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Bayreuther Festspiele eröffnet

Gaby Reucher
26. Juli 2025

Mit KI und digitalen Welten locken die Bayreuther Festspiele schon für das Jubiläumsjahr 2026. Bei Wagners "Meistersingern" geht es zum Auftakt um Brüche mit Traditionen. Eine Blaupause für die Lage der Festspiele?

Bunt gekleidete Menschen tanzen auf Holzbühne und Strohballen vor strahlender Sonne aus gelben Glühbirnen im Hintergrund.
Große Oktoberfeststimmung im letzten Akt von Wagners "Meistersingern"Bild: Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele

Auf die Eröffnung der Bayreuther Festspiele mit Wagners "Meistersinger von Nürnberg" als Komödie war man gespannt. Regisseur Matthias Davids inszenierte die Oper, in der es um einen Sängerwettstreit im 16. Jahrhundert geht, als Lustspiel.

Bei Davids gibt es keine Anspielung auf die Nationalsozialistische Vergangenheit dieser Oper, die Adolf Hitler als die "deutscheste Oper" von Richard Wagner bezeichnete. Es gibt auch keine Anspielung auf antisemitische Züge, wie sie der gefeierte australische Regisseur Barrie Kosky in seiner Inszenierung von 2017 in Bayreuth im Umgang mit der Figur des Sixtus Beckmesser herausgearbeitet hatte.

"Mir geht es nicht darum, die gesamte Rezeptionsgeschichte in die Inszenierung zu packen, sondern den Humor hervorzuheben, von dem unglaublich viel im Werk zu finden ist. Wir suchen die Leichtigkeit in den Meistersingern", so Davids.

Regisseur Matthias Davids hat auf die Komik der Meistersinger von Nürnberg gesetzt. Allzu viel zu holen war da nicht.Bild: Daniel Vogl/dpa/picture alliance

Was sind die Bayreuther Festspiele?

Beim Publikum kam das an, die Kritiker waren geteilter Meinung. Großen Applaus gab es für die Hauptprotagonisten: für den Bass-Sänger Georg Zeppenfeld in der Rolle als Meistersinger Hans Sachs und für Michael Spyres, der gleichermaßen Bariton und Tenor singen kann. Die Rolle des Edelmannes Walther Stolzing war für den US-Amerikaner das Debüt bei den Bayreuther Festspielen. "Das schwerste für mich bei Wagner sind diese Wortspiele. Es ist wie ein Labyrinth in einem Wald durch das Gehirn von Wagner", sagte er vor der Presse in Bayreuth.

Der Publikumsliebling des Abends war wider Erwarten Michael Nagy als Beckmesser, der cool in Sonnenbrille seine E-Laute zupfte und gesangstechnisch überzeugte. Nicht – wie in vielen anderen Inszenierungen – nur schräg vor sich hinsang als Karikatur seiner selbst. Musikalisch geleitet wurde das Bayreuther Festspiel Orchester von dem Italiener Daniele Gatti, der Wagners Marschrhythmen teils tänzerisch und spielerisch dirigierte. "Er hat es nicht so deutsch gespielt", freute sich eine italienische Zuschauerin im Publikum.

Politiker, Stars und Promis auf dem roten Teppich: Angela Merkel war in diesem Jahr wieder dabei.Bild: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Unter den Gästen waren neben Altkanzlerin Angela Merkel und CSU-Chef Martin Söder auch Bundeskanzler Friedrich Merz und Kulturstaatsminister Wolfram Weimer.

Die Bayreuther Festspiele sind das bedeutendste Opernfestival Deutschlands - vom Komponisten im 19. Jahrhundert selbst ins Leben gerufen. 1876 liefen sie zum ersten Mal. Es werden ausschließlich Richard Wagner-Opern gespielt aus einem Kanon von zehn seiner Opern, die Wagner für sein eigens errichtetes Festspielhaus ausgewählt hat. Jedes Jahr kommen rund 60.000 internationale Besucher, um Wagners Opern an der originalen Spielstätte zu hören.

Um was geht es in den "Meistersingern von Nürnberg"?

Bei den Meistersingern geht es um ein großes Wettsingen der Handwerker in der mittelalterlichen Stadt Nürnberg. Es geht um die Wahrung der Tradition und die Sprengung von Grenzen. Nach bestimmten Regeln müssen die Mitstreiter Verse verfassen. Stadtschreiber Sixtus Beckmesser achtet streng auf die Regeln. Besonders als der Ritter und Edelmann Walther Stolzing auftaucht und mit seinem schönen, aber regelwidrigen Gesang den Schuster und anerkannten Meistersänger Hans Sachs für sich einnimmt. Dem Sieger winkt in diesem Fall nicht Geld, sondern Eva zur Frau, die Tochter des Goldschmieds Veit Pogner. Die begehren Stolzing und Beckmesser gleichermaßen.

Die Kulisse ist das fränkische Nürnberg in Süddeutschland mit bunten Fachwerkhäusern, die wie übereinandergestapelte Bauklötze aussehen. Die Austragung des Wettbewerbs auf der Festwiese gleicht in der letzten Szene einem bayerischen Oktoberfest, die Männer in Lederhosen, die Frauen in Dirndln. Die Geschichte spielt nicht wie bei Wagner im 16. Jahrhundert, sondern im hier und jetzt. Wagners Meistersinger gelten nicht nur als komische Oper, sondern auch als die deutscheste aller Wagner-Opern, singt doch Hans Sachs ein Lob auf die deutsche Kunst und die Tradition der Meistersinger.

