Bei Solarworld wird es wieder dunkel
22. März 2017Das Unternehmen teilte am Dienstag mit, dass sein Eigenkapital im Geschäftsjahr auf 2,6 Millionen Euro zurückgegangen ist. Grund sei ein Verlust nach Steuern in Höhe von 28,2 Millionen Euro. Als Folge wird das Photovoltaik-Unternehmen wie im Aktiengesetz vorgesehen eine Hauptversammlung einberufen. Der Verlust sei die Folge von "Rückstellungen und Wertberichtigungen", hieß es in der Mitteilung.
Den Kapitaleinbruch und die Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung kündigte Solarworld an, um den Bedingungen des Paragrafen 92 des deutschen Aktienrechts zu genügen. Dieser Paragraf ist eine Vorschrift für den Notfall und regelt "Vorstandspflichten bei Verlust, Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit".
Das ist ein Alarmsignal für die Anleger - die Aktien rauschten zeitweise um 33 Prozent in den Keller. Das einstige Musterunternehmen der Energiewende, das in guten Zeiten 2008 sogar mal Opel kaufen wollte, steckt erneut tief in der Krise und kämpft um sein Überleben.
Die Konkurrenz ist billiger
Das Hauptproblem für Gründer und Firmenchef Frank Asbeck ist seit Jahren das gleiche: Die Billigkonkurrenz aus Asien, vor allem China, bedroht die Bonner, die gerade auf hochwertige und damit teure monokristalline Solarmodule mit hohem Wirkungsgrad setzen.
Zwar gibt es EU-Schutzzölle gegen Dumping-Angebote aus China. Diese werden aber vielfach unterlaufen: Entweder schlicht durch illegalen Handel, kritisiert Solarworld, oder eleganter dadurch, dass die großen chinesischen Hersteller längst Fabriken in anderen asiatischen Ländern wie Vietnam oder Thailand aufgebaut haben.
Frisches Geld aus Katar
Sechs Jahre in Folge - seit 2011 - hat Frank Asbeck real rote Zahlen erwirtschaftet. Bereits 2012 rutschte das Eigenkapital nach Rekordverlusten von mehr als 600 Millionen Euro in den Minusbereich. Asbeck, zu dessen Stärken die Überzeugungskraft im Direktkontakt zählt, wusste seine Firma aber trotz hoher Schulden zu retten: Er brachte einen Schuldenschnitt durch, bei dem die Gläubiger auf 60 Prozent ihres Geldes im Tausch gegen Aktien verzichteten. Die Aktionäre mussten 95 Prozent ihres Aktienwertes abschreiben.
Zugleich brachte ein Investor aus Katar neues Geld und Solarworld übernahm Anfang 2014 von Bosch deren Solarfertigung in Arnstadt einschließlich der Mitarbeiter und kassierte dafür 130 Millionen Euro.
Schadensersatzklage wie ein Damoklesschwert
Danach sah Asbeck die Zukunft des Unternehmens wieder mit Optimismus, auch wenn die ersten Gewinne wohl noch über Jahre ausbleiben werden und sich für Solarworld eine zweite, existenziell bedrohliche Gefahr aufgetan hat: Der ehemalige Siliziumlieferant Hemlock aus den USA verklagte Solarworld 2013 wegen nicht erfüllter Abnahmezusagen auf umgerechnet rund 720 Millionen Euro Schadenersatz. Ein US-Gericht hat diesen Anspruch im Sommer 2016 bejaht, Solarworld ist in Berufung gegangen. Gewinnt Hemlock und kann seine Ansprüche auch in Deutschland geltend machen, wird es eng: Rücklagen für die Forderung bestehen nicht.
Die Zukunft sieht nicht rosig aus
Das empfindliche Schrumpfen des Eigenkapitals erschwere nun auch die finanziellen Möglichkeiten für eine gütliche Einigung mit den Amerikanern, sagt der Solarfachmann und Branchenkenner Götz Fischbeck vom Beratungsunternehmen Smart Solar Consulting.
Schnelle Entlastung auf dem deutschen Markt sieht er nicht: Nach der jüngsten Billigangebotswelle aus China sind die Preise um rund 20 Prozent eingebrochen. "Es ist extrem schwierig, dem hinterher zu sparen."
Außerdem muss Solarworld bis 2019 rund 350 Millionen Euro an Darlehen und Anleihen zurückzahlen. Spätestens dann müsse die Firma den Turnaround geschafft haben, weil sie sonst kaum ausreichend neue Kredite bekommen werde.
Die außerordentliche Hauptversammlung wird vor diesem Hintergrund zu einem Canossa-Gang für Asbeck. Zunächst mal muss er den Anlegern erklären, ob das Solarworld-Geschäftsmodell angesichts der abgestürzten Modulpreise noch zukunftssicher ist. Branchenbeobachter erwarten, dass spätestens dann das Thema Eigenkapital auf den Tisch kommen werde - eventuell mit einer Kapitalerhöhung und damit einhergehenden neuen Schmerzen für die Aktionäre.
dk/hb (afp/dpa)