1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Bayer Leverkusen in der Krise

25. Oktober 2016

Eingespieltes Team, vermeintlich bester Kader aller Zeiten, schwächelnde Gegner - besser könnten die Voraussetzungen für Bayer Leverkusen kaum sein. Doch prägen die sportliche Misere und der pöbelnde Trainer das Bild.

Deutschland Bayer Leverkusen - 1899 Hoffenheim Schiedsrichter Bastian Dankert
Bild: picture alliance/dpa/Revierfoto

So schlecht wie im Moment lief es für die Werkself schon seit Jahren nicht mehr. Nach acht Spielen stehen nur zehn Punkte auf der Habenseite. Platz elf, schon vier Niederlagen, mit 11:11 ist auch das Torverhältnis nur durchschnittlich. Eigentlich wollte Bayer Leverkusen in dieser Saison ganz oben mit dabei sein, die Lücke auf Borussia Dortmund verkleinern. So hatte man es zum Ende der Sommerpause offensiv angekündigt und damit bei den eigenen Fans und neutralen Fußballanhängern Erwartungen geweckt. Doch nach rund einem Viertel der Spielzeit klaffen Anspruch und Wirklichkeit weit auseinander. In der Liga läuft es nicht, in der Champions League droht das Aus, im Pokal blamierte man sich bei Drittligist Sportfreunde Lotte.

Kein Druck von der Bank

Eines der Hauptprobleme ist die nie über 90 Minuten voll konzentrierte Abwehr. Erst dreimal in zwölf Pflichtspielen gelang es Bayer, zu null zu spielen. Irgendwer war im entscheidenden Moment immer einen Schritt zu spät oder passte nicht auf. Gegen den HSV trat Torwart Bernd Leno beim Herauslaufen am Ball vorbei, gegen Bremen waren die Werder-Angreifer bei Abprallern wachsamer und konnten abstauben, gegen Frankfurt stimmte zweimal die Zuordnung nicht und am langen Pfosten stand ein Spieler frei. In Lotte unterlief Roberto Hilbert ein Eigentor, Aleksandar Dragovic war im Laufduell nicht robust genug. Die Leverkusener Abwehrspieler leisteten sich dabei keine Totalausfälle, sie waren lediglich ein oder zweimal im Spiel nicht auf Ballhöhe - aber das machte bereits den entscheidenden Unterschied aus.

Von der Bank - so scheint es - ist keiner in der Lage, der Stammbesetzung Druck zu machen. Dass mit Lars Bender ein defensiver Mittelfeldspieler den rechten Außenverteidiger gibt, obwohl mit Tin Jedvaj, Hilbert, der in Lotte erstmals spielen durfte, und Danny Da Costa drei Fachkräfte zur Verfügung stehen, ist so bezeichnend wie unverständlich. "Ich habe das Gefühl, dass die anderen, die dort spielen können, momentan nicht in einer Top-Verfassung sind", sagte Bayer-Trainer Roger Schmidt nach dem Spiel gegen Tottenham in der vergangenen Woche und räumte ein. "Es ist natürlich meine Aufgabe, sie dahin zu bringen." Langsam wird es Zeit, dass Schmidt seine Zöglinge in die Spur bringt. Bender ist nicht 100-prozentig fit, konnte nur in vier Ligaspielen mitwirken und wurde dabei schon zweimal bereits zur Pause ausgewechselt. Der andere Stamm-Außenverteidiger Benjamin Henrichs hat bereits elf von zwölf Partien über die volle Distanz absolviert, zudem ist er als jüngster Spieler in der deutschen U21 dabei - auch sein Akku wird irgendwann leer sein.

Chicharito und wer noch?

Während die Defensive momentan also kein Sieggarant ist, hakt es gleichzeitig in der Offensive, die aber besser funktionieren müsste, um die Scharten, die hinten entstehen vorne auszuwetzen. Trotz bester Möglichkeiten - insgesamt spielte sich die Werkself in der bisherigen Bundesliga-Saison 41 Torchancen heraus - klingelte es erst elfmal im gegnerischen Kasten. Dabei macht vor allem Javier "Chicharito" Hernandez zuverlässig seine Arbeit. Der Mexikaner nutzt regelmäßig seine Chancen. Er hat bereits sieben Tore erzielt - fünf in der Bundesliga, jeweils eins in Champions League und DFB-Pokal. Doch trifft die "kleine Erbse" nicht, dann tut es meist auch kein anderer. Lediglich Joker Joel Pohjanpalo erzielte vier Tore, der Finne fällt mit einem Fußbruch aber lange aus.

