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Kunst

Baselitz: Pinakothek soll NS-Kunst entfernen

Christine Lehnen
6. Oktober 2022

Ein Bild des NS-Künstlers Adolf Ziegler hängt in der Dauerausstellung der Münchener Pinakothek. Georg Baselitz fordert das Museum dazu auf, das Werk zu entfernen. Denn Ziegler verfolgte jüdische und "entartete" Künstler.

Blick in einen Ausstellungsraum der Pinakothek mit dem Gemälde "Vier Elemente" an der Wand und einer schwarzen Skulptur daneben.
Das Gemälde "Vier Elemente" von NS-Funktionär Adolf Ziegler in der PinakothekBild: Margarita Platis/BstGS/dpa/picture alliance

Es ist ein Werk, das ins Auge sticht, allein aufgrund seiner Größe: Das dreiteilige Gemälde "Vier Elemente" von Adolf Ziegler stellt vier nackte blonde Frauen dar, die die Elemente Feuer, Wasser, Luft und Erde verkörpern sollen. Es hängt in der neu kuratierten Dauerausstellung der Pinakothek der Moderne in München, einem der wichtigsten Kunstmuseen Deutschlands.

Dagegen hat sich nun der deutsche Künstler Georg Baselitz in einem Brief ausgesprochen - und die Abhängung des Werkes gefordert. "Das Triptychon beleidigt seine Umgebung!", so Baselitz, der sich regelmäßig unter den Top Ten der wichtigsten Künstlerinnen und Künstler der Welt wiederfindet. Über den Brief berichtete zunächst die "Süddeutsche Zeitung".

"Es schockiert, dass Nazipropaganda auf diese schmuddelige Art in einem Münchner Museum möglich ist", schrieb Baselitz an den Generaldirektor der Staatsgemäldesammlungen, Bernhard Maaz, und an Bayerns Kunstminister Markus Blume. Außerdem sei es ein "schlechtes" Bild.

Steht laut "Kunstkompass" auf Platz 3 der weltweit bedeutendsten Künstlerinnen und Künstler: Georg BaselitzBild: Boris Roessler/dpa/picture alliance

Wer war Adolf Ziegler?

Laut Süddeutscher Zeitung wird das Triptychon im Museum als eines der "bekanntesten Werke nationalsozialistischer Kunstproduktion" ausgewiesen. In der Tat war Adolf Ziegler ein wichtiger Nazi-Funktionär. Von 1936 bis 1943 fungierte er als Präsident der Reichskulturkammer. Seine Aufgabe war es, die Kunst in Deutschland gleichzuschalten: Jüdische und solche Künstlerinnen und Künstler, die Kunst erschufen, die den Nazis nicht gefielen, wurden mit einem Berufsverbot belegt, ihre Werke als "entartet" bezeichnet und beschlagnahmt oder vernichtet. 

Laut Jürgen Kaumkötter, Direktor des Zentrums für verfolgte Künste in Solingen, war es Adolf Ziegler, der die große Nazi-Ausstellung "Entartete Kunst" organisierte. Kaumkötter bezeichnet den Nazi-Funktionär als einen der Haupttäter, "was die Verfolgung der entarteten Kunst anging". 

Was bedeutet "entartete Kunst"?

Adolf Hitler erklärte Kunst zur Chefsache, war er doch selbst einige Jahre Kunstmaler gewesen. Ihm gefielen Werke der Romantik mit ihren verklärten Darstellungen deutscher Landschaften. Die moderne Kunst hingegen verabscheute er: den Surrealismus, Expressionismus, auch den Kubismus eines Pablo Picasso.

Für die Ausstellung "Entartete Kunst", die 1937 zum ersten Mal in München gezeigt wurde, ließen Ziegler und die Nationalsozialisten 650 moderne Gemälde, Grafiken und Skulpturen aus 32 Museen beschlagnahmen, darunter bedeutende Meister wie Wassily KandinskyEmil Nolde, Lyonel Feininger, Ernst Barlach oder Ernst Ludwig Kirchner. Die stellten sie aus, begleitet von Parolen und höhnischen Kommentaren, die sie auf die Wände geschmiert hatten.

