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Politik

Beck: Wir sind kein "Sanatorium für Verbrecher"

9. Januar 2018

Als Oberster Richter war der iranische Ayatollah Shahrudi für zahlreiche Todesurteile verantwortlich. Derzeit lässt er sich in Deutschland medizinisch behandeln. Für Grünen-Politiker Volker Beck ist das ein Unding.

Volker Beck Bundestagsabegordneter Die Grünen
Bild: picture-alliance/dpa/J. Carstensen

Deutsche Welle: Herr Beck, Sie haben den iranischen Ayatollah Mahmud Haschemi Shahrudi wegen Mordes und wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angezeigt. Woher kennen Sie ihn?

Volker Beck: Ich habe Presseberichte über ihn gelesen. Er ist momentan für eine medizinische Behandlung in einer Klinik in Hannover. Ich weiß, dass er als Chef der Justiz und als Richter für zahlreiche Todesurteile verantwortlich ist. (Anm. d. Red.: Shahrudi war von 1999 bis 2009 Oberster Richter des Iran. Während dieser Zeit wurden rund 2000 Verurteilte hingerichtet, darunter auch zahlreiche Minderjährige.) So etwas darf nicht ungeahndet bleiben. Deutschland darf nicht zu einem Sanatorium für Verbrecher werden. Deshalb habe ich die Staatsanwaltschaft mit einer Anzeige zur Tätigkeit gezwungen. Und ich wundere mich auch, wie ein Mann wie Shahrudi überhaupt ein deutsches Visum bekommen konnte.

Ist Shahrudi der einzige Politiker aus einem autoritären Land, der nach Deutschland gekommen ist, um hier behandelt zu werden?

Nein, leider nicht. Ich war lange Jahre im Menschenrechtsausschuss des Deutschen Bundestages. Wir haben immer wieder mit der Regierung und auch mit der Generalbundesanwaltschaft darüber gestritten, dass das Strafgesetzbuch kein Poesiealbum ist, sondern zur Anwendung kommen muss. Etwa, wenn es um Verbrechen gegen die Menschlichkeit geht. Bei derartigen Verbrechen muss ermittelt werden. Und Menschen, die solche Verbrechen begehen, müssen wissen: Sie sind auf dieser Welt nicht sicher.

Mahmud Shahrudi lässt sich derzeit in einem deutschen Krankenhaus behandelnBild: entekhab

Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass Ayatollah Shahrudi in Deutschland zur Verantwortung gezogen wird?

Ich kenne seinen Status nicht. Ich weiß nicht, ob die Bundesregierung ihm Immunität zugesichert hat oder nicht. Wenn ja, wäre das rechtlich fehlerhaft. Weil er nicht der iranischen Regierung angehört, sondern nur ein Funktionär ist, der als Privatmann eingereist ist. Das kann ich nicht abwägen.

Viele Kritiker im Iran beschuldigen Deutschland, nur an wirtschaftlicher Zusammenarbeit mit dem Iran interessiert zu sein und weniger die Situation der Menschenrechte im Blick zu haben. Wie bewerten Sie jetzt die Haltung der deutschen Regierung?

Ich war einmal im Jahr 2006 im Iran. Dort habe ich viele Menschen getroffen, mit Mitgliedern des Parlaments gesprochen, mit den Angehörigen verschiedener Religionsgemeinschaften, mit den islamischen Stiftungen. Ich habe mich mit ihnen über Menschenrechte unterhalten. Ich habe eigene Eindrücke. Ansonsten habe ich mir den Iran durch meine Tätigkeit im Menschenrechtsausschuss immer aufmerksam angeschaut. Weil der Iran einfach eines der Länder ist, das - anders als Saudi-Arabien - den Menschenrechtspakt der Vereinten Nationen unterschrieben hat, was erst einmal positiv ist. Aber andererseits ist der Iran auch ein Land, das sich zum Beispiel bei der Anwendung der Todesstrafe nicht daran hält. Zum Beispiel die Todesstrafe bei Minderjährigen. Der Pakt erlaubt die Todesstrafe ohnehin nur bei schwersten Verbrechen und nicht etwa bei Homosexualität oder "Delikten", die in den meisten Ländern dieser Welt gar nicht strafbar sind.

Deutschland soll deutlich machen, dass wir einerseits unsere vertraglichen Verpflichtungen gegenüber dem Iran im Zusammenhang mit dem Atomdeal einhalten, wenn der Iran sich an diesen Vertrag hält. Aber andererseits müssen wir klar machen, dass wir nicht wegschauen bei der Unterdrückung der iranischen Zivilgesellschaft, beim Fehlen von Religionsfreiheit, bei der Verfolgung von Frauen, die nicht so leben wollen oder handeln, wie sich die Ayatollahs das wünschen.

Und da würde ich mir von der Bundesregierung schon etwas mehr Klarheit wünschen. Wenn ich verstehe und auch dafür Verständnis habe, dass man natürlich mit einer Regierung in der Außenpolitik auch dann kooperieren muss, wenn man ihre Herrschaftsformen ablehnt. Das ist in der Außenpolitik so. Aber man darf dabei einen klaren Standpunkt einnehmen.

Ich habe schon auch ein bisschen den Eindruck, dass man sehr viel Priorität auf die wirtschaftlichen Beziehungen legt und andere Fragen hintangestellt hat. Und ich halte das für einen Fehler. Ich halte es einen Fehler beim Iran und ich halte es auch für einen Fehler bei Saudi-Arabien.

Volker Beck war von 1994 bis 2017 für Bündnis 90/Die Grünen Mitglied im Deutschen Bundestag. Zu seinen Schwerpunkten gehörten Innenpolitik und Menschenrechte. 

Das Interview führte Shabnam von Hein.