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Musik

Bayreuth: So viele Opern wie noch nie

Gaby Reucher
23. Juli 2022

Nach zwei Corona-Jahren bieten die Bayreuther Festspiele ein opulentes Programm. Doch nicht alles läuft reibungslos. Sexismus-Vorwürfe und Corona überschatten die Vorfreude.

Szene aus der Kinderoper "Tristan und Isolde" bei den Bayreuther Festspielen 2021.
Auch an die Jüngsten wird in Bayreuth gedacht: 2021 wurde "Tristan und Isolde" als Kinderoper aufgeführt (Foto). Dieses Jahr wird es der "Lohengrin" sein.Bild: Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele

Die Bayreuther Festspiele kommen vor der ersten Premiere am 25. Juli nicht zur Ruhe. Zuerst machte die Corona-Pandemie einige Umbesetzungen erforderlich, nun stehen Sexismus-Vorwürfe im Raum. So soll es sexuelle Übergriffe sowie anzügliche Bemerkungen gegenüber Frauen gegeben haben. Das hatte die Zeitung "Der Nordbayerische Kurier" am 22. Juli berichtet. "Mich hat diese Berichterstattung außerordentlich schockiert", sagte Festspielleiterin Katharina Wagner am Samstag (23. Juli) vor der Presse. Bisher habe sich bei der Festspielleitung noch keine Frau gemeldet, die aktuell direkt von den Taten oder Äußerungen betroffen sei. 

Festspiel-Intendantin Katharina Wagner hat sich für 2022 viel vorgenommenBild: Nicolas Armer/picture-alliance/dpa

Katharina Wagner appellierte noch einmal an die Betroffenen, den Mut aufzubringen, sich zu melden. "Man kann mir auch Briefe unter der Bürotür zuschieben. Ich möchte alles dafür tun, dass die Menschen geschützt werden." Sie könne verstehen, dass jemand in einem Abhängigkeitsverhältnis sich ungern äußern möchte, sagt sie.

Von den Anschuldigungen ist auch der Dirigent Christian Thielemann betroffen, der in diesem Jahr Wagners Lohengrin dirigieren wird. Ihm wird vorgeworfen, sich despektierlich in einem internen Schreiben gegenüber zwei Bassistinnen geäußert zu haben. Mit einer Bassistin hat der Verwaltungsvorsitzende Georg von Waldenfels bereits gesprochen. Sie habe die Vorwürfe nicht bestätigt, sagte er auf der Pressekonferenz. Auch Thielemann hatte er um eine Stellungnahme gebeten. Der Dirigent sieht die Angelegenheit als ein Missverständnis. Er sei allgemein mit der Besetzung und den vielen Ersatzmusikern und  -Musikerinnen durch die Corona-Pandemie nicht zufrieden gewesen, sagte er gegenüber Waldenfels. 

Fünf Premieren und drei Wiederaufnahmen

Wer in diesem Jahr zu den Festspielen nach Bayreuth vom 25. Juli bis zum 1. September kommt, kann sich über fünf Premieren freuen. Im Festspielhaus auf dem "grünen Hügel", Pilgerort für Wagnerfans aus der ganzen Welt, gibt es so viele Wagner-Opern zu sehen wie noch nie. Den Anfang macht eine Neuinszenierung von Wagners Liebesdrama "Tristan und Isolde". Mit Spannung wird die neue Inszenierung des Opernzyklus "Der Ring des Nibelungen" erwartet. Für den insgesamt 16-stündigen Zyklus "Der Ring des Nibelungen", der 1876 uraufgeführt wurde, hatte Richard Wagner sein Festspielhaus nach eigenen architektonischen Ideen bauen lassen. Heute ist das Gebäude für die hervorragende Akustik international berühmt.

 

Der fliegende Holländer mit Asmik Grigorian steht auch in diesem Jahr auf dem SpielplanBild: Enrico Nawrath/Festspiele Bayreuth/picture alliance

Neben "Tristan und Isolde" und Wagners "Ring" mit den vier Teilen "Das Rheingold", "Die Walküre", "Siegfried" und "Götterdämmerung", werden auch die Opern "Lohengrin" und "Tannhäuser" wieder aufgeführt. Darüber hinaus der "Fliegende Holländer" aus dem vergangenen Jahr, dirigiert von Oksana Lyniv, die nach wie vor die erste Frau am Dirigentenpult der Bayreuther Festspiele ist. Es werden also acht verschiedene Vorstellungen geboten von insgesamt nur zehn Wagner-Opern, die der Komponist für eine Aufführung im Festspielhaus erlaubt hat. Die Familie Wagner hält sich bis heute an diese Vorgabe.

Ringtausch beim "Ring" in letzter Minute wegen Corona

Corona begleitet die Festspiele noch hinter den Kulissen. In der Mitte Valentin Schwarz.Bild: Bayreuther Festspiele/Emilie Mayer

 Neben der Sexismus-Debatte merkt man in Bayreuth auch schmerzlich, dass die Corona-Pandemie noch nicht vorüber ist. Erst vor einigen Tagen musste der finnische Dirigent Pietari Inkinen, der mit dem Festspielorchester den "Ring" einstudiert hatte, wegen einer schweren Corona-Erkrankung zurücktreten. An seiner Stelle wird nun Cornelius Meister, Generalmusikdirektor der Staatsoper Stuttgart, den "Ring" dirigieren. In dieser Saison hatte er mit dem Festspielorchester eigentlich "Tristan und Isolde" einstudiert, das übernimmt nun Markus Poschner, Leiter des Bruckner-Orchesters in Linz.

