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Behinderte wollen raus aus der Armutsfalle

Julia Hahn19. März 2014

Sie werden oft diskriminiert, ausgegrenzt und leben in größter Armut: In Afrika kämpfen Menschen mit Behinderung gegen viele Barrieren. Aktivisten fordern mehr Teilhabe. Ein Vorbild: Deutschland.

Afrikanischer Junge im Rollstuhl (Foto: Getty Images)
Bild: Getty Images

Routiniert steuert Rachel Kachaje ihren Rollstuhl durch die große Wäscherei, vorbei an den zischenden, dröhnenden Maschinen. Sie könnte sich schieben lassen, aber das lehnt sie ab - aus Prinzip. Kachaje ist Ministerin für Behindertenrechte in Malawi. In Berlin will sie sich ansehen, wie die Integration Behinderter in Deutschland funktioniert.

In der Wäscherei arbeiten etwa 25 Frauen und Männer. Sie bügeln, mangeln, falten weiße Tischdecken, Handtücher und Kleidung. Das Integrationsunternehmen Mosaik bildet sie aus und macht sie fit für den Arbeitsmarkt. "Genau so muss es sein", findet die Ministerin. "Wenn wir über Behinderung reden, dann geht es nicht um Mitleid oder Almosen - dann geht es um Menschenrechte." Das Recht auf Arbeit ist eines davon.

Behinderung gilt als Fluch

Phitalis Masakhwe, Experte aus KeniaBild: DW/Julia Hahn

Phitalis Were Masakhwe nickt zustimmend. Der Aktivist aus Kenia sitzt ebenfalls im Rollstuhl. Aufklärung sei das Wichtigste, sagt er. Denn Behinderung gelte in vielen Ländern Afrikas immer noch als Fluch oder Strafe. "Eltern verstecken ihre behinderten Kinder, weil sie sich für sie schämen", so Masakhwe. Das könne man nur ändern, indem man über die medizinischen Ursachen informiere. "Die Menschen müssen verstehen, dass eine Behinderung nichts Mystisches ist, sondern etwas, das jeden treffen kann."

Die Friedrich-Ebert-Stiftung hat den Besuch in Deutschland organisiert. "Hier gibt es viele gute Ansätze, die afrikanischen Ländern als Vorbild dienen könnten", sagt Merin Abbass, der sich in der Stiftung mit dem südlichen Afrika beschäftigt. Etwa hundert Millionen Menschen mit Behinderung leben laut Schätzungen in Afrika - genaue Zahlen gibt es nicht. Sie hätten kaum Zugang zu Schulen, Krankenhäusern und Sozialleistungen, heißt es in einem 2011 veröffentlichten Bericht von Weltgesundheitsorganisation und Weltbank. Und: Sie leben überdurchschnittlich oft in extremer Armut.

Zu Armut verdammt

Looks Matoto, Aktivist aus SüdafrikaBild: DW/Julia Hahn

"Es ist ein Teufelskreis", sagt Looks Matoto. "Wenn du eine Behinderung hast, dann ist Armut dein Schicksal. Und jedes Mal, wenn du versuchst, diesem Schicksal zu entkommen, dann scheiterst du, weil du es ohne Unterstützung einfach nicht schaffst." Der Südafrikaner mit den langen Dreadlocks arbeitet für "Disabled People South Africa", kurz DPSA, eine Nichtregierungsorganisation, die von Menschen mit Behinderung geleitet wird. Er träumt von einem Südafrika, in dem jeder - egal ob mit oder ohne Behinderung - dieselbe Chance auf Arbeit hat.

Staatliche Zuschüsse seien hilfreich, sagt Matoto. Sie könnten aber nicht die alleinige Antwort auf Armut und Arbeitslosigkeit sein. "Wir wollen Jobs, Geschäfte machen. Wir wollen keine alten Schuhe reparieren, sondern wir wollen die Fabriken leiten, die die Schuhe produzieren."

Auf dem Papier steht Matotos Heimat Südafrika gut da, wenn es um die Rechte von Behinderten geht: Es gibt Gesetze zu ihrem Schutz, die Verfassung verbietet Diskriminierung. Mehr als ein Dutzend Abgeordnete im Parlament haben eine Behinderung. Und: Südafrika hat, genauso wie Malawi und Kenia, die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen unterzeichnet.

Jobs für mehr Unabhängigkeit

Doch der Alltag sieht oft anders aus: Ein Rollstuhl, eine Brille, ein Arzt - für die meisten Menschen immer noch unbezahlbar. Beim Bauen wird zu wenig auf Barrierefreiheit geachtet. Schulen und Kindergärten sind auf die besonderen Bedürfnisse Behinderter nur selten vorbereitet.

Alle diese Hemmnisse abzubauen, ist eine Herkulesaufgabe. Auch Ministerin Kachaje macht sich keine Illusionen. In ihrem Land lebt jeder Zweite unterhalb der Armutsgrenze, dazu kommt das Aids-Problem. Die Belange Behinderter kommen da oft zu kurz. Aber der Besuch in Deutschland habe ihr Mut gemacht, sagt Kachaje. Zwar gebe es in Malawi auch Werkstätten für Menschen mit Behinderung, "aber die Standards sind nicht die gleichen wie hier. Ich denke, wenn wir unser System verbessern und sicherstellen, dass das nötige Equipment da ist, dann können wir mehr Arbeitsplätze schaffen."

Rachel Kachaje, Minsterin aus MalawiBild: DW/Julia Hahn

Die Ministerin weiß, was es heißt, sich gegen Widerstände durchzusetzen. Sie war drei, als sie an Polio erkrankte. Seitdem ist sie gelähmt und sitzt im Rollstuhl. Von ihrem Job als Telefonistin in einem Unternehmen hat sie sich hochgearbeitet - bis in die Regierung. Ihre Botschaft: nicht aufgeben.

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