Das Bauhaus gilt als Exportschlager aus Deutschland. Viele, die für die berühmte Hochschule für Gestaltung schwärmen, reduzieren die Ideen auf die plakative Formel: quadratisch, praktisch, gut. Acht Missverständnisse.
Anzeige
Acht Missverständnisse rund ums Bauhaus
Mit dem Bauhaus wird viel Etikettenschwindel betrieben. Weiß und quadratisch - schon wird ein Neubau als "Bauhaus" geadelt. Wir zeigen, welche Missverständnisse die berühmte Schule hervorgerufen hat.
Bild: picture-alliance/dpa/J. Raible
Das Bauhaus ist weiß
Farbe war ein wichtiges Element in der Bauhaus-Architektur. Das 1926 eröffnete staatliche Bauhaus in Dessau war außen in den Farben Grau, Weiß und Rot gestaltet. Auf alten Schwarz-Weiß-Fotografien sind die roten Türen, die graue Fassade und die blau oder auch gelb gestrichenen Wände in den Räumen nicht zu erkennen. Die Farbe sollte die Architektur unterstreichen und als Orientierung dienen.
Bild: picture alliance/dpa/J. Wolf
Das Bauhaus ist funktional
Stimmt, aber nicht immer. Ausgerechnet diese Ikone der Bauhaus-Gestaltung, entworfen von Wilhelm Wagenfeld im Jahr 1924, entpuppte sich zunächst als Flop. Der halbkugelförmige Lampenschirm platzte, weil er zu heiß wurde. Die Lampe musste neu konstruiert werden. Außerdem weiß man inzwischen, dass Wagenfeld die Leuchte nicht allein, sondern zusammen mit Carl-Jacob Jucker entwarf.
Bild: picture-alliance/dpa/O.Berg
Bauhaus ist rechter Winkel
Die gerade Linie und der rechte Winkel sind die Kennzeichen des Bauhaus. Eigentlich, denn die Bauhaus-Architektur arbeitete auch mit Rundungen. Die Ausflugsgaststätte Kornhaus an der Elbe in Dessau-Roßlau wurde 1929-1930 vom Architekten Carl Fieger im Auftrag einer Brauerei errichtet.
Bild: picture-alliance/dpa
Das Bauhaus ist ein Baumarkt
In Deutschland ist das Bauhaus ein fester Begriff. Heimwerker lieben einen Besuch in der gleichnamigen Baumarktkette, die es in jeder größeren Stadt zwischen Kiel im Norden und Oberammergau im Süden gibt. Sich das Recht an dem Namen "Bauhaus" für die Hochschule für Gestaltung in Dessau zu sichern, wurde versäumt. So ging es 1960 an einen Schreiner aus Heidelberg, der daraus ein Geschäft machte.
Bild: picture-alliance/dpa
Bauhaus kann man trinken
Nicht überall ist Bauhaus drin, wo Bauhaus drauf steht. Das gilt auch für den Bauhaus-Burgunder, den eine Discounter-Kette in Deutschland anbietet. Das Gesöff soll einem Meisterwerk gleichen. Immerhin konnte der Winzer das Bauhausarchiv in Berlin von der Qualität begeistern, so dass er ein Motiv, den Zwölfteiligen Farbkreis, für die Gestaltung des Etiketts nutzen durfte.
Bild: picture-alliance/blickwinkel/McPHOTO
Bauhaus ist für alle
Eine Architektur für einen neuen Menschen schwebte den Bauhäuslern vor. Im Fokus standen die Vernachlässigten der Geschichte: die Arbeiter. Die zogen in die weißen Schachteln ein und fühlten sich nicht wohl. Sie hängten Gardinen in die Fenster und wurden dafür gerügt, oder sie hängten Bilder an die Wand, um es sich gemütlich zu machen. Auch das gefiel den Erbauern ganz und gar nicht.
Bild: picture-alliance/dpa
Im Bauhaus lebt es sich gut
Enge Türen, niedrige Geländer, dünne Wände. Wer mit einer Familie in einem Bauhaus-Haus wohnte, brauchte einen guten Schlaf. Die Architektur war extrem hellhörig dort. Kinder hatten sicher keine Lust, sich lange in ihren winzigen Kinderzimmern aufzuhalten, sondern tollten lieber durch das enge Treppenhaus. In der Theorie lebte es sich leichter in einem Bauhaus als in der Praxis.
