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Politik

Begehen die Taliban Kriegsverbrechen?

2. August 2021

Nach dem Abzug der internationalen Truppen aus Afghanistan rücken die radikalislamischen Taliban rigoros vor. Das Land versinkt in Gewalt. Der Vorwurf mutmaßlicher Kriegsverbrechen steht im Raum.

Gepanzerte Fahrzeuge der Regierungstruppen in der Provinz Nangarhar
Nach schweren Gefechten mit den Taliban verstärken die Regierungstruppen ihre Linie im Grenzgebiet zu Pakistan Bild: AA/picture alliance

Die USA und Großbritannien werfen den islamistischen Taliban mögliche Kriegsverbrechen im Bezirk Spin Boldak in der Provinz Kandahar im Süden Afghanistans vor. Sie hatten die Region Mitte Juli überrannt. Dort hätten die Taliban "Dutzende Zivilisten" aus Rache massakriert, heißt es in einer Erklärung, die die amerikanische und die britische Botschaft in Kabul via Twitter veröffentlichten. Diese Morde könnten Kriegsverbrechen darstellen, daher müssten die verantwortlichen Taliban-Kämpfer oder Kommandeure zur Rechenschaft gezogen werden.

Nach Informationen der afghanischen Menschenrechtskommission rächten sich die Taliban nach ihrer Machtübernahme in Spin Boldak an Regierungsbeamten sowie Anwohnern, die während einer versuchten Rückeroberung des Bezirks die Regierungssoldaten unterstützt hätten. Die Kommission spricht von 40 identifizierten Opfern. 

Schwere Angriffe auf die Provinzhauptstadt Laschkargah

Seit Anfang Mai haben die Islamisten in verschiedenen Offensiven mehr als 160 Bezirke des Landes erobert. Derzeit konzentrieren sich ihre Angriffe in Helmand auf die Provinzhauptstadt Laschkargah mit etwa 200.000 Einwohnern. Tausende Zivilisten fliehen vor der Gewalt. Bewohner der Stadt berichten von schwersten Kämpfen, Ausfällen des Strom- und Mobilfunknetzes sowie Medikamentenknappheit. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen schildert: "Häuser werden bombardiert und viele Menschen schwer verletzt."

Afghanische Sicherheitskräfte in der Provinz Herat Bild: HOSHANG HASHIMI/AFP via Getty Images

Auch aus einigen Bezirken der Provinz Kandahar und aus den Außenbezirken der gleichnamigen Provinzhauptstadt sowie aus der westafghanischen Provinz Herat werden heftige Gefechte zwischen Taliban-Kämpfern und Regierungstruppen gemeldet. "Die Bedrohung in diesen drei Provinzen ist groß", sagte der Sprecher der afghanischen Sicherheitskräfte, Adschmal Omar Schinwari.

Ghani macht den USA Vorwürfe 

Der afghanische Präsident Ashraf Ghani macht die USA für die aktuelle Lage verantwortlich. "Der Grund für unsere derzeitige Situation ist, dass die Entscheidung (für den US-Truppenabzug) abrupt getroffen wurde", sagte er in einer Sondersitzung des Parlaments in Kabul. Er habe Washington davor gewarnt, dass der Abzug "Konsequenzen" haben werde.

Afghanistans Präsident Ashraf Ghani im Parlament Bild: Rahmat Gul/AP/picture alliance

Die Regierung unter Präsident Joe Biden versprach angesichts der zunehmenden Gewalt am Hindukusch, die USA würden tausende weitere afghanische Helfer aufnehmen. Neu aufgenommen in die Liste der Berechtigten wurden nach Angaben des Außenministeriums in Washington Afghanen, die mit in den USA ansässigen Medien beziehungsweise Nichtregierungsorganisationen zusammenarbeiten oder an Projekten beteiligt sind, die von den USA finanziert  werden. Frühere Schätzungen gingen davon aus, dass mit ihren Familien insgesamt bis zu 100.000 Menschen außer Landes gebracht werden müssen. Diese Zahl dürfte sich nun erhöhen. Viele Afghanen, die mit den alliierten Streitkräften zusammengearbeitet haben, befürchten Racheakte der Taliban.

se/uh (dpa, ap, afp, rtr)

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