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Politik

Begegnung mit den Taliban

Emran Feroz
12. Juni 2017

In manchen Teilen Afghanistans haben sich die Taliban wieder festgesetzt. Die Wut der Einheimischen, wenn es zivile Opfer bei Luftangriffen gibt, kommt ihnen zunutze. Emran Feroz hat einen Taliban-Kommandeur getroffen.

Afghanistan Symbolbild Taliban-Kämpfer
Bild: picture alliance/Photoshot

"Dutzende von Staaten dürfen in diesem Land mitregieren, doch für uns soll kein Platz sein? Das sehen wir nicht ein", meint Habibullah Samimi (Name geändert) mürrisch, während er an seiner Teetasse nippt. Samimi ist ein lokaler Taliban-Kommandeur. Im Distrikt Khogyani in der ostafghanischen Provinz Nangarhar hat der Dschihad-Veteran, der einst schon gegen die sowjetische Besatzung kämpfte, das Sagen. Seine Kritik gilt der afghanischen Regierung in Kabul, die seiner Meinung nach "keinen Frieden" mit den Taliban will.

Khogyani ist Taliban-Gebiet. Selbst die Menschen aus der Provinzhauptstadt Dschalalabad, rund dreißig Minuten Autofahrt entfernt, meiden die im Distrikt liegenden Dörfer. Wie in vielen anderen Distrikten Afghanistans, die von den Taliban kontrolliert werden, hat auch in Khogyani die Kabuler Regierung nichts zu sagen. "Hier herrscht Recht und Ordnung", meint Samimi. Der Kommandeur prahlt damit, dass es nicht einmal Diebstähle gebe. Der Grund: Die Angst vor drakonischen Strafen. Die Regierung in Kabul habe dagegen die Kontrolle im Innern verloren und handele nicht nach "islamischen Werten".

(Archiv) Taliban-Kämpfer in AfghanistanBild: Getty Images/AFP/J. Tanveer

Kampf an zwei Fronten

Seit 2015 kämpfen die Taliban an zwei Fronten. Einerseits gegen die afghanische Armee und ihre Verbündeten, andererseits gegen die Zelle des sogenannten "Islamischen Staates" (IS) in Afghanistan. Der afghanische IS-Ableger, der Schätzungen zufolge nur aus wenigen Tausend Kämpfern bestehen soll, operiert vor allem in der Provinz Nangarhar und zählt auch ehemalige Taliban-Kommandeure zu seinen Mitgliedern. Erstmals berichtet wurde über die Zelle im Februar 2015. Seitdem kam es immer wieder zu Kampfhandlungen zwischen IS- und Taliban-Kämpfern.

Habibullah Samimi erzählt, dass Teile Khogyanis vor zwei Jahren ebenfalls vom IS kontrolliert worden seien, bevor sie die Taliban hätten zurückerobern können. 300 seiner Kämpfer seien dabei gefallen. Überprüfen lassen sich diese Angaben nicht. Samimi behauptet, dass in den Reihen des IS viele Ausländer seien. "Ich habe selbst Algerier und Philippiner gesehen", so Samimi. Wie viele ausländische Kämpfer für den IS in Afghanistan tatsächlich kämpfen, ist ebenfalls nicht bekannt.

Luftangriffe mit zivilen Opfern

Eine Schule in der ostafghanischen Provinz NangarharBild: AFP/Getty Images/N, Shirzada

Nach Angaben der US-Regierung befinden sich rund vierzig Prozent des Landes entweder bereits unter Taliban-Kontrolle oder sind in Gefahr, in diese Lage zu geraten. Ein Grund für den Erfolg der Extremisten sind nach ihrer eigenen Einschätzung die zivilen Opfer bei amerikanischen Luftangriffen. Taliban-Kommandeur Samimi erklärt, dass diese seit Beginn der Amtszeit des US-Präsident Donald Trumps zugenommen hätten. Auch andere Einwohner des Distriktes berichten von einer Zunahme der Luftangriffe.

"Oftmals gibt es ein oder zwei tote Taliban-Kämpfer und ein Dutzend tote Zivilisten. Es gibt auch genug Fälle, in denen ausschließlich Zivilisten getötet oder verletzt wurden", sagt Mohammad Khan, ein Einwohner des Dorfes Basakhel. "Diese Angriffe treiben die einfachen Menschen in die Arme der Taliban", betont er. "Wenn eine Frau oder ein Kind durch einen solchen Angriff getötet wird, steht der ganze Clan hinter uns und greift zur Waffe", sagt der Taliban-Kommandeur Samimi, während er auf mehrere Kämpfer zeigt, die Familienmitglieder durch Luftangriffe verloren hätten, wie er sagt. "Mein Vater wurde durch einen Drohnen-Angriff getötet. Deshalb kämpfe ich", sagt ein junger Mann von etwa zwanzig Jahren.

Frieden mit Kriegsfürsten?

Ehemaliger Kriegsfürst Gulbuddin HekmatjarBild: picture-alliance/AP Photo/K. Jebreili

Die Taliban in Khogyani erbost der Friedensdeal mit dem Warlord Gulbuddin Hekmatjar, der sich vor allem während des Kampfes gegen die Sowjetunion sowie in den Jahren des afghanischen Bürgerkrieges einen Namen machte. Wie zahlreiche andere Warlords, die in der afghanischen Regierung sitzen, werden Hekmatjar und seine Partei Hisb-i Islami für zahlreiche Kriegsverbrechen verantwortlich gemacht.

Doch als die NATO 2001 in Afghanistan einmarschierte, schwor Hekmatjar, im Gegensatz zu vielen anderen Kriegsfürsten die westlichen Truppen wie vorher die Russen zu bekämpfen. Mittlerweile lebt er, der einst Hunderte von Raketen tagtäglich auf Kabul regnen ließ, in einem abgesicherten Anwesen in der Hauptstadt. Taliban-Kommandeur Samimi kommentiert das so: "Dieser Mann wird nun als Friedensengel betrachtet, aber wir sind weiterhin die Bösen. Diese Farce sollte doch selbst für die Menschen im Westen mehr als offensichtlich sein."