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Kunst

Bauhaus-Klassiker neu produziert

Gaby Reucher
6. April 2019

Wer darf heute noch die berühmten Bauhausmöbel und Designobjekte produzieren? Wo bekommt man die Lizenz? Hinter jedem nachgebauten Bauhausmodell steckt eine ganz eigene abenteuerliche Geschichte.

Bauhaus-Lizenzen
Bild: Tecnolumen/Michael Giehlen

Die silberne Teekanne von Marianne Brandt, der berühmte "Direktorensessel F 51" von Walter Gropius oder die beliebte Wagenfeld-Tischleuchte: All das sind Bauhaus-Designikonen, die immer noch im Original hergestellt und verkauft werden - allerdings den heutigen Bedürfnissen angepasst.

Zum Bauhausjubiläum erstrahlt der Sessel F 51 von Walter Gropius in verschiedensten FarbenBild: DW/G. Reucher

So gibt es den Direktorensessel, den die Möbelfirma Tecta herstellt, in den unterschiedlichsten Farben und Materialien: "Wenn wir den Sessel wie am Bauhaus nur in Kirschbaumholz mit zitronengelbem Stoff herstellen würden, dann können Sie sich vorstellen, wie wenig wir davon verkaufen würden", sagt Christian Drescher, Geschäftsführer von Tecta.

Weil die Menschen heute größer sind als in den 1920er Jahren, zur Gründungszeit der Kunst- und Designschule "Bauhaus", hat die Möbelfirma Thonet die Sitzfläche ihres "Freischwingers S32", im Original von Marcel Breuer, um zwei Zentimeter, auf 46 Zentimeter erhöht. Die sogenannten Freischwinger sind hinterbeinlose, federnde Stühle, wie sie Marcel Breuer, Ludwig Mies van der Rohe und Mart Stam aus Stahlrohr entwickelt haben. 

Die Lizenz zum Nachbau nach strengen Regeln

Wer die Lizenz zum Nachbau von Bauhausprodukten hat, darf die Formgebung allerdings nicht verändern. Das Siegel für ein Original-Bauhausmodell vergibt das Bauhaus-Archiv in Berlin, das die Nutzungs- und Urheberrechte für viele der Designikonen verwaltet. Das Gütesiegel setzt voraus, dass die Produkte tatsächlich am Bauhaus oder in der Zeit entworfen wurden, dass eine Lizenz vorliegt und dass die Objekte originalgetreu reproduziert werden.

Das Urheberrecht liegt meist bei den Nachfahren der großen Bauhausdesigner. "Es gibt aber keine einheitlich rechtliche Lage", erläutert Annemarie Jaeggi, Leiterin des Bauhau-Archivs. "Man muss bei jedem Künstler extra nachschauen und nach 70 Jahren verfällt dann das Urheberrecht sowieso."Das Urheberrecht gilt nur für Produkte, die in Deutschland hergestellt oder verkauft werden. "Das große Geld lässt sich mit den Lizenzen nicht machen. Es gibt ja auch nur eine Handvoll Firmen, die daran interessiert sind", sagt Jaeggi.

1949 richtete der US-amerikanische Architekt Philip Johnson sein bekanntes "Glass House" auch mit Mies van der Rohes "Barcelona"-Stühlen einBild: Eirik Johnson

Abenteuerliche Jagd nach den Lizenzen

Die meisten Lizenzen weltweit besitzt der Möbelhersteller Tecta, der über 30 Bauhausmodelle im Programm hat. Axel Bruchhäuser übernahm die Firma, nachdem er 1972 nach der Enteignung aus der DDR in den Westen geflohen war. Heute leitet sein Neffe Christian Drescher das Unternehmen. Auf vielen abenteuerlichen Reisen spürte Bruchhäuser die Bauhausdesigner und ihre Nachfahren auf.

Christian Drescher und Axel Bruchhäuser haben für die Kragstühle und -bänke sogar ein eigenes Museum aufgemacht. Hier der Zweisitzer F 51-2Bild: Tecta

Von der Witwe Ise Gropius erhielt er die Lizenz für den "Direktorensessel F 51". "Sie hat uns DDR-Flüchtlingen gerne die Lizenz überlassen, denn Gropius war auch ein Flüchtling. Er musste ja vor den Nazis fliehen", erinnert sich Axel Bruchhäuser. Das besondere an diesem Sessel: Die Armlehnen sind nicht mit der Sitzfläche verbunden und kragen frei aus. Dadurch bekommt der Sessel eine Leichtigkeit, die zum Markenzeichen von Bauhausmöbeln wurde.

Diese Leichtigkeit setzt sich bei den Freischwingern aus gebogenem Stahlrohr fort. Den Architekten und Designer Mart Stam spürte Axel Bruchhäuser nach vier Jahren Suche in der Schweiz auf. "Stam litt unter Verfolgungswahn und hatte sich in zehn verschiedenen Hotels unter diversen Namen einquartiert. Mir ist es als Einzigem gelungen, mit ihm zu sprechen."