Er ist der Torgarant der Werkself: Javier "Chicharito" Hernandez hat in 48 Pflichtspielen für Bayer schon 33 Treffer erzieltBild: Getty Images/Bongarts/M. Volkmann

Kevin Volland, mit 20 Millionen Euro der teuerste Transfer der Klubgeschichte, kommt noch nicht in die Gänge. Nachdem er in der Vorbereitung bestens mit Chicharito harmonierte, brachte er es vor seinem Pokal-Doppelpack bei zehn Pflichtspieleinsätzen lediglich auf eine Torvorlage. Mangelnden Einsatz kann man dem Nationalspieler dabei nicht vorwerfen. Er rackert und läuft - seine Aktionen sind aber bislang glücklos. Der "Gipfel" war die Rote Karte nach fünf Spielminuten gegen seinen Ex-Klub Hoffenheim am vergangenen Samstag.

Bayers Offensiv-Juwel Julian Brandt wirkt überspielt. Gelang ihm in der Rückrunde der Vorsaison noch fast alles, trifft er jetzt häufig die falsche Entscheidung. Eklatant war gegen Hoffenheim seine Schwäche beim Hereinbringen der Eckbälle, die meistens vom ersten Verteidiger in Hüfthöhe abgefangen werden konnten. Ein solcher Eckball führte auch zu dem Konter, an dessen Ende die Rote Karte für Volland stand - der Anfang vom Ende.

Keine Ideen im Zentrum

Auch aus dem Mittelfeld kommen zu wenige Impulse. Vor allem gegen tief stehende Gegner tut sich die Werkself schwer. Charles Aranguiz hat noch nicht zu seiner Topform vom Ende der Rückrunde gefunden. Kevin Kampl ist als Antreiber stets bemüht, da er aber einer der wenigen ist, die bei Schmidt immer spielen (müssen), ist er mittlerweile ziemlich auf dem Zahnfleisch unterwegs. Hakan Calhanoglu spielt mal stark, mal schwach. Mit seiner schärfsten Waffe, den direkten Freistößen, war er bislang noch nicht erfolgreich. Österreichs Nationalspieler Julian Baumgartlinger schließlich, war als robuster Abräumer und Balleroberer in den vergangenen beiden Spielen zwar ein Lichtblick, offensive Glanzlichter setzte aber auch er nicht.

Mehr und mehr wird deutlich, wie sehr der Werkself Flügelstürmer Karim Bellarabi fehlt, der sich am zweiten Spieltag einen Muskelbündelriss zuzog und wohl erst zur Rückrunde wieder eingreifen kann. Bellarabi gab in den vergangenen beiden Bundesliga-Saisons jeweils zehn Torvorlagen und schoss zusätzlich insgesamt 18 Tore.

Taktisch immer richtig?

Wie steuert Roger Schmidt Bayer 04 aus der Krise?​Bild: picture alliance/dpa/I. Fassbender

Schließlich bleibt der Trainer, der sich nach seinem verbalen Ausfall gegen Hoffenheims Coach Julian Nagelsmann für zwei Spiele gesperrt wurde. Für Außenstehende wird nicht immer ganz klar, wie Schmidt die Aktionen und Leistungen seiner Spieler bewertet, und wie viel er selbst aus Fehlern lernt.

Warum zum Beispiel verordnete er seinem Team nach dem frühen Platzverweis für Volland gegen Hoffenheim keine defensivere Taktik? Warum hält er stoisch an einigen Spielern fest, die immer spielen, obwohl sein Kader genug Alternativen bietet, um zu rotieren? Warum schafft Schmidt es nicht, seine Mannschaft so einzustellen, dass nach einer Top-Leistung wie gegen Dortmund auch die nächsten Spiele konstant bestritten werden? Warum rückt er nicht von seinem Vollgas-Fußball ab, bei dem das Geschehen im Mittelfeld oftmals einem Flipper-Automaten gleicht, und zu dem kalkulierte Ballverluste gehören? Schließlich hat seine Mannschaft immer dann am erfolgreichsten gespielt, wenn sie - beide Male als Schmidt zu Beginn der Rückrunde schon fast auf der Kippe stand - etwas kontrollierter und weniger kopflos nach vorne gespielt hat.

In den vergangenen beiden Saisons konnte Schmidt die fehlenden Ergebnisse zunächst auf sein neues System und im Jahr danach auf die Verletztenmisere schieben. In dieser Spielzeit gibt es eigentlich keine triftigen Gründe dafür, dass Bayer so weit unten steht. Schmidt ist in der Verantwortung, die entsprechenden Hebel umzulegen, um das zu ändern. Die Voraussetzungen dazu hat sein Kader - und auch der Rest der Liga arbeitet derzeit für die Werkself: Obwohl Leverkusen bereits viermal verloren hat, sind die Champions-League-Plätze nur sechs Zähler entfernt. Und auch die Lücke auf Borussia Dortmund beträgt erst vier Punkte.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen
Den nächsten Abschnitt Top-Thema überspringen

Top-Thema

Den nächsten Abschnitt Weitere Themen überspringen