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Politik

Es bebt in Bayerns Bierzelten

14. September 2018

Die CSU zittert vor der Schicksalwahl. Bisher bestimmte die Angst vor der AfD die Themen des Landtagswahlkampfes. Nun soll ein Parteitag Geschlossenheit und Aufbruch demonstrieren. Ist das Maß voll?

Deutschland, Bayern, Abensberg: Politischer Frühschoppen auf Volksfest Gillamoos
Bild: picture-alliance/dpa/P. Kneffel

Je näher der Tag der bayerischen Landtagswahl rückt, umso entschiedener klingen bei der CSU die Parolen. "Wir kämpfen um den Sieg", beteuerte Parteichef Horst Seehofer kürzlich. Doch dass die Christlich-Soziale Union am 14. Oktober einen Sieg einfährt, glaubt inzwischen kein Beobachter mehr. Bei dem Parteitag am kommenden Samstag (15.09.) soll ein Bild der Geschlossenheit und Zuversicht vermittelt werden.

Nach aktuellen Umfragen droht der CSU der größte Stimmenverlust in ihrer Geschichte. Die Meinungsforscher sehen die Partei, die schlichtweg ein Synonym für Bayern ist, derzeit bei gut 35 Prozent. Mitte August waren es noch 38, Ende Juni noch über 40 Prozent. Und auch das sind Werte, die überzeugten Christsozialen schon die Tränen in die Augen treiben.

Zuletzt errang die Partei 1954 ein Erlebnis, das knapp unter 40 Prozent lag. Zwischen 1970 und 2003 holte sie bei jeder Wahl mehr als 50, zum Teil über 60 Prozent. Noch bei der letzten Landtagswahl 2013 kam sie auf 47,7 Prozent der Stimmen. Das sicherte ihr die absolute Mehrheit im bayerischen Landtag. Und nun? Krise.

Bayerns Sonderweg 

Die wachsende Verunsicherung der CSU-Spitze strahlt auf die Bundespolitik aus. Zwar ist Bayern nur eines von 16 deutschen Bundesländern, doch der Freistaat ist besonders: er hat die größte Fläche und ist von der Einwohnerzahl her (gut 13 Mio. Menschen) das zweitgrößte Bundesland. Politisch hat die bayerische CSU als Schwesterpartei der CDU ein besonderes Gewicht: Gemeinsam bilden sie im Bundestag eine Fraktion. Jede Entscheidung der Wähler am 14. Oktober hat also Auswirkungen für Berlin.

Wahlkampf im Bierzelt: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder beim Gillamoosmarkt in Abensberg Bild: picture-alliance/dpa/P. Kneffel

Der eintägige Parteitag in München soll der aktuellen Krisenstimmung entgegenwirken. Dabei wird es mit dem Signal der Einigkeit nicht so leicht. Denn seit Jahren waren die Parteitreffen - eigentlich ein Hort der Selbstvergewisserung und der bajuwarischen Lebensfreude, überschattet von der Frage der künftigen Führung.

Seehofer war Parteichef und Ministerpräsident. Nach 2013 wollte er das Amt des Landesvaters eigentlich bis 2016 in andere Hände legen, tat sich aber schwer mit der Nachfolgefrage. Am Ende musste er Markus Söder das Feld überlassen, der seit langem danach strebte und seit Jahren bei Parteitagen die für die Stimmung beste Rede hielt, den Seehofer lange aber nicht so recht wollte.

Asyl, Wohnungsbau, Ökologie

So waren diese langen Personalquerelen gewiss ein Grund für Missstimmung im Freistaat. Andere, gewichtige Gründe sind der parteiinterne Streit in der Flüchtlingsfrage. Seehofer flirtete noch im Juni offen mit dem Bruch der Berliner Koalition, die CSU entfremdete sich zunehmend von Gefühlslagen der Basis. Das zeigt sich beim Umweltschutz sowie in der Wohnungspolitik und in der kommunalpolitischen Schwäche der Partei in den Städten.

Der populistische Kurs beim Thema Migration und Asyl zeigte die Angst der CSU-Spitze vor der AfD, brachte ihr aber keinen Zugewinn bei Meinungsumfragen. Anfang 2018 herrschte Souveränität gegenüber den Rechtspopulisten, dann ein Gefühl der Konkurrenz, nun geradezu Zorn.

Am Wähler vorbei geredet? Innenminister Seehofer und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt Bild: picture-alliance/dpa/R. Hirschberger

In der Planung des Parteitags setzt Generalsekretär Markus Blume auf zwei Gesten. Da gibt es eine eigene Gesprächsrunde mit Landtagspräsidentin Barbara Stamm und allen weiblichen Kabinettsmitgliedern. Sonst hätten halt allein Männer geredet. Und dann kommen zum Ende alle, die bei der Landtagswahl kandidieren, auf die Bühne.

Wenn dann traditionell alle das Bayern-Lied anstimmen "Gott mit dir, du Land der Bayern", mag das in diesem Jahr flehentlicher klingen als sonst. Söder mahnt bereits, nicht hektisch zu agieren und Leidenschaft zu zeigen. "Es geht um die große Idee der Volkspartei CSU".

Weibliches Krisenmanagement? 

Es fällt auf, dass kaum jemand aus dem CSU-Umfeld vor dem Parteitag so recht die Stimmung in der Partei und im Wahlkampf beschreiben will. Zuviel Nervosität hier und da. Schließlich würde ein Ergebnis von gerade noch über 35 Prozent die sonst so selbstbewusste Partei erschüttern.

Im Sommer hieß es bei manchem, eine 35 vor dem Komma könne zu einem kompletten Wechsel an der Parteispitze führen. Über Kandidaten kann man nur spekulieren. Vielleicht doch eine Frau oder Manfred Weber, der prominente Europapolitiker der Union.

Europapolitiker mit Ambitionen: EVP-Fraktionschef Manfred Weber mit Kommissionspräsident Juncker Bild: picture-alliance/dpa/P. Seeger

Aber der Fall Weber zeigt, wie CSU-Politiker miteinander umgehen. Weber, derzeit mutig unterwegs, um in Bälde zum Spitzenkandidaten der europäischen Konservativen bei der Europawahl 2019 gekürt zu werden, hatte sich stark gemacht für das Rechtsstaatsverfahren gegen Ungarn, für das am Mittwoch das Europaparlament votierte.

Aber vier der fünf CSU-Europaabgeordneten sagten bei dieser Abstimmung ab und stellten sich damit an die Seite von Ungarns Regierungschef Orban, der populistisch, fremdenfeindlich und europakritisch agiert. Nur einer folgte dem Vorschlag von Manfred Weber, gegen Ungarn vorzugehen: eben Manfred Weber.

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