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Befürchtet Moskau eine neue Krise wie 1962 auf Kuba?

4. April 2003

– Zu den Zielen und Aktivitäten des russischen Geschwaders im Arabischen Meer

Moskau, 4.4.2003, NESAWISSIMAJA GASETA, russ., Sergej Sokut

Wie die "Nesawissimaja gaseta" bereits berichtet hat, bereitet das Verteidigungsministerium Russlands zwei Geschwader von Militärschiffen auf das Auslaufen ins Arabische Meer vor. Der Zeitung liegen jetzt auch Informationen über das Ziel der Übung sowie die geplanten Aktivitäten unserer Flotte im Indischen Ozean vor.

Die russischen Schiffe werden Anfang der letzten April-Dekade ins Arabische Meer einlaufen.

Das offizielle Ziel lautet: Durchführung von Marineübungen – "in Absprache mit der indischen Seite". Bereits vorher wurde erklärt, dass die Schiffe die russische Präsenz in entlegenen Gegenden wieder herstellen sollen. Es sieht jedoch so aus, als ob sowohl die vorausgegangenen als auch die jetzigen Erklärungen die tatsächlichen Ziele der Aktion verheimlichen sollten. Nicht von ungefähr hat der Verteidigungsminister der Russischen Föderation Sergej Iwanow erklärt, dass der Termin für das Auslaufen der Schiffe "von der Entwicklung der Situation im Irak abhängt".

Gesprächspartner der "Nesawissimaja gaseta" verweisen auf zwei mögliche Übungsszenarien, die die tatsächlichen Aufgaben widerspiegeln, die der Flotte gestellt worden sind. Das erste sieht die Einnahme eines wichtigen Küstenobjektes durch die Marineinfanterie vor. In einem Gespräch mit dem Korrespondenten der "Nesawissimaja gaseta" erklärte einer der Generäle, dass solch ein Objekt die Erdölterminals von Umm Kasr sein könnten. Diese eigenartige Wiederholung des Marsches auf Pristina wird es nach Ansicht einiger Militärexperten erlauben, die Kräfteverteilung im Nachkriegs-Irak zu beeinflussen. Man müsse jedoch eingestehen, dass das Geschwader, das derzeit gebildet werde, dafür nicht stark genug sei. Ihm gehöre lediglich ein Landungsschiff an, das 150 Marineinfanteristen und zehn Panzer mit Besatzung aufnehmen könne.

Das zweite Übungsszenario sieht eine Schlacht mit einem Stoßtrupp eines Flugzeugträgers vor. Zur Erinnerung: Bereits im Februar 2003 hatte Sergej Iwanow in München erklärt, dass dem Geschwader "etwa 10 Kampfschiffe, darunter Überwasserschiffe, Unterwasserschiffe und große Landungsschiffe", angehören werden.

Aus uns vorliegenden Informationen geht hervor, dass dem Geschwader mindestens drei Atom-U-Boote angehören werden. Dieses Geschwader wird an einen Eisberg erinnern, da der größte Teil seiner Feuerkraft unter dem Wasser konzentriert sein wird. Es genügt daran zu erinnern, dass ein U-Boot von der Art der "Kursk" über zwei- bis dreimal mehr Schlagkraft verfügt als das Hauptschiff des Geschwaders, der Raketenkreuzer "Moskwa". Außerdem können in einem U-Boot, im Unterschied zu einem Überwasserschiff, taktische Atomwaffen versteckt werden, die sich gemäß den russisch-amerikanischen Vereinbarungen in friedlichen Zeiten nicht an Bord befinden dürfen.

Das Geschwader der Kampfschiffe der Schwarzmeer-Flotte, dem der Raketenkreuzer "Moskwa", das große Landungsschiff "Cäsar Kunikow" und zwei Küstenschutzschiffe angehören, wird Sewastopol in 5 bis 7 Tagen verlassen. In etwa 10 bis 12 Tagen wird es den Bosporus, die Dardanellen, den Suez-Kanal und das Rote Meer passiert haben und sich der Zone der Kampfhandlungen nähern. Anfang Mai werden die Kräfte des Geschwaders verdoppelt – im Indischen Ozean werden drei Schiffe der Pazifik-Flotte einlaufen, die sich Ende der ersten April-Dekade auf den Weg machen sollen.

Das heißt, dass die oberste russische Militärbehörde davon ausgeht, dass sich die Lage im mittleren Osten Ende April grundsätzlich ändern wird, was eine Einmischung der russischen Seite in den Konflikt erfordern könnte. Wie diese Einmischung aussehen könnte, sagt kein Politiker oder Militärangehöriger. Um so mehr sind die Militärs uns vorliegender Information zufolge über die unerwartete Erklärung von Präsident Putin darüber verwundert, dass Russland den USA keine Niederlage im Krieg wünscht. Ein hochrangiger Offizier der Schwarzmeer-Flotte hat in einem Gespräch mit dem Korrespondenten der "Nesawissimaja gaseta" sogar erklärt, dass damit der Sinn des Marsches verloren geht.

Wie die "Nesawissimaja gaseta" aus dem Hauptquartier der Kriegsmarine nahe stehenden Kreisen erfuhr, könnten U-Boote der Nord-Flotte bereits in der Gegend des Konfliktes Stellung bezogen haben. Derzeit würden diese geheim vorgehen und ihre Befehle direkt aus Moskau erhalten. Bei Notwendigkeit würden sie jedoch dem Kommandeur des Geschwaders unterstellt.

Stimmen diese Informationen, so will Russland ein recht starkes Militärpotential im der Gegend des Konfliktes haben. Und das bedeutet, dass Moskau bei den Prognosen über den Verlauf des Krieges nicht ausschließt, dass sich die Situation unter bestimmten Umständen nach dem Szenario der Karibik-Krise entwickeln könnte. (lr)