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Rapid Manufacturing

Fabian Schmidt25. Mai 2012

Gegenstände einscannen oder am Computer entwerfen und dann im Drucker ausdrucken – was wie Science Fiction klingt, ist längst gängige Praxis in Forschung und Industrie. Wie funktioniert Rapid Manufacturing?

Ein Eiskopf mit einem Knochenimplantat, das im Rapid Manufacturing Verfahren hergestellt wurde. (Foto: DW / Fabian Schmidt)
Bild: DW/F.Schmidt

Fotokopierer haben die Welt der Büros vor zirka vierzig Jahren etwa so gründlich revolutioniert wie später Computer, Scanner und moderne Drucker. Mit ihnen wurde praktisch Jedermann zum Verleger. Heutzutage findet eine ähnliche Umwälzung im Bereich des Maschinenbaus statt. Der Unterschied: Nicht nur Bilder werden entworfen, gestaltet, gescannt, kopiert und gedruckt, sondern dreidimensionale Gegenstände. Die Technik ist mittlerweile so ausgereift, dass der Phantasie anscheinend keine Grenzen gesetzt sind. Rapid-Manufacturing nennt sich die Technologie, mit der Ingenieure, Entwickler, Designer oder Mediziner aus digitalen Daten richtige anfassbare Dinge aus Kunststoff oder Metall entstehen lassen.

Vom Bildschirm zum Produkt

"Man fängt mit einem ganz normalen computergestützten Designprogramm (CAD) an", erklärt Andreas Wegner, Spezialist für Kunststoffverarbeitung an der Universität Duisburg/Essen. "Im Computer zeichnet man sein Bauteil als dreidimensionales Modell." Dieses Modell wird in einem zweiten Schritt in einen speziellen Programmcode übersetzt, die Standard Triangulation Language (SLT).

Motorenteile aus dem DruckerBild: DW/F.Schmidt

Diese Programmsprache beschreibt das dreidimensionale Bauteil als ein Gitter aus Dreiecken. Umso kleiner diese Dreiecke sind, umso präziser und glatter ist hinterher die Oberfläche des gefertigten Bauteils. Danach zerteilt der Rechner das Computermodell in einzelne hauchdünne Schichten. "Und die Anlage stellt das Bauteil dann Schicht für Schicht her," so Wegner.

Kuchenbacken im Sandkasten

Eine Methode funktioniert sehr gut, bei der das Bauteil eingebettet in Pulver entsteht. Alles beginnt mit einer hauchdünnen Schicht Kunststoff- oder Metallpulver auf einer Platte. "Der Laser schmilzt die Kontouren des Bauteils in dieser Pulverschicht auf", erklärt der Inhaber des Duisburger Lehrstuhls für Fertigungstechnik Gerd Witt. Danach senkt sich die Platte um 0,1 Millimeter ab. Ein Schieber trägt eine zweite Pulverschicht auf, und der Laser verschmilzt die Bauteil-Kontouren der zweiten Schicht mit denen der ersten Schicht.

Der Schieber trägt Pulverschichten auf eine Platte auf. Dann schmilzt ein Laser diese zusammen.Bild: DW/F.Schmidt

Während die Pulverschicht dabei immer dicker wird, entsteht das Bauteil in die Tiefe, wie ein eingegrabener Gegenstand in einem Sandkasten, bei dem nur der Sand verbackt, der später das Bauteil bilden soll. Der fertige Gegenstand wächst also aus Tausenden von Schichten nach unten, weil sich die Platte immer weiter senkt. Wenn man das Bauteil herausnimmt, fällt das restliche ungelaserte Pulver ab. Nun kann das gedruckte Stück noch in einer Sandstrahlanlage gesäubert und geglättet werden.

Die Herstellung der gedruckten Teile dauert allerdings recht lange: Einen liegenden Kunststoffkugelschreiber herzustellen dauert über eine Stunde. Ein stehender Kugelschreiber braucht gut zehnmal so lange, weil er mehr Schichten hat. Metallteile brauchen noch viel länger, sind dafür aber auch viel präziser als Kunststoffteile, weil die Schichten noch dünner sind. "Im metallischen Bereich hat man geringere Oberflächenrauheiten. Dort arbeitet man in einem Schichtstärkenbereich von nur 20-40 Mikrometern", erklärt Witt.

Hochbelastbare Bauteile

Die Metallteile sind später genauso belastbar wie gegossenes oder geschmiedetes Metall, denn die Hochleistungslaser erzielen leicht die dafür nötigen Temperaturen. Auch lassen sich alle möglichen Legierungen verarbeiten und damit auch Bauteile für Spezialanwendungen herstellen, die extrem belastbar sein müssen, wie zum Beispiel Flugzeugturbinen.

Durchlässige Filtermembranen aus Metall sind druckbarBild: DW/F.Schmidt

Ursprünglich war das Laser-Aufschmelzverfahren unter dem Begriff "Rapid Prototyping" bekannt, weil Entwickler damit vor allem Prototypen angefertigt haben - zum Beispiel in der Autoindustrie. Die Modellteile wurden dann später mit herkömmlichen Fertigungsmethoden in Serie gefertigt.

Mittlerweile ist die Technik aber auch in der regulären Industrieproduktion angekommen, denn sie hat viele Vorteile: Bauteile können individuell nach Kundenwunsch verändert werden. Auch Kleinserien sind leichter machbar und seltene Bauteile lassen sich schnell beschaffen. So gibt es mittlerweile sogar virtuelle Ersatzteillager: Teile, die nur wenige Kunden benötigen, liegen darin als Datei auf der Festplatte vor und werden erst dann gedruckt und ausgeliefert, wenn eine Bestellung eingeht.

Daten aus 3-D Scans und Computertomographen

Auch dreidimensionale Scans oder Bilddaten aus anderen Quellen lassen sich ausdrucken. Deshalb ist das Verfahren für Ärzte interessant. Mit Computertomographen lassen sich zum Beispiel Knochen dreidimensional vermessen. Wenn Jan Sehrt, Leiter des Duisburger Rapid Technology Center, diese Daten in den Computer lädt, kann er daraus detailgenaue Knochen nachbauen, zum Beispiel einen menschlichen Schädel. "Wenn man hier hereinschaut, sieht man zum Beispiel die Adern, die sich auf der Hirnhaut befinden oder im Schädel ihre Spuren hinterlassen," erklärt der Forscher.

Das Herz wurde mit Magnetresonanztomographie vermessen und dann in Kunststoff ausgedruckt.Bild: DW/F.Schmidt

Nicht nur als Anschauungsmodell für Medizinstundenten kann solch ein Schädel dienen, sondern auch als Vorlage für Ärzte, die damit ein passgenaues Implantat für den Patienten entwerfen. Damit können sich Chirurgen auch besser auf eine Operation vorbereiten. Dem Patienten kann damit eine zweite Operation erspart werden, weil der Arzt die Vorlage schon hat, bevor er überhaupt mit der ersten Operation beginnt.

Auch Zahnprothesen stellen viele Ärzten schon heute im Laserschmelzverfahren her. Dabei ist die Zahnwurzel aus einer Titanlegierung und die Zahnkrone aus einer weißen Keramik. Und nicht nur harte Knochen kann man ausdrucken: Auch weiche und bewegliche Organe lassen sich mit dieser Technik im Originalmaßstab aus Kunststoff nachbilden. Jan Sehrt hat mit seinen Kollegen zum Beispiel die Bilddaten einer Magnetresonanztomographie genutzt, um ein maßstabsgerechtes Kunststoffherz mit feinsten Aderverästelungen herzustellen.