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Beethovenfest: Campus-Projekt Nigeria

Anastassia Boutsko
10. September 2025

Wenn junge deutsche Musizierende auf nigerianische Altersgenossen und eine Afrobeat-Band in Lagos treffen, ist das für alle eine neue Klangerfahrung. Beim Campus-Konzert in Bonn stehen sie jetzt gemeinsam auf der Bühne.

Gruppe von jungen Musikern und Projektmachern, mit Instrumenten
Die Campus-Musiker sind in Bonn angekommenBild: Thomas Scheider/DW

Die erste Begegnung liegt schon ein paar Monate zurück: Im März reist eine Gruppe junger Musiker des Bundesjugendorchesters (BJO) nach Lagos, der pulsierenden Metropole Westafrikas. Ihre Mission: zusammen mit jungen nigerianischen Musikern ein Konzertprogramm zu erarbeiten, in dem Beethovens Musik neben nigerianischer Musik steht. Mit dabei: die Afrobeat-Band BANTU (Brotherhood Alliance Navigating Towards Unity) und ihr deutsch-nigerianischer Frontmann Adé Bantu. Er sieht sich als Vermittler zwischen den Kulturen Deutschlands und Westafrikas. 

Beethoven(fest) goes Africa

In seiner 24. Ausgabe präsentiertdas Campus-Projekt, ein von der DW und demBeethovenfest Bonn entwickeltes Begegnungsformat, diesmal ein ganz besonderes Land: Nigeria.

Campus-Projekt 2025 - Beethoven goes Lagos

03:06

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Es ist das bevölkerungsreichste Land des afrikanischen Kontinents. Ein Land voller Energie, Dynamik, Ideenreichtum und Widersprüche. Aber es ist auch ein kultureller Hotspot und einmaliger Schmelztiegel – speziell in der Megacity Lagos. "Das war total überwältigend", schwärmt auf der Rückreise nach Deutschland der Klarinettist Luis McCall. "Ich war noch nie in einer so riesigen, chaotischen Stadt. Die Leute waren unglaublich freundlich und hießen uns herzlich willkommen, aber natürlich war es eine totale Reizüberflutung." "Es war einfach fantastisch, mit deutschen Musikern zu spielen", freut sich die nigerianische Violinistin Mary Ifeoluwa. "Jetzt sind wir alle eine Familie."

"Eine Familie geworden": Musikerinnen des BJO und des Musikzentrums MUSON bei Proben in LagosBild: Thomas Scheider/DW

Die Zusammenarbeit mit den Musikerinnen und Musikern in Nigeria sei ein faszinierendes und bereicherndes Erlebnis gewesen, findet auch Sönke Lentz, Orchesterdirektor des BJO und einer der Projektmacher. "Wir konnten erleben, wie Verständnis und Respekt durch die gemeinsame Arbeit an Rhythmen, Melodien und Harmonien aufgebaut werden. So entsteht ein Dialog der Kulturen, der Traditionen respektiert und doch Neues schafft, der Freude und Begeisterung weckt und der Freundschaften besiegelt." Dass Afrobeat mit Beethoven kompatibel sei, lasse sich im Konzert beweisen, meint Lentz.

Ein deutsch-nigerianisches Programm

Zurück aus Lagos wird intensiv gearbeitet. Aus der Energie der ersten Begegnung, den Impulsen und Ideen wird ein Programm entwickelt, in dem Beethovens Freiheits-Ouvertüre "Egmont" auf "Colonial Mentality" von Fela Kuti trifft, den ikonischen Protestsong des Begründers des Afrobeat. Aktuelle Stücke der BANTU-Band stehen neben deutschen und nigerianischen "Traditionals", die vom Posaunisten Isaiah Odeyale neu arrangiert wurden. Auch Mauricio Kagels "10 Marches to Miss the Victory" interpretieren die Musiker. Die Märsche sind ein Symbol des Pazifismus und ein Appell für die Freiheit des künstlerischen Ausdrucks.

