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Bekommt Bonn die erste Boris-Nemzow-Straße in Deutschland?

Nika Busch
31. August 2025

Es ist eine Initiative aus dem Bonner Stadtrat. Unterstützt wird sie von Zhanna Nemzowa, der Tochter des in Russland ermordeten Oppositionellen. Die endgültige Entscheidung steht noch aus.

Fotos von Boris Nemzow, Blumen und Kerzen auf der Brücke in Moskau, wo Nemzow ermordet wurde (Archivfoto aus dem Jahr 2017)
Auf der "Nemzow-Brücke" in Moskau - Gedenken am Ort der Ermordung von Boris Nemzow (Archivfoto aus dem Jahr 2017)Bild: Claudia Thaler/dpa/picture alliance

Die Bundesstadt Bonn will den Namen von Boris Nemzow ehren. Der russische Oppositionspolitiker war am 27. Februar 2015 in Moskau ermordet worden. Die Initiative, eine Straße in der ehemaligen Bundeshauptstadt nach ihm zu benennen, geht von Vertretern der FDP aus und wird im Bonner Stadtrat von Bündnis 90/Die Grünen, der CDU und der SPD unterstützt. 

Boris Nemzow und seine russische Partei SPS sei dem politischen Liberalismus zugerechnet worden, sagte Werner Hümmrich, Vorsitzender der FDP-Fraktion im Rat der Stadt Bonn, auf Anfrage der DW.

"Es wäre für Bonn ein angemessenes Zeichen der Würdigung seines Einsatzes für Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und gegen Korruption. Schon 2014 hatte sich Boris Nemzow gegen einen Krieg gegen die Ukraine eingesetzt. Wir sehen die Namensgebung unabhängig von anderen Persönlichkeiten, die sich aus ihrer jeweiligen Position heraus für Frieden, Freiheit und Verständigung eingesetzt haben."

In Bonn gegründet: Die Boris-Nemzow-Stiftung

Boris Nemzow hatte Bonn mehr als einmal besucht. Im März 1998 kam er als Erster Stellvertretender Ministerpräsident in die Stadt, in der damals noch die deutsche Regierung arbeitete. Nemzow traf unter anderem mit dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl zusammen.

Fünf Jahre zuvor hatte die Region Nischni Nowgorod mit dem Land Nordrhein-Westfalen ein großes Rahmenabkommen über die Zusammenarbeit in den Bereichen Wirtschaft, Bildung und Kultur unterzeichnet und Nemzow reiste erneut nach Bonn. "Mein Vater nahm mich mit und es war meine erste Auslandsreise", erzählt die Tochter des Politikers, Zhanna Nemzowa, Gründerin der Boris-Nemzow-Stiftung für Freiheit, der DW. Damals war sie neun Jahre alt und in ihrer Erinnerung verschmolzen "alle deutschen Städte zu einem Ganzen. Aber Bonn ist meine kleine Heimat, denn hier habe ich fünf Jahre lang gelebt".

Zhanna Nemzowa in der Boris-Nemzow-Straße vor der russischen Botschaft in BratislavaBild: Pavel Neubauer/TASR/dpa/picture alliance

Schon bald nach dem gewaltsamen Tod ihres Vaters musste Zhanna Nemzowa aus Sicherheitsgründen Russland verlassen. Sie ließ sich in Bonn nieder, wo sie als Journalistin für die DW arbeitete.

Im November 2015 nahm die Boris-Nemzow-Stiftung ihre Tätigkeit auf. Ihre Mission ist die Entwicklung von Humankapital, die Förderung von Werten wie Freiheit, Menschenrechte und Bildung, die Organisation von Schulungsprogrammen, die Unterstützung russischsprachiger unabhängiger Medien sowie die Vergabe von Stipendien an Journalisten, Aktivisten, Forscher, Menschenrechtsverteidiger und Studenten, die ihr Studium in Russland und der Ukraine nicht fortsetzen können.