"Wir sehen um uns herum diese Ausgeburten des Wahnsinns, der Frechheit, des Nichtskönnertums und der Entartung", soll Adolf Ziegler damals gesagt haben. Die Schau, die anschließend in weiteren zwölf Städten zu sehen war, wurde zum Publikumsrenner: Mehr als zwei Millionen Menschen sahen die Wanderausstellung. Es war die bis dahin erfolgreichste Schau moderner Kunst - und markierte einen Wendepunkt in der NS-Kunstpolitik.

Wie die Nazis moderne Kunst vernichteten

Ab August 1937 begannen die Nationalsozialisten die Kunst, die ihnen nicht passte, systematisch zu vernichten. In einer zweiten, gründlicheren Beschlagnahmung wurden weitere 20.000 Werke von rund 1400 Künstlerinnen und Künstlern konfisziert, in einem Berliner Depot eingelagert, verbrannt oder im Ausland versteigert. 

Dabei gingen viele Werke verloren - und manche Künstlerinnen und Künstler sind bis heute nicht wiederentdeckt worden. "Junge Künstler, die gerade erst am Anfang ihrer Karriere standen, sind nun gänzlich vergessen, anders als die schon damals bekannten Maler", beklagte Meike Hoffmann von der Freien Universität Berlin 2017 gegenüber der DW.

Wie geht man in Deutschland heute mit NS-Kunst um?

Die Pinakothek der Moderne ist das einzige Museum in Deutschland, das ein Werk der NS-Kunst in seiner Dauerausstellung zeigt. Zwar betont Kaumkötter, NS-Kunst dürfe nicht einfach weggesperrt werden. "Das Bild muss aber sehr deutlich kontextualisiert werden. Der Besucher muss sofort erkennen können, dass das Werk im ideologischen Zusammenhang eines verbrecherischen Regimes steht", forderte der Direktor des Zentrums für verfolgte Künste in Solingen. Eine bloße Texttafel reiche dafür nicht aus.

Die Pinakothek der Moderne - 2002 eröffnet - widmet sich explizit der modernen Kunst, die die Nazis vernichten wolltenBild: Sven Hoppe/dpa/picture alliance

Baselitz hingegen stellt in seinem Brief die Frage, warum die Kuratoren dem Werk überhaupt wieder einen Platz in der Dauerausstellung gegeben haben. Gerade erst wurde diese unter dem Motto "Mix'n'Match" umorganisiert, um Inhalte zu beleuchten, "die für die Gesellschaft des 21. Jahrhunderts von zunehmender Relevanz sind - wie sozialer Zusammenhalt, Migrationsbewegungen, neue Formen der Arbeit oder Umweltfragen", wie es auf der Internetseite des Museums heißt.

Inwiefern das auf Adolf Ziegler zutrifft, kann sich Georg Baselitz offensichtlich nicht erklären. Er empfindet es als Beleidigung, dass Zieglers Werk in einem Raum hängt mit den Künstlern, die dieser verfolgte. "Ziegler hat Kunst und Künstler vernichtet. Er gehört nicht in den Saal seiner Opfer", schreibt Baselitz laut der "Süddeutschen Zeitung".

Wie reagiert die Pinakothek?

Sammlungsleiter Maaz und der Kurator Oliver Kase wiesen den Vorwurf der propagandistischen Wirkung des Bildes zurück, das während der NS-Zeit ein beliebtes Postkartenmotiv war und das Adolf Hitler in der NSDAP-Zentrale in München aufgehängt hatte. 

Die kritische Auseinandersetzung mit NS-Kunst sei eine wichtige Aufgabe von Kunstmuseen, sagten sie der Deutschen Presse-Agentur (DPA). Sie plädieren für eine "historisch versachlichte Beschäftigung mit NS-Kunst jenseits moralisierender Vorwürfe". Gegenüber der DPA bleibt eine Erläuterung aus, inwiefern ihre Präsentierung des Werkes in der erneuerten Dauerausstellung diese kritische Auseinandersetzung ermögliche oder wie eine "versachlichte Beschäftigung" konkret aussehe. 

Der Kunstexperte Jürgen Kaumkötter übt deutliche Kritik. "Ich halte das für höchst problematisch. Man kann solche Kunst nicht hoffähig machen", sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Georg Baselitz fordert in seinem Brief schlicht: "Hängt ihn ab!"

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