Ein nigerianischer Beethoven? Olufęlá (Fela) Şowándé (hier ein Bild aus dem Jahr 1937) brachte Klänge aus seiner Heimat nach EuropaBild: Hulton Archive/Getty Images

Olufęlá Şowándé, ein Nestor der nigerianischen Musik, ist mit Teilen seiner "African Suite" dabei – einem Werk aus dem Jahr 1953, in dem der Komponist die Schönheit und Vielfalt seines Landes preist. "Şowándé war einer der ersten, der die Traditionen seiner Heimat mit einem anderen Instrumentarium ausdrückte, also mit dem klassisch westlichen Musikinstrumentarium", erzählt Thomas Scheider, der das Projekt beim Beethovenfest betreut. "Er hat Volkslieder Nigerias auf eine Weise umgearbeitet, wie es auch Beethoven, Dvořák und Brahms zu ihrer Zeit gemacht haben."

Cassie Kinoshis "odò (river)" - ein Auftragswerk der DW

Die zurzeit in Berlin lebende Komponistin und Saxophonistin Cassie Kinoshi, deren Vater aus Lagos und deren Mutter aus der Karibik stammt, hat 2025 einen Kompositionsauftrag der DW angenommen und für das Campus-Projekt ein neues Werk erschaffen: "odò (river)" für Kammerensemble und "talking drum", die "sprechende Trommel" Westafrikas.

Campus-Komponistin Cassie Kinoshi

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Die Komposition wurde vom gleichnamigen Gedicht des nigerianischen Schriftstellers Sodïq Oyèkànmí aus dem Jahr 2023 inspiriert. "Wasser bestimmt die Symbolik und die Struktur: Es fließt, erinnert, verwebt und verbindet", schreibt Cassie Kinoshi zu ihrem Werk. "Dieses Stück will die Verschmutzung der Gewässer durch die Menschen beklagen. Gleichzeitig stellt es eine Hommage an die mythologische und spirituelle Bedeutung des Wassers in den Traditionen der Yorùbá dar." Die Yorùbá sind ein Volk, das vor allem im Südwesten Nigerias lebt.

Das Stück entstand nach der Campus-Probenphase in Lagos und dem ersten Besuch von Cassie Kinoshi in der Heimat ihres Vaters. Es ist also auch eine musikalische Suche, geprägt von persönlichen Fragen nach Herkunft und Zugehörigkeit. Was bedeutet es, zum ersten Mal an diesem besonderen Ort zu sein? Wie klingt es, sich wieder mit einer Kultur zu verbinden, in die man hineingeboren wurde, außerhalb derer man jedoch aufgewachsen ist? "In diesem Zusammenhang steht der Fluss für mehr als nur unsere kollektive Beziehung zur Natur und unsere Zugehörigkeit zu ihr. Er wird auch zu einer Metapher für Identität: fließend, vielschichtig und stets in Bewegung."

Die zweite Begegnung erfolgte nun im September in Bonn. Eine Woche Zeit hatten die Musiker aus Nigeria und Deutschland für die Proben, um anschließend das Publikum in Bonn beim Beethovenfest und in Berlin im Humboldt Forum zu begeistern.

Adé Bantu: Sänger, Aktivist, Campus-MusikerBild: Victor Adewale

"Die Einzigartigkeit dieses Projektes besteht darin, dass der Kontinent Afrika mit Europa wirklich in einen Dialog kommt", sagt der musikalische Leiter des Projektes Adé Bantu in Bonn. "Da werden Klischees, festgefahrene Vorstellungen und Bilder der afrikanischen Musiker gebrochen. Man verbindet Nigeria sonst nicht mit klassischer Musik – und jetzt wird man auf einmal damit konfrontiert. Und dann gibt es noch den Sound der BANTU-Band." Das sei eine Begegnung auf mehreren Ebenen, eine Herausforderung - auch für das Publikum. "Und es hinterlässt Spuren. Da bin ich mir hundertprozentig sicher - sowohl bei den Zuhörern als auch bei den Musikern", weiß Adé Bantu.

Die Konzerte finden am 11. September in Bonn beim Beethovenfest und am 12. September im Humboldt Forum in Berlin statt.

Die DW überträgt das Bonner Konzertlive auf dem YouTube-Kanal DW Classical Music.

 

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