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Musik

Beethovens "Eroica" inspirierte Dufourt zu "Ur-Geräusch"

Gaby Reucher
26. September 2016

Beethovens "Eroica" ist als Revolutionswerk in die Musikgeschichte eingegangen. Die 3. Sinfonie inspiriert auch heute noch moderne Komponisten. Hugues Dufourt ehrte das Werk beim Beethovenfest mit ganz eigenen Klängen.

Komponist Hugues Dufourt
Hugues Dufourt findet, dass Musik innovativ sein mussBild: CC by Hugues Dufourt/A. Karger

Ein Raunen geht durch die Menge, als Max Nyffeler die Partitur von "Ur-Geräusch" entfaltet. Das übergroße Heft in DIN A 2 Format ist das Ergebnis der Auftragskomposition des Beethovenfestes an den französischen Komponisten Hugues Dufourt. Das Format beeindruckt schon beim bloßen Anblick. "Die Partitur ist so groß, weil nicht nur jede Instrumentengruppe eine eigene Stimme hat, sondern fast jedes einzelne Instrument. Das gibt einen dichten, aufgefächerten Klang", erklärt Musikwissenschaftler Max Nyffeler, der vor dem Konzert in das Werk einführt.

Klangliche Grenzüberschreitung

Nike Wagner gibt jedes Jahr eine Uraufführung in AuftragBild: Beethovenfest/Cornelis Gollhardt

Stellt sich die Frage, was das ganze mit Ludwig van Beethoven zu tun hat. Seit dem vergangenen Jahr wird jeweils ein europäischer Komponist von Intendantin Nike Wagner beauftragt, für das Beethovenfest ein Werk zu komponieren, das sich auf ein Stück von Beethoven bezieht. Hugues Dufourt hat Beethovens 3. Sinfonie, die sogenannte "Eroica" als Referenzwerk gewählt. "Wer jetzt aber erwartet, dass Dufourt Motive aus Beethovens 'Eroica' zitiert, der wird vergeblich danach suchen", erläutert Nyffeler.

Hugues Dufourt gehört zu den sogenannten Spektralisten. Mit Hilfe des Computers wurden in den 1960er Jahren erstmals Töne in ihre Einzelteile zerlegt. Die Analyse der mitschwingenden Obertöne war für die Spektralisten die Grundlage für ein neues Kompositionsprinzip. Je nachdem, wie man diese Obertöne zusammensetzt - etwa Töne die weit weniger als einen Halbton voneinander entfernt sind - entstehen sphärisch schwebende Klänge, die bis hin zum Geräusch verschwimmen.

Genau das passiert auch bei Hugues Dufourts Klangkomposition "Ur-Geräusch" und entlockt besonders den Bläsern und Streichern Klänge fernab des üblichen Orchesterklangs. Der Titel "Ur-Geräusch" geht dabei auf einen Aufsatz von Rainer Maria Rilke über den Phonographen von 1919 zurück.

Warum sich Dufourt ausgerechnet Beethovens Eroica ausgesucht hat? "Es ist die Dynamik, die mich fasziniert hat", sagt Dufourt. "Beethoven geht in seiner Musik weit über die Grenzen dessen hinaus, was damals vom Klang her üblich war, und das tue ich auch".

Beethovens musikalischer Kampf für die Freiheit

Beethoven hatte seine Eroica 1804 vollendet. Es war die Zeit der französischen Revolution. Das Bürgertum erstarkte. Napoleon hatte sich an die Macht gekämpft und Beethoven glaubte, wie viele seiner Zeitgenossen daran, dass der große Feldherr die Werte der Aufklärung "Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit" in ganz Europa verteidigen werde.

Mit 33 Jahren begann Beethoven die "Eroica" in Wien zu schreiben. Gleichzeitig hatte sich sein Gehör bereits so sehr verschlechtert, dass er in seinem "Heiligenstädter Testament" seine spätere Taubheit und damit das Ende seines Schaffens voraussah. Die Musik schrieb er mehr und mehr aus seiner inneren Vorstellungskraft. Im Wettlauf mit der Zeit stürzte er sich förmlich in die Arbeit. In dieser Phase entstand nicht nur die "Eroica", sondern auch seine einzige Oper "Fidelio".

Der Einfluss der Französischen Revolution 

Auf dem Titelblatt der "Eroica" ist zu sehen, dass Beethoven seine Widmung an Napoleon ausradiert hatBild: picture-alliance/Leemage

Zunächst widmete Beethoven sein heroisches Werk, die "Eroica", Napoleon. Als sich dieser aber selbst zum Kaiser krönte, soll der Komponist zu seinem Schüler Ferdinand Ries gesagt haben: "Ist der auch nichts anderes, wie ein gewöhnlicher Mensch! Nun wird er auch alle Menschenrechte mit Füßen treten, nur seinem Ehrgeize frönen; er wird sich nun höher wie alle anderen stellen, ein Tyrann werden!" Beethoven sollte Recht behalten. Wütend radierte er die Widmung von der Partitur.

Dennoch ließ sich Ludwig van Beethoven musikalisch von der französischen Revolution inspirieren. Die große dynamische Bandbreite, die Hugues Dufourt an der "Eroica" schätzt, die impulsiven kontrastreichen Stimmungswechsel, all das steht nicht nur für sein inneres Seelenleben, sondern auch für den Aufbruchcharakter jener Zeit. Den zweiten Satz gestaltete Beethoven als Trauermarsch in Anlehnung an die Totenehrung für die gefallenen Revolutionshelden. So etwas hatte es bis dahin nicht gegeben.

Eine ästhetische Revolution

Mit der "Eroica" sprengte Beethoven den äußeren Rahmen einer Sinfonie. Zu lang sei das Werk, bemängelten seine Kritiker - heute kaum vorstellbar. Die 3. Sinfonie gehört zu den beliebtesten und meist gespielten Stücken Beethovens. Und so steht sie in diesem Jahr auch im Zentrum des Beethovenfestes, das um das Thema "Revolutionen" kreist.

Marek Janowski hat es geschafft, dem WDR Sinfonieorchester sphärische Klänge zu entlockenBild: picture-alliance/F. Toulet/Leemage

Das Sinfonieorchester des Westdeutschen Rundfunks brachte nicht nur die Uraufführung von Hugues Dufourt zu Gehör, sondern, unter großem Applaus, auch die "Eroica" im Original. Doch gegen das, was das Orchester unter Dirigent Marek Janowski bei Hugues Dufourts "Ur-Geräusch" klanglich zu leisten hatte, war Beethovens "Eroica" fast ein Spaziergang. 

Fühlt sich Hugues Dufourt auch als Revolutionär? "Vom Grundsatz her bin ich auch ein Revolutionär. Aber es ist eine ästhetische Revolution". Hugues Dufourt ist überzeugt: Wer heutzutage ernste Musik mache, der müsse immer innovativ und fortschrittlich sein. "Man kann keine Musik machen, die als Andenken auf Nostalgie basiert." Auch wenn man sich von Beethoven inspirieren lässt, so müsse doch etwas Neues dabei entstehen. So wie auch Beethoven sich inspirieren ließ und doch immer Neues geschaffen hat.

 

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