Von 2016 bis 2023 verlieh die Stiftung - bis sie von den russischen Behörden auf die Liste unerwünschter Nichtregierungsorganisationen gesetzt wurde - den Boris-Nemzow-Preis für Courage an Personen, die im Kampf für Demokratie und Freiheit außergewöhnlichen Mut bewiesen haben.

Zu den Preisträgern gehören der verstorbene Oppositionelle Alexej Nawalny, der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, der Journalist Lew Schlosberg und der Menschenrechtsaktivist Ildar Dadin.

Zhanna Nemzowa hofft nun, dass die Initiative im Stadtrat die nötige Mehrheit findet. "Ich empfinde die Initiative, eine Straße zu Ehren von Boris Nemzow umzubenennen, als äußerst positiv und hoffe, dass die Stadträte sie unterstützen werden. Ich bin bereit, vor ihnen zu sprechen und ihnen vom Vermächtnis meines Vaters zu erzählen", so Nemzowa.

Boris Nemzow und Helmut Kohl bei einem Treffen im Bundeskanzleramt in Bonn am 4. März 1998Bild: Torsten Silz/dpa/picture alliance

Bonn könnte die neunte Stadt werden, in der ein Platz, eine Straße oder ein Park nach dem ermordeten Kreml-Kritiker benannt ist. Die Vorbilder sind Kyjiw, Washington, Vilnius, Prag, Brampton, Bratislava, Sofia und London.

Allerdings unterstützen nicht alle Fraktionen im Bonner Stadtrat eine Umbenennung vorbehaltlos. Die Partei Volt vermisst bei Boris Nemzow einen klaren Bonn-Bezug. Man unterstütze aber den Einsatz für Gerechtigkeit, Freiheit und Frieden und werde sich deshalb bei der Abstimmung enthalten, sagte die Volt-Fraktionsvorsitzende Friederike Martin auf Anfrage der DW. 

Die Vertreter der Partei Die Linke haben sich noch nicht entschieden, wie Fraktionsgeschäftsführer Holger Schmidt der DW erklärte. Auch hier wird die engere Verbindung zur Stadt Bonn bei Boris Nemzow nicht gesehen. Eine Bewertung seiner Person sei damit aber nicht verbunden. 

Die Stiftung hält sich raus, die Anwohner dürfen mitreden

Die Boris-Nemzow-Stiftung ist nicht in die Initiative des Stadtrats eingebunden. Geschäftsführerin Anna Tscherednitschenko sagt im Gespräch mit der DW, sie habe von einem Vertreter der Linkspartei davon erfahren.

"Boris Nemzow ist für mich ein Symbol des Freiheitskampfes und einer der bedeutendsten demokratischen Politiker Russlands. Natürlich braucht Bonn eine Straße, die nach ihm benannt ist. Und wo sonst sollte es zuerst eine geben, wenn nicht in Bonn?", betont Tscherednitschenko.

Die Stadtverwaltung werde das Verfahren positiv begleiten, heißt es auf Anfrage der DW. Die vom Rat angenommene Straßenbenennungsliste umfasst rund 100 Namen: Nelson Mandela, Rosa Luxemburg und Clara Zetkin, die ehemaligen deutschen Bundespräsidenten Johannes Rau, Walter Scheel, Richard von Weizsäcker und andere.

Die Stadt Bonn weist darauf hin, dass Straßen, Wege, Plätze und andere öffentliche Objekte nur nach herausragenden Persönlichkeiten benannt werden können, die seit mindestens einem Jahr verstorben sind. Zudem hätten die Anwohner ein Mitspracherecht, weil dies "zu Adressänderungen und damit verbundenen Kosten und Umständen führt. Aus diesem Grund werden Straßenumbenennungen im Stadtgebiet Bonn nur sehr restriktiv vorgenommen."

In den vergangenen Jahren wurden Straßen im ehemaligen Bonner Regierungsviertel nach den ehemaligen deutschen Bundeskanzlern Helmut Schmidt und Helmut Kohl sowie nach dem ehemaligen deutschen Außenminister Hans-Dietrich Genscher umbenannt.

Adaption aus dem Russischen: Markian Ostaptschuk

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