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Bayreuther Festspiele eröffnet

Rick Fulker / dgp26. Juli 2014

In der letzten Auflage von Sebastian Baumgartens "Tannhäuser"-Inszenierung gab es zwar ein eher unansehnliches Bühnenbild und ein technisches Malheur, aber auch eindrucksvolle Klänge aus dem Orchestergraben.

Bayreuther Festspiele 2014 (Foto: DW)
Bild: DW/R.Fulker

"So etwas ist in der 138-jährigen Geschichte der Bayreuther Festspiele noch nie passiert", sagte Sven Friedrich, Leiter des Wagner-Archivs in der Villa Wahnfried, der DW - er meinte die Unterbrechung der Premierenvorstellung bei den 103. Wagner-Festspielen.

Auf einer kreisförmigen Unterbühne wird die Unterwelt der Venus, der Göttin der Liebe, auf Bühnenebene hochgefahren - gestemmt von hydraulischen Mechanismen, gezogen von Stahlseilen. 20 Minuten nach Vorstellungsbeginn stagnierte die Hydraulik, aber die Seile von oben zogen weiter. Zwei hölzerne Gitterstäbe der Bühnenkonstruktion zerbarsten und fielen laut zu Boden. Niemand wurde verletzt.

Nach der Zwangspause strömt das Publikum wieder ins Festspielhaus hineinBild: DW/R.Fulker

Die Struktur blieb auf mittlerer Höhe hängen, Tannhäuser (Torsten Kerl) und Venus (Michelle Breedt) sangen darunter tapfer weiter. Doch dann verstummte das Orchester, der Vorhang schloss sich, und ein Bühnentechniker bat das Publikum, für 20 Minuten den Saal zu verlassen, während man sich um das technische Problem kümmerte. Etwa 50 Minuten später dann die Glocke - es ging weiter. Nur ungefähr an gleicher Stelle setzte die Oper wieder ein, und das Bühnengeschehen wurde von da an zum Teil improvisiert.

Bei all dem Perfektionismus der Bayreuther Festspiele, wo jedes kleinste Detail und auch nur ein Hauch von Störung peinliche Beachtung finden, fällt dieser 25. Juli in eine ganz eigene Kategorie. Bei Sebastian Baumgartens "Tannhäuser" sitzen Zuschauer auch auf der Bühne - und müssen entsetzt gewesen sein. "Es hat etwas mit Theater zu tun, im Theater kann das passieren", sagte der Bühnenregisseur nach Ende der Vorstellung im Gespräch mit der DW. "Es bringt sogar eine Spannung in die Aufführung, die manchmal gar nicht so schlecht ist."

Regisseur Sebastian BaumgartenBild: dapd

Hinweise auf ein größeres Problem?

Das Bayreuther Publikum neigt allerdings dazu, Dinge symbolisch zu sehen. Das Malheur wurde schnell als Sinnbild größerer Probleme interpretiert. Tatsächlich ist in diesem Jahr vieles anders. Zum einen gab es statt einer Pressekonferenz nur eine Art informellen Austausch mit dem Sprecher der Festspiele. Zum ersten Mal seit Urzeiten gab es am Eröffnungstag noch immer Karten zu kaufen, sowohl online als auch an der Theaterkasse. Und eine neue Produktion blieb aus - das ist im Folgejahr einer Neuinszenierung des "Ring"-Zyklus allerdings eigentlich üblich. Selbst die Abwesenheit von Bundeskanzlerin Angela Merkel am Eröffnungstag schien viele zu enttäuschen. Es war klar, dass es nach all dem Tamtam im Wagner-Jubiläumsjahr 2013 etwas ruhiger werden würde, aber hier schien mehr im Argen zu liegen.

Baumgartens Interpretation des "Tannhäuser" wirkte in ihrem vierten und letzten Jahr gereifter. Die empörendsten, willkürlichsten Einfälle - wie das Recyceln von Exkrementen - sind verschwunden. Wenn das Publikum auch noch immer keinen Gefallen daran findet, ist es nun zumindest daran gewöhnt, die Ritter der Wartburg als Bewohner einer Biogasanlage zu erleben: So kann es seine Aufmerksamkeit jetzt den Protagonisten widmen - und die machen ihre Sache gut. Unter ihnen stach Markus Eiche mit perfekter Intonation, großer Energie und einer überzeugenden Darstellung der Figur des Wolfram von Eschenbach besonders heraus. Die finnische Sopranistin Camilla Nylund glänzte mit einer nuancierten und lebendigen Interpretation der Elisabeth. Beide entstammen noch der Ära Eva Wagner-Pasquiers, die gemeinsam mit Katharina Wagner die Festspiele leitet, aber 2015 aufhören wird. Auch dieser bevorstehende Abschied schien dem Festival nichts Gutes zu verheißen - obwohl das einfach eine Reflektion der Stimmung am Eröffnungstag sein könnte.

Der Meister dirigiert - fast unbemerktBild: DW/R.Fulker

Deutlich gehoben wurde diese Stimmung von den Klängen aus dem Orchestergraben. Axel Kober, aufgewachsen in Bayreuth, vollbrachte das Kunststück, nicht nur die gewaltigen Kräfte des Chores, der Sänger und des Orchesters über eine riesige Bühnenfläche hinweg - oben und unten - zusammenzuhalten: Er tat dies auch auf solch frische und stürmische Art, wie ein Werk es braucht, das sich rund um sinnliche und künstlerische Leidenschaft dreht.

Die Zukunft der Festspiele

2015 wird sich Katharina Wagner, die zweite Festspielleiterin und Urenkelin Richard Wagners, mit ihrer Inszenierung von "Tristan und Isolde" selbst in die Schusslinie begeben; dirigieren wird Christian Thielemann. Das Folgejahr wird dann mit einem neuen "Parsifal" von Jonathan Meese eröffnet werden, einem Künstler, der schon mehr als ein Mal wegen seines Einsatzes von Nazi-Symbolik Schlagzeilen gemacht hat. Am Dirigentenpult wird hier der allseits gefeierte Andris Nelsons aus Lettland stehen. Und 2017 wird sich der australische Regisseur Barrie Kosky an den "Meistersingern von Nürnberg" versuchen, unter dem Dirigat von Philippe Jordan.

Bröckelt nicht nur die Fassade?Bild: DW/R. Fulker

Nach vielen Wagner-Inszenierungen verkündete Kosky, der Direktor der preisgekrönten Komischen Oper in Berlin, er wolle Wagner nun den Rücken kehren. Doch dann gab er nach und sagte: "Wagner lässt einen nicht in Ruhe." Viele auf dem Grünen Hügel würden wohl sofort zustimmen - selbst nach der schwierigen Eröffnung der diesjährigen Auflage.

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