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Politik

Bayerntrend: Grün vor Rechts

Maximiliane Koschyk
12. September 2018

In einem Monat wählt der Freistaat Bayern eine neues Landesparlament. In neuesten Umfragen sackt die CSU weiter ab. Als zweitstärkste Kraft haben die Grünen deutlich die rechtspopulistische AfD überholt.

Politischer Fruehschoppen auf Volksfest Gillamoos
Bild: picture-alliance/dpa/P. Kneffel

Eine Bühne ganz für sich allein, bayerisches Bier, keine Auseinandersetzung mit der parteilichen Konkurrenz, denn die sitzt ein Bierzelt weiter und schwingt dort selbst ihre Reden. Was wie der Traum eines jeden Politikers klingt, ist in Bayern Realität: Der "Gillamoos" Anfang September, einer der ältesten Jahrmärkte des Freistaats, zählt zum Höhepunkt des Kampfes um die Gunst der bayrischen Wählerstimmen kurz vor der Landtagswahl.

Am 14. Oktober wählen die Bayern ein neues Landesparlament und damit eine neue Regierung für ihren Freistaat. Es ist ein Wahlkampf, den es sich genau zu beobachten lohnt - nicht nur aufgrund seiner eigentümlichen Traditionen wie dem Gillamoos, sondern weil die Wahlentscheidung der Bayern für ganz Deutschland wichtig ist.

Deutschland schaut auf Bayern

Bayern ist Deutschlands größtes Bundesland: Knapp ein Fünftel der Bundesrepublik nimmt der Freistaat an Fläche ein, auch wenn Nordrhein-Westfalen mehr Einwohner hat. Bayern ist ein einflussreiches Bundesland: Es trägt ein knappes Fünftel zur deutschen Wirtschaftsleistung bei.

Bayern ist vor allem ein politisch stabiles Bundesland: Seit über sechs Jahrzehnten regieren die Konservativen in Bayern. Die CSU ist auch kommunal flächendeckend vertreten und kann so konsequent ihre Politik durchsetzen.

Noch - denn dem neuesten Bayerntrend des Bayerischen Rundfunks zufolge haben die Konservativen knapp einen Monat vor dem Wahlsonntag mit 35 Prozent erneut einen historischen Tiefstand in den Umfragen erreicht. Die Grünen bauen ihre Position als zweitstärkste Kraft hingegen weiter aus, während die AfD nun wieder mit der SPD gleichauf liegt. Während die FDP mit fünf Prozent um den Wiedereinzug ins Parlament bangt, ist es für die Linke ein Höchstwert in den Umfragen.

Bayerntrend: Verzockt sich die CSU?

Die Schuld für das schlechte Abschneiden der CSU liegt Markus Söder zufolge, dem Spitzenkandidaten der bayerischen Konservativen, daran, dass der Wahlkampf seiner Partei bisher vor allem von deutschlandweiten Themen dominiert werde. "Die Dinge, die jetzt im Moment diskutiert werden, haben ja mit Bayern nur sehr wenig zu tun", sagte der amtierende bayerische Ministerpräsident in München. Gemeint ist vor allem der Asylstreit der vergangenen Monate, mit dessen Ausbruch der rasende Stimmenverlust der Konservativen begann. Angestoßen hatte die Debatte allerdings der CSU-Parteivorsitzende Horst Seehofer in seiner Funktion als Bundesinnenminister selbst - mit Unterstützung Söders.

Schlechte Aussichten für CSU-Parteichef Horst Seehofer (li.) und Bayerns Ministerpräsident Markus SöderBild: picture-alliance/dpa/S. Hoppe

Hatten sich der Spitzenkandidat und sein Parteichef in den vergangenen Monaten offen ausgetragene Konkurrenzkämpfe geliefert, wollen die beiden kurz vor der Wahl gemeinsam den Fokus wieder auf bayerische Themen lenken: "Es geht um die große Idee der Volkspartei CSU", sagte Söder. Ihrer Politik sei der Erfolg Bayerns zu verdanken, erläuterte er in seiner Gillamooser Rede selbstbewusst: "Bayern ist Sprungbrett und Schutzschild, Bundesländer wie Berlin sind dagegen die Resterampe der Republik."

Mit dieser Strategie könnte sich der derzeitige Landesvater aber verzocken: Dem Bayerntrend zufolge spielt für die Mehrheit der Befragten die Berliner Politik bei ihrer Wahlentscheidung in Bayern eine große Rolle.

