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Musik

Großes Finale beim Beethovenfest

Gaby Reucher
11. September 2021

Gustav Mahlers 2. Sinfonie war ein würdiger Abschluss der Amtszeit von Intendantin Nike Wagner. Das Fest läutete auch das Ende des Beethoven-Jahres ein.

Ausschnitt Orchester mit Dirigent beim Abschlusskonzert Beethovenfest.
Großes Orchester für Gustav Mahlers 2. Sinfonie, dirigiert von Maxime PascalBild: Barbara Frommann

Gewaltige Klänge und zarte Töne, tänzerische Melodien und dissonantes Chaos mit Weltuntergangsstimmung: Gustav Mahlers 2. Sinfonie überwältigte das Publikum zum Abschluss des Bonner Beethovenfestes 2021, ausdrucksvoll dargeboten vom Mahler Chamber Orchestra und dem Philharmonischen Chor Prag. Die sogenannte "Auferstehungssymphonie" spiegelt musikalisch Freud und Leid des menschlichen Daseins bis in den Tod.

Das Konzert war gleichzeitig auch der Abschied vonNike Wagner als Intendantin des Festivals. Seit 2014 hat die Urenkelin des Komponisten Richard Wagner das Beethovenfest geleitet. Kurz bedankte Sie sich offiziell bei ihren Mitarbeitern und beim Publikum: "Es war eine aufregende Zeit. Das Publikum ist zwar nicht immer mit mir durch dick und dünn gegangen, aber es ist mir auf vielen abenteuerlichen Wegen gefolgt." Viel Experimentelles hatte Nike Wagner in ihren Programmen gewagt und Akzente gesetzt, indem sie zeitgenössische Komponisten beauftragte, sich in neuen Werken mit Beethoven auseinanderzusetzen.

Abschiedsgeschenk für Nike Wagner: Eine lächelnde Beethovenfigur von Ottmar Hörl überreicht Bonns Oberbürgermeisterin Katja DörnerBild: Barbara Frommann

"Auferstehen, ja Auferstehen"

Das Motto "Auferstehen ja Auferstehen"aus dem Schlusschor von Mahlers 2. Sinfonie hatte Nike Wagner bereits für das Corona-bedingt ausgefallene Beethovenfest 2020 gewählt. Jetzt kündigte das Motto passend die Lockerungen der Coronaregeln im Kulturbetrieb an. Rund 100 Musiker konnten nach der langen Durststrecke wieder gemeinsam spielen und Mahlers Mammut-Werk von anderthalb Stunden verwirklichen. Die Zuschauer waren begeistert und applaudierten minutenlang mit Standing Ovations. 

"Ich will, dass die Zuhörer jedes Instrument, jede Nuance und jede besondere Stelle hören können, dass ihnen nichts entgeht", sagte Dirigent Maxime Pascal der DW vor dem Konzert. Von Anfang an konnte der junge Franzose die Spannung halten und das Publikum in den Bann ziehen. Mit tänzerischen Bewegungen und Feinsinn dirigierte er ein hochkonzentriertes großes, erweitertes Mahler Chamber Orchester. Er führte es gekonnt zum gesanglichen Höhepunkt im Schlussteil, harmonisch und gefühlvoll vorgetragen vom Prager Philharmonie-Chor unter der Leitung von Lukáš Vasilek.

Überzeugte mit Stimmgewalt und feinen Tönen: Der Prager Philharmonische ChorBild: Barbara Frommann

Höhepunkt des Beethoven-Jubiläumsjahres

Das Beethovenfest war in diesem Jahr auch eins der großen geförderten Projekte der Beethoven Jubiläums Gesellschaft BTHVN 2020. Das Jubiläumsjahr 2020 zu Beethovens 250. Geburtstag wurde wegen der Pandemie auch noch 2021 fortgeführt. "Ein Großteil der Projekte, die wir uns vorgenommen haben, konnten wir realisieren", bilanzierte Malte Boecker, künstlerischer Geschäftsführer der Beethoven Jubiläums GmbH, im Gespräch mit der DW. Rund 200 nationale und internationale Projekte von Künstlern, Initiativen und Kulturinstitutionen wurden gefördert. Hinzu kamen knapp 20 Eigenveranstaltungen von BTHVN 2020.

Die meisten Projekte habe man noch bis ins Frühjahr 2020 durchführen können, sagt Boecker. Danach war vieles nur noch digital möglich. "Die Projekte haben sich dem angepasst, dadurch hat das Jubiläum einen unheimlichen Innovationsruck bekommen, was die Digitalisierung anbelangt." Dazu gehörte 2020 auch das internationale Pastorale Projekt, an dem sich Musiker aus der ganzen Welt beteiligten, indem sie sich von Beethovens sechster Sinfonie, der "Pastorale", inspirieren ließen. Die Deutsche Welle hat das Projekt begleitet.