"Das ist eine Notsituation, die man sich nicht ausgesucht hat", sagte Meister der Deutschen Presseagentur. Den "Ring" habe er zum Glück schon öfter dirigiert und mit dem Team komme er zurecht. "Deswegen fühle ich mich in der 'Ring'-Produktion bereits sehr wohl und heimisch." 2023 wird Meister dann wieder "Tristan und Isolde" in Bayreuth übernehmen.

"Tristan und Isolde", Liebe bis in den Tod

Regisseur Roland Schwarz und Sängerin Catherine Foster als "Isolde" bei den ProbenBild: Bayreuther Festspiele/Emilie Mayer

Im Liebesdrama soll der Ritter Tristan seinem Onkel die Königstochter Isolde als Braut bringen. Durch einen Zaubertrank verlieben sich die beiden, was nicht ungestraft bleibt und mit dem Tod endet. Katharina Wagner selbst hatte das Drama 2015 recht düster inszeniert. Musiktheaterregisseur Roland Schwab will es als "ultimatives Stück über die Liebe" anlegen, heißt es in der Vorankündigung.

Auch wenn Tristan und Isolde am Ende sterben, soll ein Hoffnungsschimmer bleiben. "Wir leben in einer so desillusionierenden Zeit, dass ich mir die Freiheit rausnehme und eine wirkliche Utopie der Liebe schaffen möchte. Ein Bekenntnis zur Schönheit", sagte Schwab dem Bayerischen Rundfunk.

Der "Ring" als Netflix-Familiensaga

Hermann Nitsch inszenierte "Die Wallküre" 2021 im gewaltigen FarbenrauschBild: Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele

Wagners "Ring des Nibelungen" sollte eigentlich schon 2020 über die Bühne gehen, musste aber wegen Corona verschoben werden. Einen Vorgeschmack gab es im vergangenen Jahr bei einem multimedialen "Ring" an einem Tag, zu dem auch eine Inszenierung der "Walküre" des österreichischen Aktionskünstlers Hermann Nitsch gehörte. In einem abstrakt gehaltenen Bühnenbild ließ er Farben über weiße Wände gießen.

Den neuen vierteiligen "Ring des Nibelungen" vergleicht der junge, vielfach ausgezeichnete österreichische Regisseur Valentin Schwarz mit einer Netflix-Serie: Eine Abfolge von mehreren Teilen, die in kurzer Zeit hintereinander konsumiert werden.

Regisseur Valentin Schwarz sieht Wagners "Ring" als "große Familiensaga"Bild: Daniel Karmann/dpa/picture alliance

Deutsche Sagen bilden die Grundlage für Wagners "Ring des Nibelungen". Er hat sein Werk als großes Gesellschaftsdrama angelegt, bei dem es um Macht, Geldgier, Missgunst und Intrigen in der Götterwelt und auf Erden geht. "Der Ring ist ein gewaltiges Familienepos in fast griechischem Format und ist deshalb wie gemacht für eine filmische Herangehensweise", erklärt Schwarz im Trailer zur "Götterdämmerung".

Bayreuth für alle

Wie in jedem Jahr gibt es parallel zu den Festspielen auch eineSonderausstellung im Wagner Museum. Unter dem Titel "VolksWagner. Popularisierung - Aneignung - Kitsch" besuchen.  Wird die Vermarktung und Poularisierung des Komponisten zwischen "Bierwerbung, Heavy Metal und Traualtar" azfgegriffen.

Villa Wahnfried, das einstige Wohnhaus der Familie Wagner ist heute ein MuseumBild: Gaby Reucher/DW

Für Wagner-Neulinge bietet das Museum neuerdings an den Aufführungstagen auch spezielle Führungen unter dem Motto "Festspiele für Einsteiger" an. "Ich hatte das Gefühl, dass immer mehr Menschen zum ersten Mal nach Bayreuth kommen, und nicht gleich für 30 oder 40 Jahre", sagt Museumsleiter Sven Friedrich der DW. Richard Wagner und die Festspiele hätten für Neulinge oft etwas Erhabenes und Einschüchterndes. "Ich habe mir gedacht, den Leuten einfach etwas über die Festspielidee und den Ablauf eines Festivaltages zu erzählen."

In der Vergangenheit wurde der Museumsleiter öfter mit praktischen Fragen konfrontiert, etwa zum Dresscode oder zur Länge der Pausen. Auch die Prominenz vor Ort hat Besucher interessiert. "Da wurde auch gefragt, ob denn 'die Merkel' kommt". Diese Frage lässt sich auch in diesem Jahr mit "Ja" beantworten. Alt-Kanzlerin Angela Merkel hat bereits zugesagt, Bundeskanzler Olaf Scholz wird nicht zur Premiere von "Tristan und Isolde" erscheinen, dafür aber unter anderem Kulturstaatsministerin Claudia Roth.

Oksana Lyniv dirigiert Wagner

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