Bayerns Anarchist Herbert Achternbusch ist tot
13. Januar 2022Berühmt wurde Herbert Achternbusch in den 1970er- und 1980er-Jahren als der verspielt-verrückte Anarchist des "Neuen Deutschen Films". Der Regisseur, der für ein paar Jahre in einem Atemzug mit Rainer-Werner Fassbinder, Werner Herzog und Wim Wenders genannt wurde, gehörte er zu den interessantesten und wagemutigsten deutschen Regisseuren.
1938 in München geboren und im Bayerischen Wald aufgewachsen, studierte er an der Pädagogischen Hochschule München-Pasing, an der Nürnberger Kunstakademie und an der Akademie der Bildenden Künste in München. Besonders seine Filme machten den auch als Maler, Bildhauer, Schriftsteller, Dramatiker und Schauspieler tätigen Münchener berühmt. Sie gaben Einblick in die bayrische Seele - zumindest in den antibürgerlichen Teil.
Achternbuschs Film "Das Gespenst" löste Kulturskandal aus
Im Jahr 1982 löste Herbert Achternbusch einen der größten Kulturskandale der Bundesrepublik aus, nachdem sein Film "Das Gespenst" zunächst wegen möglicher Verletzung religiöser Gefühle keine Freigabe erhalten hatte. Noch größer wurde die Aufregung, als CSU-Innenminister Friedrich Zimmermann noch ausstehende Fördergelder für Achternbuschs Projekte strich. Ein bis dahin einmaliger Vorgang in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Diese anarchistische Kraft steckte von Anfang an in seinen Filmen und spaltete dann in "Das Gespenst" weite Teile des bürgerlichen Publikums.
Achternbusch, der sich nach dem Studium mit Gelegenheitsjobs unter anderem als Zigarettenverkäufer auf dem Münchner Oktoberfest durchschlug, tritt in seinen Filmen auch selbst auf. In seinem dritten Spielfilm "Bierkampf" (1976) spielte er damals verschiedene Rollenmuster durch: die des Polizisten, des Komikers, des Anarchisten, des unangepassten Bürgers. All das floss in seine Rolle in "Bierkampf" ein. Dabei bewegte sich der Filmemacher zwischen Provokation und Hingabe, zwischen Spott und Heimatliebe. Zeitlebens rieb er sich an seiner Heimat Bayern. Hier schlüpft der Filmemacher selbst in die Uniform der Staatsmacht und treibt ein derbes Spiel mit den Besuchern des Volksfestes.
Achternbusch - ein avantgardistischer Filmemacher
Wie der amerikanische Anarchokomiker Groucho Marx mit schwarzem Bart, in gebückter Haltung und mit neugierig-frechem Blick sprengt Achternbusch die bierselige Geselligkeit im Festzelt. Lange vor Einführung des Privatfernsehens und diverser Reality-Formate gewährt Herbert Achternbusch hier schon einmal einen Blick in die Zukunft der unkonventionellen TV-Unterhaltung.
Doch wer nun meint, Achternbusch sei es bei seinem Höllenritt übers Oktoberfest nur um Spott und Provokation gegangen, der irrt. Der Filmemacher war immer beides, ein Verächter des bayrischen Milieus und ein Mensch, der sich ein Leben außerhalb Bayerns kaum hätte vorstellen können. 1984 bemerkte der Regisseur in einem Interview im bayerischen Dialekt: "Ja. Ich möchte halt, dass die Bayern ein wenig was gelten und dass sie nicht bloß die Hanswursteln sind. Das ist ja das. Sie machen sich ja selber zu Hanswursten. Hör'n S' doch einmal eine sogenannte Heimatsendung - die bescheißen sich doch wirklich, von oben bis unten. Das hältst d' doch nicht aus." Er sagte aber auch: "Sehnsucht nach Heimat? Das ist dann bei mir, vielleicht, Liebe zu dem, was ich kenne. Meine Oma, oder da, wo ich aufgewachsen bin, aber das ist ein ganz anderes Bayern."
München ehrte Achternbusch
Seine Heimatstadt München ehrte Achternbusch anlässlich seines sechzigsten Geburtstags, indem sie die Stadt mit auf Flaggen abgedruckten Aphorismen des Künstlers schmückten. Das Filmfest München widmete ihm 2008 eine Retrospektive und zu seinem siebzigsten Geburtstag zeigte das Museum Moderner Kunst in Passau eine Ausstellung mit Kunstwerken des Künstlers. Nun ist Herbert Achternbusch im Alter von 83 Jahren gestorben.
Dieser Nachruf basiert auf einem Artikel von Jochen Kürten aus dem Jahr 2016.