"Beethoven war der geeignete Jubilar"

Malte Broecker ist Direktor des Beethoven-Hauses und künstlerischer Geschäftsführer der Beethoven Jubiläums GmbHBild: Beethoven-Haus/David Ertl

2021 hat sich die Ausstellung "Sound and Silence" im Beethovenhaus Bonn, dessen Direktor Malte Boecker auch ist, mit Beethovens Taubheit beschäftigt. "Das war ein großes Projekt, das auch international Spuren hinterlassen hat". Der Konzert-Marathon "Mit Beethoven durch Europa" wurde im Juni europaweit im Fernsehen übertragen. Im Stunden-Abstand erklangen alle Beethoven-Sinfonien aus neun verschiedenen Ländern. Start war in Bonn, der Geburtsstadt des Komponisten, mit der ersten Sinfonie, und es endete mit der Neunten in Wien, wo Beethoven gestorben ist.

Für Malte Boecker war Beethoven gerade im Corona-Jahr der richtige Jubilar. "Er selbst hat durch seine Ertaubung dieses Verstummen der Kultur am eigenen Leibe erfahren." Während der Corona-Pandemie hätten die Menschen gesehen, wie die Kultur tatsächlich zum Erliegen kam. "Deshalb hat sich Beethoven besonders als Identifikationsfigur geeignet und ich glaube, wir haben mit Beethoven die Fahne der Kultur hochhalten können."

Beethovenfest mit viel Beethoven

Mit Beethoven trumpfte Nike Wagner auch noch einmal beim Beehovenfest auf. Kritiker hatten ihr des Öfteren vorgeworfen, nicht genug Werke des Komponisten zu spielen. Bei diesem Fest kamen sie auf ihre Kosten. Gleich am Eröffnungswochenende erklangen  alle neun Beethoven-Sinfonien, darunter die Neuntemit dem Orchester "Le Concert des Nations" unter der Leitung von Jordi Savall. Außerdem waren alle Sinfonien noch einmal in der Klavierfassung von Franz Liszt zu hören, gespielt von renommierten Pianisten.

Bei Sotheby's versteigert: Das letzte Notenblatt aus der Originalpartitur von Gustav Mahlers "Auferstehungssinfonie"Bild: picture-alliance/dpa/C. Charisius

Auch Mahlers zweite Sinfonie zum Abschluss des Festivals ist eine Auseinandersetzung mit Beethoven, genauer gesagt mit seiner 9. Sinfonie. Wie Beethoven integrierte Gustav Mahler Vokalstimmen in sein Werk und übertraf noch einmal bei weitem den Umfang der Neunten. "Mir war das Werk wichtig, um die Kontinuität zu zeigen, die Art, wie man sich später mit Beethoven auseinandersetzen musste", erläuterte Nike Wagner bereits 2020in einem Interview mit der DW. "Und wenn Beethoven als der erste Romantiker in der Musik gilt, dann war Mahler ganz sicherlich der letzte."

Der auferstandene Prometheus

Am Herzen lag Nike Wagner auch das Prometheus-Projekt, musikalisch umgesetzt mit dem Beethoven Orchester Bonn unter Dirk Kaftan. Das Orchester spielte unter anderem Alexander Skrjabins Werk "Prométhée" und mit dem Orgelvirtuosen Cameron Carpenter dessen Komposition "The Scandal". Prometheus ist der Held aus der griechischen Sage, der den Menschen das Feuer – und damit im übertragenen Sinne die Zivilisation - gebracht hat. Dafür wurde er von Gottvater Zeus bestraft.

Das zentrale Stück dazu im Theater inszenierte der italienische Regisseur Romeo Castellucci unter dem Titel "Pavane für Prometheus". Sein Prometheus war Silvio Jagarinec, der durch einen Motorradunfall beide Beine verloren hatte. Monoton und akribisch erzählte Jagarinec im Theaterstück die Details seines Unfalls von den Schmerzen und dem Gefühl, dem Tod so nahe zu sein. Am Schluss hat er überlebt und ins Leben zurückgefunden. Auch das eine Art der Auferstehung.

Silvio Jagarinec kämpft sich mit Beinprothesen zurück ins LebenBild: Monika Rittershaus

Mit dem Beethovenfest sollte auch das Beethoven Jahr ausklingen, doch durch die Corona-Lockerungen können jetzt doch noch einige der geförderten Projekte und Konzerte durch die Beethoven Jubiläums Gesellschaft realisiert werden. Dazu gehört auch ein Konzert des Beethovenfestes, das auf Ende Oktober verschoben werden musste: die Aufführung von Beethovens "Missa Solemnis" mit dem Concerto Köln unter Kent Nagano im Kölner Dom. Mit diesem Konzert wird das Beethovenjahr offiziell besiegelt. Zu Beethovens 251. Geburtstag - das Geburtsdatum wird auf den 16. Dezember geschätzt -  wird die Jubiläums GmbH dann noch einmal Bilanz ziehen und eine Festschrift herausgeben. 2022 übernimmt Nike Wagners Nachfolger Steven Walter die Leitung des Beethovenfestes.

Musikalische Weltreisen: Das Campus-Projekt

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