christen
7. Mai 2014Vor 23 Jahren ist Dimitrios Archondonis, wie er mit bürgerlichem Namen heißt, zum Ökumenischen Patriarch von Konstantinopel gewählt worden. Der heute 74-Jährige residiert in Istanbul - was die Lage nicht einfacher macht. Vieles, was er bei seinem Pastoralbesuch in Deutschland zu erzählen hat, dürfte den Herrschenden am Bosporus nicht gefallen. Denn die Geschichte der Christen in der Türkei ist eine der ständigen Diskriminierung. Bartholomaios I. hat sie am eigenen Leib erfahren.
Mit 51 Jahren Oberhaupt aller orthodoxen Christen
1940 auf Imbros im Dorf Aghii Theodori, Canakkale, geboren, studierte zunächst Theologie im Priesterseminar von Chalki in der Türkei, alsdann an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom und in München. Im Jahre 1972 wurde er Leiter der Patriarchatskanzlei in Istanbul,1990 Metropolit von Chalkedon. Im Oktober 1991 wählten die 15 Metropoliten der Heiligen Synode den damals erst 51-Jährigen zum Erzbischof von Konstantinopel und Ökumenischen Patriarchen. Bartholomaios ist der 270. Nachfolger des Apostels Andreas und zugleich Ehrenoberhaupt der weltweit rund 300 Millionen orthodoxen Christen, am 16. Mai auch die Uni München.
Er gilt als ein Mann des verbindlichen Wortes und der ausgestreckten Hand. So lud er im Herbst 2006 Papst Benedikt XVI. nach Istanbul ein. Vor einem Jahr war er der erste griechisch-orthodoxe Patriarch seit der Spaltung zwischen Ost- und Westkirche im Jahr 1054, der an der Einführung eines römisch-katholischen Papstes teilnahm - nämlich von Papst Franziskus. Es gelang Bartholomaios, das belastete Verhältnis zur russisch-orthodoxen Kirche aufzupolieren. Und schließlich hat er maßgeblichen Anteil am Zustandekommen eines panorthodoxen Konzils 2016 in Istanbul. Bartholomaios steht für Ökumene und den Dialog der Religionen.
Staat macht Priesterausbildung unmöglich
Fortschritten auf der kirchlichen Bühne steht die zwiespältige Lage der Christen in der Türkei gegenüber. Deren Gesamtzahl dürfte unter 100 000 liegen, darunter 60.000 Armenier, 20.000 Assyrer und wenige Tausend Griechen. Besonders am Herzen liegt Patriarch Bartholomaios deshalb die Wiedereröffnung der theologischen Hochschule von Chalki (türkisch: Heybeli Ada), die 1971 von der damaligen türkischen Regierung geschlossen wurde. An Chalki hängt die Ausbildung von Priestern und somit der Fortbestand des Patriarchats. Denn nach kirchlichem Recht muss der Patriarch Priester, zugleich aber nach türkischem Recht türkischer Staatsbürger sein. Die Türkei entzieht im Ausland studierenden Theologen die Staatsbürgerschaft. Petitionen des Patriarchen an die Regierung in Ankara halfen nichts. "Das Ökumenische Patriarchat ist vielleicht die einzige Kirche der Welt, die keine Möglichkeit hat, ihre Priester auszubilden", sagt Bartholomaios. Und die Europäische Union fordert in jedem Fortschrittsbericht über ihren Beitrittskandidaten Türkei gebetsmühlenartig die Wiederöffnung des Priesterseminars.
Zugleich verweigert die türkische Regierung dem Patriarchat die rechtliche Anerkennung. Das oberste türkische Gericht verbot ihm, seinen Titel "ökumenischer" Patriarch zu gebrauchen. Begründung: Das Patriarchat unterstehe den türkischen Gesetzen. Ein universaler Titel passe da nicht.
Türkei konfiszierte Kirchenbesitz
Seit Jahr und Tag kämpft der Patriarch für die Rückgabe des vom Staat konfiszierten Kircheneigentums. 1936 mussten alle nichtmuslimischen Stiftungen, die als Rechtsträger von Gotteshäusern fungierten, ihren Besitz auflisten. Große Teile davon - mehr als tausend Gemeindehäuser, Hospitäler, Schulen, Wohnhäuser und Friedhöfe - wurden in der Folgezeit vom türkischen Staat eingezogen und teilweise an Dritte verkauft. Mit einer Gesetzesnovelle will der türkische Staat das konfiszierte Gut nun an die ehemaligen Eigentümer zurückgeben oder eine Entschädigung zahlen. Doch dürfte die Umsetzung nicht einfach sein, denn sie könnte unangenehme Fragen zum Umgang der Türkei mit ihren nichtmuslimischen Minderheiten aufwerfen.
Auch zur Weltpolitik nimmt der Ökumenische Patriarch Stellung: In seiner jüngsten Osterbotschaft äußerte er "Sorge über die Ausbreitung von Intoleranz, Hass, Gewalt und Ungerechtigkeit" in der Welt. Auch zum Ukraine-Konflikt meldete sich der Kirchenführer zu Wort: "Es gibt keinen Raum für brutale Gewalt und Blutvergießen in einer demokratischen Nation des 21. Jahrhunderts", so sein Appell. Für sein Umwelt-Engagement ist Batholomaios I. mit zahlreichen Preisen geehrt worden. Mindestens 25 Universitäten in Europa, Russland und den USA verliehen ihm die Ehrendoktorwürde.