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Musik

Beethoven - ein rheinisches Phänomen

Rick Fulker
6. September 2018

Ludwig van Beethoven ist ein globaler Superstar der Klassik. Seine Wurzeln aber hatte er in einem Umfeld, das dem jungen Genie ideale Bedingungen bot: dem Rheinland. Dort pflegte man auch schon früh seinen Kultstatus.

historische Ansicht Bonn um 1790 -  Schloss Poppelsdorf
Bild: picture-alliance/akg-images

Bonn, Ende des 18. Jahrhunderts: Das Musikleben pulsiert. An der Residenz des Kölner Kurfürsten und Erzbischofs gibt es seit Generationen eine glänzende Hofkapelle mit Chor und Orchester. An der Oper hört man die neuesten italienischen und französischen Opern in deutscher Übersetzung, auch deutsche Singspiele. Vor allem wird Mozart hier sehr geschätzt. An den Kirchen werden große musikalische Messen aufgeführt. Der Kurfürst Maximilian Franz singt und spielt selbst und sammelt die besten Musiker Europas um sich: aus Italien, Böhmen und dem ganzen deutschsprachigen Raum.

Das ist die Musikkultur, in die der junge Ludwig van Beethoven hineinwächst. Schon als Elfjähriger spielt er Orgel in verschiedenen Bonner Kirchen. Als Dreizehnjähriger wird er zum Vizehoforganist ernannt und verdient sogar Geld mit der Tätigkeit. Es wird erzählt, dass der Junge sich stolz in seiner Uniform auf der Straße zeigte. Im Hoftheater spielt er Bratsche, bei den Kammermusikern des Kurfürsten Klavier. 

Sammelwut und Spielfreude

Beethovens Großvater war einst Kapellmeister, sein Vater Sänger am Bonner Hof. Der junge Ludwig hat einflussreiche Förderer und die bestmögliche musikalische Unterweisung. Im Alter von 21 Jahren schickt ihn Kurfürst Maximilian Franz nach Wien, um beim Komponisten Joseph Haydn den letzten musikalischen Schliff zu erhalten. Das war nicht ganz selbstlos: Der Kurfürst hat die Kosten wohl auf sich genommen, um nach Beethovens Rückreise einen frischgebacken Hofkapellmeister zu erhalten.

Bonn um 1790Bild: picture-alliance/akg-images

Es kommt anders: 1794 besetzen Napoleons Truppen das Rheinland. Die Residenz wird aufgelöst, der Kurfürst geht nach Wien und seine große Musiksammlung kommt irgendwann auf Umwegen nach Modena in Norditalien, wo sie erst seit wenigen Jahren im Rahmen eines Forschungsprojekts ausgewertet wird.

Diese Sammlung gibt einen Einblick in die Musikpflege in Bonn zu Zeiten von Maximilian Franz und damit in die Musik, die Ludwig van Beethoven als Kind und als Jugendlicher hörte und spielte - und die ihn beeinflusste.

Wie ging es weiter im Rheinland?

Die französische Besetzung bedeutete das vorläufige Ende der Bonner Musiktradition. "Eine andere, staatshuldigende Musik war gefragt", erklärt Christine Siegert, Leiterin des Archivs und des Verlags des Bonner Beethoven-Hauses. Auf die Aktion kam aber im Laufe der Jahre die Reaktion: Deutschlandweit, auch im Rheinland, entstand die Sänger-Bewegung, in der Bürger an der Basis in Form von Musik ein identitätsstiftendes Kulturgut fanden und mitunter auch Widerstand gegen Fremdherrschaft zum Ausdruck brachten, sei sie von den Franzosen - oder später von den Preußen.

Und Musikfeste: Schon ab 1818 gab es­ die ersten Niederrheinischen Musikfeste, in denen Hunderte von Berufsmusikern und Laien mitmachten. Diese Feste wurden von Bürgern organisiert und fanden nach Rotationsprinzip in wechselnden Städten statt: Köln, Düsseldorf und Aachen. Prominente Musiker wie etwa Felix Mendelssohn Bartholdy machten mit.

Das Beethoven-Haus ist Pilgerstätte für Beethovenfans aus der ganzen WeltBild: DW/M. M. Rahman

Es war dann auch bei den Rheinischen Musikfesten, wo Ferdinand Ries 1824 für die deutsche Erstaufführung von Beethovens Neunter Sinfonie sorgte. Der Komponist hatte seinem einstigen Schüler die Noten überlassen. Nach und nach wurden auch die anderen Sinfonien des "Wiener" Komponisten Beethoven aufgeführt in dem Land, in dem er einst zur Welt gekommen war.

Beethovenhysterie in der Geburtsstadt

1845 - Beethoven war bereits 18 Jahre tot - sollte sein 75. Geburtstag in Bonn mit einem besonderen Fest gefeiert werden. Unter den Impulsgebern waren die Komponisten Robert Schumann und Franz Liszt. "Liszt stiftete aus eigenem Geld 20 Prozent der Kosten für das neue Beethoven-Denkmal am Münsterplatz, ließ im Zeitraum von nur zehn Tagen einen Konzertsaal aus Holz errichten und komponierte eine Kantate extra für die Feier", erzählt Christine Siegert im DW-Gespräch.

Aus ganz Europa kamen Musik-Begeisterte nach Bonn. Die Beethoven-Manie nahm extreme Erscheinungsformen an: Besucher gingen zum vermeintlichen Geburtshaus Beethovens, warfen sich auf den Fußboden und weinten. Heute erlebt man eine so direkte Emotionalität nur bei Rockfestivals.

Die Massen hoben den Komponisten auf den Sockel und lagen ihm zu Füßen - und die Könige machten mitBild: picture-alliance/imageBROKER/H. Schmidt

Zunächst hatte der preußische König Friedrich Wilhelm III große Vorbehalte gehabt, einem Nichtadeligen im öffentlichen Raum ein Denkmal zu setzen. Sein Nachfolger Friedrich Wilhelm IV dachte wohl, es sei politisch klüger mitzumachen, kam zum Fest und fand sich in guter Gesellschaft: Nicht nur Musiker aus ganz Europa, sondern auch die englische Königin Victoria war da.

Weitere Einzelheiten zum rheinischen Musikleben zu Beethovens Zeiten finden Sie in der Bildergalerie oben.

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