Nächtliche Prügelei zwischen Nachbarn, Gesellen und Meistern: Grund war ein Ständchen, das Beckmesser für Eva singen wollte. Bild: Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele

Lustig war es über weite Gesangsstrecken nicht gerade. Kleine Szenen und Accessoires in der Oper sorgten für einzelne witzige Momente, etwa wenn an der steilen Treppe hoch zur Kirche ein Verkehrsschild steht, das – typisch deutsch - vor der Abrutschgefahr warnt. Oder dass Merkel nicht nur als Person real im Publikum sitzt, sondern beim Trubel auf der Festwiese auch als Figur im grünen Kleid dabei ist.

Beim seinem ersten Versuch vor den Meistern zu singen scheitert Walther Stolzing in seinem Batik-T-ShirtBild: Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele

Tradition und Moderne

Dass die Sänger diesen Wettstreit nach festen Regeln austragen, ist Tradition. Eine Frau als Preis, das ist ungewöhnlich, und dass ausgerechnet ein unbekannter Sänger, der nicht aus dem Kreis der Meister kommt, mitmachen darf und am Ende noch gewinnt, zeigt, wie Traditionen langsam bröckeln. Allein die Figur des Hans Sachs ist jenseits von oberflächlichem Humor ständig im Zwiespalt das Neue zu mögen, aber die alten Regeln nicht brechen zu wollen.

Richard Wagner, der im 19. Jahrhundert als großer Bühnenerneuerer galt, hat sich bei dieser Oper übrigens auch selbst ein Denkmal gesetzt. Seine Briefe hat er oft mit "Hans Sachs" unterschrieben, der eine historische Figur ist und im 16. Jahrhundert tatsächlich ein bekannter Meistersinger war. Auch die Figur Walther Stolzing ist auf Wagner zugeschnitten nach dem bekannten innovativen Minnesänger Walther von der Vogelweide. Und selbst Beckmesser, der am Ende scheitert, soll Wesenszüge von Wagner haben. 

Beim seinem ersten Versuch vor den Meistern zu singen scheitert Walther Stolzing in seinem Batik-T-ShirtBild: Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele

Festspiele werden 150 Jahre alt

So wie Wagners Meistersinger mit der Tradition und den modernen Einflüssen ringen, so geht es auch den Bayreuther Festspielen. Um ein jüngeres Publikum zu gewinnen, engagierte die Intendantin und Urenkelin von Richard Wagner, Katharina Wagner, 2022 den Regisseur Valentin Schwarz, der seine Inszenierung vom "Ring des Nibelungen" als Netflix-Serie mit Cliffhangern umsetzte. Die umstrittene Inszenierung läuft in diesem Jahr zum letzten Mal in Bayreuth.

2026 werden Wagners Festspiele 150 Jahre alt. Dann wird der "Ring des Nibelungen" mit Hilfe von KI neu inszeniert. Der Kurator des Projekts, Marcus Lobbes, Direktor der Akademie für Theater und Digitalität am Theater Dortmund, arbeitet an dem mit insgesamt 16 Stunden längsten Wagner-Werk mit KI für die Kulisse. Die künstliche Intelligenz soll Bilder auswählen, die aus vergangenen Aufführungen stammen. Diese werden digital auf die Bühne projiziert. Ob das vier Vorstellungen trägt, wird sich zeigen, denn ein reales Bühnenbild gibt es nicht.

Intendantin Katharina Wagner ist offen für neue IdeenBild: Karl-Josef Hildenbrand/dpa/picture alliance

Gesellschaftspolitik bei den Bayreuther Festspielen

Auch politisch soll es 2026 wieder werden bei der noch nie in Bayreuth aufgeführten Oper "Rienzi". Die steht zwar nicht in dem von Wagner festgelegten Kanon der zehn Bayreuth-Opern, darüber setzt sich Katharina Wagner aber hinweg.

Die Oper handelt von Cola di Rienzo, einem spätmittelalterlichen römischen Volkstribun, der mit den Adligen brechen will, um Rom wieder zu Macht und Stärke zu verhelfen. Regisseurin Alexandra Szemeredy geht es um den Menschen hinter der politischen Maske des Diktators. "Wir beleuchten nicht direkt die Diktatur, sondern suchen die Grenzen, wie sich aus Populismus immer mehr ein autoritäres System entwickelt und sich eine Utopie in eine Dystopie verwandelt", erläuterte Szemeredy in Bayreuth. Rienzi, der Held von Richard Wagners gleichnamiger Oper, war Hitlers Vorbild.

Weil die Finanzen nicht zuletzt durch gestiegene Personalkosten knapp sind, können nicht wie ursprünglich geplant alle zehn von Wagner vorgesehenen Opern in Bayreuth aufgeführt werden. Parsifal und der Fliegende Holländer sind aber noch mit von der Partie. Geplant ist dazu eine große Geburtstagsfeier und ein buntes Rahmenprogramm. "Wie das aussieht, da müssen wir abwarten". sagt Intendantin Katharina Wagner. Sie will nichts versprechen, was am Ende an mangelndem Geld scheitern könnte.

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