Hinter jeder Lizenz steckt eine Geschichte

Auch die deutsche Firma Thonet hat sich besonders den Sitzmöbeln der Bauhäusler zugewandt. Mit den berühmten Wiener Kaffeehausstühlen, den Bugholzstühlen, wurde Firmengründer Michael Thonet 1859 weltberühmt. Es war ihm gelungen massives Buchenholz zu biegen.

Der Freischwinger S 32 von Thonet in verschiedenen AusführungenBild: DW/G. Reucher

In den 1920er Jahren kamen Mies van der Rohe und Marcel Breuer mit ihren Entwürfen von Stahlrohrstühlen auf das Unternehmen zu. "Sie kannten Thonet von den Bugholzmöbeln und wollten, dass Thonet auch Stahl biegt", erläutert Designerin Susanne Korn aus dem Marketing von Thonet. Auf diese Weise gelang es, die Stahlrohrstühle und Freischwinger industriell zu fertigen. "Marcel Breuer brachte dann das Holz-Flechtwerk auf den 'Freischwinger S 32'. Es ist heute noch der erfolgreichste Bauhaus-Stuhl, den Thonet verkauft."

Das Bauspiel von Alma Siedhoff-Buscher

Zu den bekannten Designobjekten gehört das Bauspiel von Alma Siedhoff-Buscher, bestehend aus bunten Bauklötzen verschiedener Formen und Farben. Produziert wird es heute von der Schweizer Spielwarenfirma Naef Spiele AG. Hans Maria Wingler, der 1960 das Bauhaus Archiv gegründet hatte, war an das Unternehmen herangetreten mit der Idee, die Produktion wieder aufzunehmen.

Das Bauspiel von Alma Siedhoff-BuscherBild: Naef Spiele AG/Heiko Hillig

"Es war eine Herausforderung, einen Prototypen herzustellen, denn es gab nur noch wenige vollständige Originalspiele", erzählt Designer und Produktmanager von Naef, Heiko Hillig. Als Alma Siedhoff-Buscher ihren Bausatz herstellte, gab es nicht so präzise Werkzeuge wie heute. "Von den Bausteinen waren einige nicht rechtwinklig und nicht ganz grade", erläutert Hillig. Das wurde durch die maschinelle Produktion bei Naef entsprechend angepasst. Seit 1977 ist das Bauspiel wieder auf dem Markt. Zum 100. Bauhaus-Jubiläum ist es im eigenen Onlineshop von Naef sehr gefragt und im Moment ausverkauft.

Früher Flop, heute Ikone

In ihrer Entstehungszeit gingen längst nicht alle Bauhausprodukte, die heute beliebt sind, in Serie. So konnte auch die berühmte Wagenfeld-Leuchte damals nicht begeistern. "Aus den 1920er Jahren gibt es nur rund 20 Leuchten, die Wilhelm Wagenfeld 1923 entworfen und gebaut hat", erläutert Geschäftsführer Carsten Hotzan von der Firma Tecnolumen, die die Lampe seit den 1980er Jahren herstellt. Der Firmengründer und Kunstsammler Walter Schnepel hatte Gefallen gefunden an der Tischlampe mit dem halbkugelförmigen Milchglasschirm.

Die Wagenfeld Lampe gehört heute zu den berühmtesten BauhausklassikernBild: DW

"Aber auch Anfang der 1980er Jahre war es schwierig, weil der Handel die Lampe nicht aufgenommen hat", erklärt Hotzan. Mittlerweile ist die Wagenfeld-Leuchte ebenso wenig aus dem Sortiment von Tecnolumen wegzudenken, wie die berühmte Silber-Teekanne von Marianne Brandt. Walter Schnepel hatte Marianne Brand, die damals noch in der DDR lebte, persönlich aufgesucht, um die Lizenz für die Kanne zu erwerben. "Dass die Produkte heute einen so großen Erfolg haben würden, hatte damals niemand vermutet", sagt Carsten Hotzan.

Trotz 100 Jahre Jubiläum: Bauhausprodukte sind Nischenprodukte

Wer ein Original-Bauhaus-Designerstück haben will, muss dafür viel bezahlen. Die silberne Teekanne von Marianne Brand gibt es für 8900 Euro. Der Gropius Direktorensessel kostet je nach Ausstattung zwischen 2000 und 3000 Euro und die berühmte Wiege von Peter Keler, die auch von Tecta hergestellt wird, ist für 1900 Euro zu haben.

Grund sind die speziellen Fertigungstechniken und die hohen Arbeitskosten in Deutschland. "Die Bauhäusler hatten sich gewünscht, dass ihre Möbel in großer Stückzahl industriell gefertigt und damit für jedermann erschwinglich würden. Diese Rechnung ist nicht ganz aufgegangen", sagt Christian Drescher. Aber wer ein lizenziertes Original kaufe, der kenne sich aus und achte auf die Details. "Solche Käufer wollen auch die Hintergründe wissen, bis sie dann so einen Kauf tätigen, und in dieser Nische bewegen wir uns."

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