Sahel-Bauern trotzen Klimawandel
23. September 2014Der afrikanischen Sahelzone am südlichen Rand der Sahara sind schon in vielen Studien düstere Prognosen gestellt worden. "Teilweise ist davon die Rede, dass bereits 80 Prozent des Landes unbrauchbar geworden sind", sagt der Geograph Martin Brandt von der Universität Bayreuth. Andererseits belegen Satellitenaufnahmen, dass die Vegetation im Westen der Sahelzone seit einigen Jahren wieder zunimmt. Brandt hat das Phänomen zusammen mit einem internationalen Team untersucht, sowohl mit Hilfe von Satellitendaten als auch vor Ort im Senegal und in Mali. Dabei hat er festgestellt, dass sich die Region ganz unterschiedlich entwickelt: Völlig degradierte, das heißt vegetationslose Flächen, die landwirtschaftlich nicht mehr nutzbar sind, liegen oft direkt neben frisch aufgeforsteten Wäldern und grünem Weide- und Ackerland.
Zwar gebe es kaum wissenschaftliche Erkenntnisse darüber, warum sich einzelne Regionen unter ähnlichen Bedingungen so unterschiedlich entwickelten, sagt Brandt. Doch seine Untersuchungen deuteten darauf hin, dass der entscheidende Unterschied bei der lokalen Bevölkerung liege. "Die Menschen sind den Veränderungen des Klimas und der Vegetation nicht hilflos ausgeliefert", sagt Brandt. "Sie können mit ihrem traditionellen Wissen als degradiert eingestufte Flächen oft wieder nutzbar machen."
Traditionelle Technik gegen die Wüstenbildung
Einige internationale Organisationen und Projekte wie etwa "Great Green Wall" sorgen dafür, dass große Fläche in mehreren Ländern aufgeforstet werden. Noch wichtiger sind Brandt zufolge allerdings lokale Initiativen oft auf Dorfebene, ganz ohne Einfluss der Regierung oder internationaler Organisationen. "Da kann man beobachten, dass etwa in einem Dorf Bäume geschützt und gepflanzt werden und an der Grenze zum nächsten Dorf sieht es plötzlich ganz anders aus."
Dass die entscheidenden Akteure, um die Wüste zurückzudrängen, die Bauern vor Ort in den Dörfern sind, bestätigt auch Paul Abiziou Tchinguilou. Der Agrarwissenschaftler aus Togo berät sowohl die Vereinten Nationen als auch Farmer in der Region, wie sie sich an den Klimawandel anpassen können. Neben wissenschaftlichen Entwicklungen, wie neuen widerstandsfähigen Pflanzen, gebe es viele traditionelle Techniken, die Bauern anwendeten, um trotz kürzerer Regen- und längerer Trockenzeiten gleiche oder höhere Ernteerträge zu erzielen. Dazu gehöre etwa die Verschiebung von Aussaat und Erntezeiten, die geschickte Kombination vom Anbau von Pflanzen mit der Zucht von bestimmten Haustieren sowie der Bau traditioneller Anlagen zum Sammeln und Speichern von Regenwasser.
Dank dieser Techniken trage die landwirtschaftliche Nutzung, anders als vielfach angenommen, keineswegs zur Ausbreitung der Wüste bei, sagt Brandt - im Gegenteil: "Auf den Satellitenaufnahmen kann man sehen, dass um die Dörfer herum, da wo sich die Menschen ausbreiten, die Vegetation zunimmt." Wüstenbildung sei dagegen vor allem dort zu beobachten, wo Flächen ungenutzt blieben.
Grenzen der Anpassungsfähigkeit
Um die Bewohner der Sahelzone bei der Anpassung an den Klimawandel zu unterstützen, müssten nationale Behörden und internationale Helfer vor allem dafür sorgen, dass das Wissen über Anpassungstechniken in der ganzen Region weitergegeben werde, fordert Agrarexperte Tchinguilou. "Es gibt noch immer zu wenig gut ausgebildete Trainer. Auch viele Berater für Landwirte wissen nicht wirklich über den Klimawandel Bescheid."
Zudem appelliert Tchinguilou an die Politiker, die sich etwa am Dienstag (23.09.2014) wieder einmal zu einem Klimagipfel in New York trafen, mehr für den Klimaschutz zu tun. Das fordert auch der deutsche Geograf Brandt. Denn: "Die Anpassungsmöglichkeiten der Bauern haben Grenzen. Wenn es gar nicht regnet - und es gibt Prognosen, die solche extremen Dürren voraussagen - dann ist das für die Menschen eine Katastrophe."