Hessen und Bayern: Die letzten Landtage ohne AfD

Der größte Konkurrent in diesem Wahlkampf scheint für die CSU die rechtspopulistische AfD zu sein. Bereits zur Bundestagswahl hatte die rechtspopulistische Partei den Christsozialen in einigen Wahlkreisen ordentlich Stimmen abgerungen, allen voran in Deggendorf. Für diesen Stimmbezirk tritt Katrin Ebner-Steiner an. Die Niederbayerin gilt als inoffizielle Spitzenkandidatin der AfD.

Die rechtspopulistische AfD punktet in Bayern vor allem mit dem Thema AsylpolitikBild: picture-alliance/dpa/L. Mirgeler

Bayern und Hessen haben die letzten deutschen Landesparlamente, in dem die Rechtspopulisten noch nicht sitzen. Der Bayerntrend-Umfrage zufolge punkten die Rechtspopulisten bei Wählern in erster Linie mit asylpolitischen Themen. Mit ihrem Wahlprogramm setzt die AfD in Bayern auf provokative Thesen, wirbt etwa für "islamfreie Schulen" oder lizenzfreien Waffenbesitz. Unterstützung erhalten sie vor allem vom rechten Flügel der Partei. Der thüringische Politiker Björn Höcke redete - begleitet von Protesten - bereits auf einer Wahlkampfveranstaltung, aber auch Alexander Gauland, umstrittenes Mitglied der Parteispitze, ist kurz vor der Wahl mehrfach in Bayern zu Gast.

Mit wem könnte die CSU regieren?

Tatsächlich gilt bereits jetzt die Partei Bündnis 90/Die Grünen als vorhersehbarer Gewinner der Landtagswahl. Die Grünen könnten es den aktuellen Umfragen zufolge erstmals in Bayern auf ein zweistelliges Ergebnis schaffen. Wie bereits zur Bundestagswahl vor einem Jahr tritt die Partei statt mit nur einem einzelnen Spitzenkandidaten mit einem Duo an. In ihrem Wahlkampf konzentrierte sich die Partei vor allem auf einen sachorientierten Wahlkampf. Den Umfragen zufolge überzeugt das die Wähler: Neben ihrer umweltpolitischen Kernkompetenz wird den Grünen laut Bayerntrend auch in anderen Politikfeldern Vertrauen entgegengebracht. 

Den aktuellen Umfragen zufolge könnte die CSU nicht mehr alleine regieren. Sie wird aller Wahrscheinlichkeit nach einen Koalitionspartner brauchen. Die Grünen wollen in die Regierung, das hatten sie bereits vor einem Jahr zum Wahlkampfziel erklärt. Ein schwarz-grünes Bündnis kommt für beide Parteien nur schwer in Frage - für die Wähler dagegen schon eher. Fast die Hälfte der Befragten des Bayerntrends könnte sich eine schwarz-grüne Regierung vorstellen.

Undenkbar scheint eine Koalition aus CSU und AfD. Söder selbst kündigte in einem Interview mit der "Bild"-Zeitung an, die Rechtspopulisten in Bayern vom Verfassungsschutz beobachten lassen zu wollen. Umgekehrt sehen die sich als erklärter Gegner der CSU. "Die AfD ist die Strafe Gottes für die CSU", deklarierte Ebner-Steiner von der AfD-Spitze beim Gillamoos-Volksfest. Auch rein rechnerisch wäre die AfD laut Bayerntrend zu klein.

Die Politik ist kein Jahrmarkt: Trostpreise für die Kandidaten sind nicht vorgesehenBild: picture-alliance/dpa/P. Kneffel

… oder wer kann ohne die CSU?

Wer bleibt übrig? Für eine Große Koalition aus CSU und SPD würde es nicht reichen, dazu wäre auch die SPD mit ihrer aktuellen Prognose zu klein. Ein Bündnis der CSU mit anderen kleinen Parteien gilt ebenfalls als unwahrscheinlich, müssen doch die Liberalen derzeit noch um ihren Einzug ins Parlament bangen. Und eine Regierung ohne CSU? Dafür müssten fast alle Parteien rein rechnerisch kooperieren. Ein solches "Regenbogen"-Szenario mit etwa einer Fünf-Parteien-Regierung und zwei Parteien wie der CSU und der AfD in der Opposition gilt aber als höchst unwahrscheinlich.

Auf die bayerischen Wähler könnte etwas zukommen, das sie vom vergangenen Herbst schon aus Berlin kennen: viele Sondierungsgespräche, lange Koalitionsverhandlungen. Und ein absolutes Novum: Mit dem Einzug der AfD, der FDP und der Linken könnten erstmals sieben Parteien im bayerischen Landtag sitzen. Soviel ist zumindest klar: Wie auf dem Gillamoos unbehelligt von der Konkurrenz Reden zu schwingen, das ist für Bayerns Landespolitiker ab Oktober in München definitiv vorbei.

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