Bild: picture-alliance/dpa/R. B. Fishman
Das Bauhaus ist männlich
Als 1919 das Bauhaus in Weimar öffnete, gab es einen Bewerberinnenansturm. Mehr Frauen als Männer schrieben sich ein. Das war ein Novum. Bislang war es Frauen nicht möglich, eine Kunstschule zu besuchen. Es sei denn, sie fragten ihre Gatten um Erlaubnis. Anni Albers war eine von ihnen, die ab 1922 ein Studium aufnahm.
Bild: Kunstsammlung NRW/The Josef and Anni Albers Foundation/VG Bild-Kunst
8 Bilder1 | 8
Die Bauhaus-Architektur ist weltweit für ihre Klarheit berühmt. Die Pioniere einer neuen Gestaltung konzentrierten sich auf klare Linien, wehrten sich gegen Dekoratives und Ornamente und feierten alles Funktionale. Jeder glaubt zu wissen, was "typisch Bauhaus" meint: Elegante Freischwinger aus Stahlrohr von Marcel Breuer, die halbkugelförmige Tischlampe von Wilhelm Wagenfeld, oder die Architektur, die als quadratisch und zweckorientiert in die Baugeschichte eingegangen ist. Das Bürgertum wurde zum Feindbild erklärt. Deshalb bemühte sich Walter Gropius auch darum, Handwerker, ehrliche Arbeiter mit Dreck unter den Fingernägeln, ans Bauhaus in Weimar zu holen. Und was dachte die Zielgruppe über dieses anti-bürgerliche Dogma? Sie beklagten sich über die ästhetische Bevormundung in ihren präfabrizierten Schachten, in die sie einziehen mussten. Denn Vorhänge durften sie nicht aufhängen, auch Bilder an den Wänden waren nicht gerne gesehen. Es gab keine Tapeten, keine Dekoration, keine Gemütlichkeit - nur nackte weiße Wände.
Ort der Geschlechtergleichheit
Wenn das Bauhaus heute in der ganzen Welt als Ort der Avantgarde, als Schmelztiegel neuen Denkens gefeiert wird, dann wird oft vergessen, dass dort ein ziemlich partiarchaler Wind wehte. Zwar wurden im Gründungsjahr 1919 mehr Frauen als Männer aufgenommen, doch nur wenige von ihnen gelang es, eine begehrte Anstellung als Lehrerin in der Werkstatt zu bekommen. Als einzige Meisterin leitete Gunta Stölzl die Weberei und versammelte viele begabte Frauen in ihrer Klasse. Auch Anni Albers, spätere Frau von Josef Albers, und inzwischen als innovative Textilkünstlerin anerkannt, studierte bei ihr. Nur wenige erkämpften sich den Zugang in andere Werkstätten. Marianne Brandt gelang es als einziger Frau Eingang in die Metallwerkstatt zu finden. Dort prägte sie das Metalldesign ihrer Zeit mit. Johanna Hummel dagegen flog von der Schule, weil sie ihre eigenen Werke noch als Schülerin zu Geld machen wollte. Trotzdem waren sie zu beeindruckender Innovationskraft fähig. Heute kursiert ein idealisiertes Bild vom Bauhaus. Die Ideenschmiede wird oft als Stil und Produkt missverstanden und weniger als eine Schule, die ein neues Lernen und Leben propagieren wollte.
Bauhaus - was bleibt?
Was ist aus den Ideen von damals geworden? Die Vorstellung einer gemeinschaftlichen Ideologie, und einem selbst organisierten Zusammenleben in überschaubaren, streng abgeschotteten Zirkeln hat sich überholt. Es hat solange funktioniert, wie es nicht nur ein Mit- sondern auch ein gemeinsames Feindbild gab. Die Bauhaus-Pioniere kämpften Schulter an Schulter gegen das Lebensgefühl der Kaiserzeit vor dem Ersten Weltkrieg. Gropius und Co. wandten sich gegen historisierende Architektur, gegen die Schnörkel des Bürgertums und gegen die gegenständliche Malerei. Die Gründung einer Bewegung, die nichts Geringeres als einen neuen Menschen schaffen will, ist ein Ideal von gestern. Doch das Bauen im Bauhausstil liegt auch im 21. Jahrhundert in vielen deutschen Städten im Trend. Mit den Utopien der 1920er Jahre hat es nichts mehr zu tun. Das Etikett nutzen Bauherren gerne als Lockmittel, um finanzkräftige Architekturfreunde für den Kauf einer neuen strahlend weißen Immobilie zu begeistern. Das Bauhaus für alle - der Traum ist lange ausgeträumt.